Elektro-Bremse: Bundesnetzagentur will beim Laden von E-Autos drosseln können

Das Gespenst der "Spitzenglättung" geht wieder um: Der Regulierer will die Stromversorgung häuslicher Ladepunkte bei drohenden Ausfällen zeitweise einschränken.

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Ein VW ID.3 an einer Ladestation in Bremen.

(Bild: heise online / anw)

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Der mit der Energiewende verknüpfte und von der Politik gewollte Boom bei E-Autos, Wärmepumpen und Photovoltaik-Anlagen bringt Stromnetzbetreiber vor allem im lokalen Bereich in die Bredouille. Die Bundesnetzagentur soll daher von 2024 an die Option erhalten, "steuernd einzugreifen, um den sicheren Netzbetrieb aufrechterhalten zu können". Dies berichtet die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) unter Verweis auf ein Eckpunktepapier der Regulierungsbehörde, das diese in Absprache mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erstellt habe.

"Wenn weiter so viele neue Wärmepumpen und Ladestationen installiert werden, dann sind lokale Stromausfälle im Verteilnetz zu befürchten, falls wir nicht handeln", zeigt sich der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, besorgt gegenüber der FAS. Dem Bericht zufolge sei daher geplant, die Stromversorgung von Ladepunkten im häuslichen Bereich sowie von Wärmepumpen zeitweise zu rationieren. Vollständig soll E-Auto-Besitzern der Saft aber nicht abgedreht werden. Müller gelobt: "Es wird definitiv keine Komplettabregelung geben. Wir wollen eine Mindestversorgung jederzeit garantieren."

Betroffene Haushalte werden dem Plan nach so zwar weiter Strom für ihre Ladestellen erhalten, aber nur noch gedrosselt. Die Kapazität soll reichen, um die Batterie eines Elektrofahrzeugs in drei Stunden für eine Reichweite von 50 Kilometer aufzuladen. Wer auf elektrische Heizsysteme setzt, werde nicht frieren müssen, heißt es weiter: "Für eine Vielzahl von Wärmepumpen" solle "ein nahezu störungsfreier Weiterbetrieb" möglich bleiben. Derzeit gingen die Anträge für neue Anlagen "durch die Decke", erklärte Eon-Vorstand Thomas König gegenüber der FAS. Schon 2021 habe der Energieversorger allein rund 100.000 neue Ladestationen für E-Autos registriert.

Netzbetreiber drängen seit Längerem auf die sogenannte Spitzenglättung. Dieser Ansatz sieht vor, dass etwa E-Fahrzeuge oder Speicheranlagen im Heim vorwiegend in den frühen Abendstunden weniger Strom aus dem Netz beziehen können und für einen unbeschränkten Verbrauch zumindest hohe Entgelte fällig sind. Dabei soll auch die Option bestehen, etwa das Laden eines E-Fahrzeugs ein bis zwei Stunden unterbrechen zu können. Unter Schwarz-Rot wollte das Bundeswirtschaftsministerium ein solches Modell in Paragraf 14a Energiewirtschaftsgesetz verankern. Die Ampel-Koalition setzte voriges Jahr aber durch, dass der Regulierer bei der "netzorientierten Steuerung" vor allem auf "marktlich organisierte Flexibilitätsansätze" setzen soll, um die Stabilität sicherzustellen. Dazu gehören dynamische Preise und andere Anreize für "netzdienliches" Verhalten auf der Nachfrageseite.

Auch die neue Initiative zur Spitzenglättung stößt auf Widerstand. "Wenn das Laden zu Hause nur eingeschränkt möglich wäre, würden erhebliche Komforteinbußen drohen", gab Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), gegenüber der FAS zu bedenken. Dies verringere die Chancen, Menschen den Umstieg auf die E-Mobilität schmackhaft zu machen. Um die Verteilnetze für die Transformation zu wappnen, müssten in Deutschland dem Bericht zufolge in den kommenden anderthalb Jahrzehnten laut einer Schätzung des Beratungshauses Oliver Wyman zwischen 100 und 135 Milliarden Euro investiert werden. Parallel macht der höhere Anteil erneuerbarer Energien auch Übertragungsnetzbetreibern wie TransnetBW zu schaffen.

(mki)