Ein tieferer Einblick in die Infektions-Tests gegen das Coronavirus SARS-CoV-2

Seite 3: Schnellere Tests und "sichere" Geräte

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Momentan werden sowohl neue Schnelltest-Verfahren als auch die Beschleunigung von bewährten Testverfahren ausprobiert. Dabei muss man zwischen verschiedenen Sorten Schnelltests unterscheiden, etwa die molekularen Arrays und die Antikörpertests. Auch Tests, die man nur in Laboren oder Krankenhäusern vornehmen, und solche, die man auch vor Ort ausführen kann, unterscheiden sich; dazu latenzoptimierte Tests für einzelne Proben und kleinere Ensembles oder durchsatzoptimierte Tests wie die oben beschriebene RT-qPCR mit 96 oder mehr gleichzeitigen Reaktionen.

Der Test "QIAstat-Dx-Atemwegs-Panel" der deutsch/niederländischen Firma Qiagen ist ein sogenannter molekularer Kartuschentest, der im Eiltempo jetzt die europäische und amerikanische Zulassung bekommen hat. Er reagiert ebenfalls per Multiplex-Echzeit-RT-PCR auf zwei charakteristische Gene. Er ist nicht für den Einsatz vor Ort und schon gar nicht als Selbsttest, sondern für "patientennahe klinischen Umgebungen" (am POC, Point of Care) konzipiert. Man steckt den Tupfer in die Kartusche, die alternativ auch Flüssigproben aufnehmen kann und packt die Kartusche dann in das QIAstat-Analysegerät. Das ist sehr wenig Aufwand für den/die MTA, braucht für eine Probe nur etwa eine Stunde und zeigt das Ergebnis dann auf dem Bildschirm an.

Über Sensitivität und Spezifität liegen für den aktuellen Coronavirus SARS-CoV-2 noch keine öffentlichen Werte vor, aber für die älteren vier Corona-Viren (229E, NL63, OC43, HKU1). Und da sieht es vor allem bei der wichtigeren Spezifität mit 100 % bei rund 700 Proben (je nach Virus 99,2 bis 99,4 % - 100 % für 95-%-Konfidenz) sehr gut aus. Falsch-negativ waren (über alle vier Virentypen gerechnet) 3 von 47, also eine Sensitivität von etwa 94 Prozent.

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hier stand vorher falsch-positiv und 96 Prozent Sensitivität

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Kartuschentests wie der hier gezeigte von Qiagen sind mit etwa 120 € pro Kartusche zwar nicht ganz preiswert, aber sehr einfach in der Anwendung. Dazu braucht man natürlich noch das Qiagen-Analysegerät.

(Bild: Qiagen)

In der für den Notfall zugelassenen US-Zertifizierung durch die FDA gibt es jedoch ein paar Hinweise bei der Bestimmung des LoD für zwei Virenvarianten 2019-nCoV_N1 und 2019-nCoV_N2. Qiagen liefert zwei verschiedene Kits (Advanced XL und Mini); wie der Name schon andeutet, ist das Advanced-Kit mehr als doppelt so empfindlich. Das Limit of Detection wird auf die Konzentration festgelegt, bei der die positive Erkennungsrate noch mehr als 95 Prozent beträgt, also von 20 Proben pro Virusmutation mindestens 19 korrekt erkannt werden. Bei höherer Konzentration haben beide Kits immer die volle Trefferquote von 20 erreicht. Insgesamt bescheinigt die FDA ein "positive percent agreement" mit 13/13=100 Prozent und ein "negative percent agreement" mit 104/104=100 Prozent.

Inzwischen kennt man auch Kosten eines Tests der Firma Qiagen, die ja derzeit ein heiß begehrtes Objekt ist – Thermo-Fischer hat sie gerade für 11,5 Milliarden Euro gekauft . Ein Satz mit 6 Kartuschen kostet 738 Euro. Laut Qiagen sollen sie damit deutlich kostengünstiger als konkurrierende Produkte sein. Dazu braucht man natürlich ein Analyse-Gerät, den QIAstat-Dx Analyzer gibt es für 32.497 Euro.

Noch ein bisschen fixer als Qiagens Test soll das Xpert-Xpress-System der amerikanischen Firma Cepheid sein, das jetzt in den USA ebenfalls im Eilverfahren von der FDA die Notfallzulassung bekommen hat. Auch das ist ein molekularer Test auf der Basis von PCR, der sogar schon nach 45 Minuten Ergebnisse liefern soll. Dieser Test ist ebenfalls allein für den Point of Care im Krankenhaus gedacht und benötigt eine in vielen Krankenhäusern bereits vorhandene Cepheid-Analyse-Anlage. Laut Cepheid sollen davon weltweit 23.000 im Einsatz sein, denn sie werden schon seit einiger Zeit häufig in der Tuberkulose-Testung eingesetzt. Die Anlagen gibt es in verschiedenen Größen für eine bis maximal 16 Proben. Auch hier musste ein kleineres Testensemble für die Notzulassung ausreichen, bei dem bei verschiedenen Konzentrationen (2,3,4 *LoD) die spezifischen SARS-CoV2-Gene N und E gecheckt wurden – mit 100-prozentiger Trefferquote. Zusätzlich gabs auch 35 negative Proben, die ebenfalls alle korrekt als negativ getestet wurden Die Kreuzreaktivität zu anderen Viren fand wie bei Qiagen nicht klinisch statt, sondern „in silico“ per Computer.

Die Xpert-Kartusche von Cepheid zusammen mit dem GeneXpert-Analysegerät für vier Kartuschen

(Bild: Cepheid)

Qiagen und Cepheid sind die ersten Firmen, die für ihre PCR-Schnelltests die Zulassung bekommen haben, zahlreiche weitere sind aber in der Queue, da dürften in nächster Zeit noch einige folgen. Ein Überblick über 16 Firmen, mit ihren Produkten und Forschungsbereichen, gibt beispielsweise die niederländische Website Bio-Connect.

Auch Bosch ist derweil in dieses Metier eingestiegen und hat mit der britischen Firma Randox einen Kartuschentest entwickelt, der Einzeltests in 2,5 Stunden bewerkstelligen soll. Randox hat auch einen "Evidence Investigator", der bis zu 540 Proben in 5 Stunden auf SARS-CoV-2 oder andere Viren (Corona 229E, NL63, OC43, HKUI, Mers-CoV, Influenza A/B ...) untersuchen kann. Die Tests sind für Labore oder PoC im Krankenhaus gedacht, daneben bietet Randox aber auch umstrittene Home-Testkits an (derzeit ausverkauft).

Genauere Informationen über den Test liegen noch nicht vor, nur die Aussage von Bosch, er habe eine "Genauigkeit von über 95 Prozent" – was auch immer damit gemeint ist. Im Vergleich zu den oben erwähnten wäre so ein Wert etwa für Sensitivität oder Spezifität eher mau. Aber wahrscheinlich meint Bosch das Konfidenzintervall für das Niveau von 95 Prozent. Im April soll der Test auf den Markt kommen, im Moment steht beim Randox-Test "Extended Coronavirus Array" allerdings noch RUO, also nicht für die Diagnose, nur für die Forschung zugelassen.

Die PCR ist nicht das einzige Nachweisverfahren der Nukleinsäure-Amplifikationstests, möglicherweise kann man mit der Loop-mediated Isothermal Amplification (LAMP) sogar schnellere Ergebnisse mit einfacheren Geräten bekommen – so jedenfalls eine Preprint-Studie von Wissenschaftlern der Pennsylvania- und der ägyptischen Mansuora-Universität. Da braucht man dann keine Thermozyklen, alles läuft bei konstanter Temperatur ab.

Die Wissenschaftler behaupten, dass ihr Verfahren schneller, einfacher, preiswerter und treffsicherer sei – das klingt märchenhaft, doch ihre Studie ist noch durch keine Peer-Review gelaufen. Zudem geben die Autoren zu, dass es bislang nur Laborergebnisse gebe und noch keine Praxiserfahrung mit echten Proben vorliege. Dennoch kümmert sich inzwischen die renommierte kalifornische Firma Biotium darum. Dumm nur, dass die derzeit unter den starken Beschränkungen in Kalifornien leidet.

Andere sogenannte Schnelltests beruhen auf der Detektion von Antigenen (spezielle charakteristische Proteine des Virus) oder Antikörpern: vom Immunsystem gebildete spezifische Eiweiße (Immunglobuline), die sich am Virus beziehungsweise einem seiner Antigene anheften. Die Immunglobuline können eine Aufnahme der Viren in Zellen verhindern oder auch Killerzellen des Immunsystems ein Signal geben, befallene Zellen aufzufressen.

Die Tests der Berliner PharmACT AG beruhen auf dem Detektieren von Antikörpern. Diese sind so einfach wie etwa Schwangerschafts- oder Blutzuckertests und können auch vor Ort ausgeführt werden. Größtes Handicap: Sie schlagen erst später im Verlauf der Infektion an, wenn bereits genügend Antikörper gebildet sind. Das ist üblicherweise einige Tage nach dem Auftreten klinischer Symptome wie Husten oder Fieber der Fall, dann nimmt in der Regel die Antikörperkonzentration, also die Akutglobuline (Immunglobulin-M, kurz IgM), im Blut stetig zu. Nach etwa 7 bis 10 Tagen erreicht sie ihren Maximalwert, da ist der Test dann am empfindlichsten.

Laut Studien kommt dann die Sensitivität des Schnelltests auf über 92 Prozent, die Spezifität soll nahe 100 Prozent liegen. Doch der inzwischen ebenfalls schon zum Medienstar avancierte Virologe Prof. Hendrik Streeck der Uni Bonn, der Zugang zu zahlreichen Erkrankten in Heinsberg hat, bescheinigt dem Bluttest der PharmACT allenfalls eine Sensitivität von 33 Prozent und eine Spezifität von 93 Prozent.

Ein Forscher des Universitätsspitals in Zürich, Adriano Aguzzi, hat nun ebenfalls einen Antikörper-Bluttest entwickelt, der letzte Woche von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York für zuverlässig erklärt wurde. Der Test, der Antikörper auf das Virenprotein Spike detektiert, erkannte alle vier untersuchten Proben von Covid-19-Genesenen korrekt, umgekehrt reagierte er auf keine einzige von 59 älteren, garantiert negativen Blutproben. Nun will das Unispital eine großangelegte Testreihe mit 2000 Probanden pro Tag starten. Davon erhofft man sich vor allem auch eine Klärung der Dunkelziffer.

Enzyme-linked Immunosorbent Assay (ELISA) ist ebenfalls ein spezielles Verfahren, bestimmte Antikörper möglichst frühzeitig zu detektieren. Mit Hochdruck arbeiten viele Arbeitsgruppen weltweit, hauptsächlich in den USA, aber auch in Deutschland und Schweden, an ELISA-Tests für SARS-CoV-2. Für viele Viren und Mycobacteria gibt es schon funktionierende Tests (darunter Malaria, Dengue, Tubercolose, Hepatitis, HIV, Grippe) – und die Analysten wittern schon einen Markt von über 400 Milliarden Dollar in den nächsten Jahren.

Man könnte damit dann direkt in den Arztpraxen in 15 bis 20 Minuten nicht nur SARS-CoV-2 identifizieren, sondern auch gleich zur Differentialdiagnose andere Viren wie etwa Influenza. Ein erster vielversprechender Ansatz wurde kürzlich auf dem Preprint-Server für Gesundheitswissenschaft medRxiv von einem Team um Florian Krammer von der Icahn School of Medicine in New York vorgestellt.

Ein bisschen aus dem Fokus geraten ist der klassische „Schnelltest“, der ebenfalls erst bei etwas späterem Verlauf der Covid-19-Erkrankung zum Einsatz kommen kann: die CT-Röntgenaufnahme der Lunge. Erfahrene Radiologen können mit den Aufnahmen Covid-19 erkennen und von normaler Pneumonie unterscheiden.

Auf ScienceDaily konnte man Ende Februar nachlesen "CT provides best diagnosis for COVID-19". In China lag zumindest im Januar die CT-Sensitivität bei 98 Prozent, wogegen die der RT-PCR nur die besagten 71 Prozent erreichte.

Noch treffsicherer und schneller als erfahrene Radiologen können inzwischen Supercomputer mit KI-Algorithmen die Röntgenaufnahmen auswerten. Chinas Tianhe-1 – der war mal vor ein paar Jahren der schnellste Rechner seiner Zunft – brauchte für die Diagnose von den 300 Aufnahmen eines CT rund 10 Sekunden, die Radiologen mit der üblichen Visualisierung im Computer etwa 15 Minuten. Aber den Radiologen gehört ein besonderes Lob: Sie wurden von dem Supercomputer gerade Mal um Faktor 90 geschlagen – normalerweise sind Supercomputer viele Millionen Mal schneller als Menschen …

Das Anlegen einer Zellkultur ist der Klassiker unter den Nachweisverfahren. Man gibt den Viren geeignete Zellen als Nahrung und lässt sie sich kontrolliert vermehren (auch nicht gerade ungefährlich). Das Verfahren ist zuverlässig, braucht aber sehr lange und ist daher nicht die primäre Methode in einer grassierenden Epidemie.

Aber man braucht die Zellkulturen insbesondere in der Forschung, um Wirkstoffe gegen das Virus zu testen oder die Ansteckungsfähigkeit per PCR nachgewiesener Viren zu überprüfen. Im Falle von SARS-CoV-2 kommt hinzu, dass eine Anzucht der Viren nur in bestimmten Hochsicherheitslaboren der biologischen Schutzstufe 3 durchgeführt werden darf.