Erdbeben in Japan: Stromleitung für Kühlpumpen liegt, Blackouts gehen weiter

In Fukushima gelang es, eine Stromleitung für die Kühlsysteme zum Kraftwerksblock 2 zu legen. Doch erst morgen will man versuchen, die Pumpen darüber zu betreiben. Wie lange Ostjapan mit geplanten Stromabschaltungen leben muss, ist noch nicht absehbar.

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Von
  • Peter König

Noch ist die Stromversorgung für die Kühlsysteme des teilweise zerstörten Reaktors Fukushima 1 nicht wieder hergestellt, auch wenn es offenbar gelungen ist, eine Stromleitung zu Block 2 des Kraftwerks zu verlegen. Wie die Süddeutsche Zeitung in ihrer Online-Ausgabe berichtet, hofft man, bis Sonntagmorgen darüber das Kühlsystem des Reaktors wieder in Gang setzen zu können. In einem weiteren Schritt soll auch Block 1 mit Strom versorgt werden. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob das Kühlsystem noch funktioniert. Bis auf weiteres sollen die Reaktoren rund um die Uhr zur Kühlung mit Wasser besprüht werden. Die Lage scheint weiter kritisch: Offenbar haben Arbeiter inzwischen Löcher in die Blöcke 5 und 6 geschnitten, um Wasserstoffexplosionen zu verhindern, die in den vergangenen Tagen an den anderen Reaktorblöcken große Schäden angerichtet hatten.

Unterdessen sind der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo zufolge in Tokyo sowie in den Präfekturen Chiba, Saitama, Tochigi, Gunma und Niigata im Leitungswasser Spuren radioaktiven Jods nachgewiesen worden. Die letzteren drei grenzen an Fukushima. In Tochigi und Gunma habe man zusätzlich Spuren von Cäsium gefunden, wie das Ministerium für Erziehung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technik mitteilte.

In Maebashi, dem Verwaltungssitz von Gunma, wurden nach Angaben der Präfektur am Freitag pro Kilogramm Wasser Werte von 2,5 Becquerel Jod und 0,38 Becquerel Cäsium gemessen – allerdings seien beide radioaktiven Substanzen zum ersten Mal seit Beginn der Messungen im Jahr 1990 überhaupt nachgewiesen worden. Die Grenzwerte in Japan liegen bei 300 Becquerel pro Kilo Wasser für Jod und 200 Becquerel für Cäsium. In Tokio sollen laut Süddeutscher Zeitung 1,5 Becquerel pro Kilogramm für Jod gemessen worden sein. Spiegel Online berichtet unterdessen, dass bei Trinkwasserproben aus der Nähe des havarierten Reaktors die Grenzwerte überschritten wurden.

Die internationale Atomenergiebehörde IAEA teilte inzwischen mit, dass auch in Nahrungsmitteln aus der Präfektur Fukushima radioaktives Jod nachgewiesen wurde. Die japanischen Behörden sollen als Reaktion darauf zum einen den Evakuierten empfohlen haben, nicht radioaktives Jod einzunehmen, um der Einlagerung nicht stabiler Isotope des Elements im Körper entgegenzuwirken. Zum anderen soll das Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Sozialwesen eine Untersuchung beantragt haben, die möglicherweise einen Verkaufsstopp von Nahrungsmitteln aus der Präfektur Fukushima nach sich ziehen könnte.

Nach Informationen der BBC hat sich die offizielle Opferzahl des Erdbebens mittlerweile auf 7348 Tote erhöht. 10.947 Menschen sind noch als vermisst gemeldet. Nach Einschätzung von Spiegel Online sind derzeit 390.000 Menschen obdachlos.

Nach dem Erdbeben gingen in Ostjapan insgesamt elf Atomkraftwerke vom Netz. Dadurch fehlen dort rund 9700 Megawatt Kraftwerksleistung. Hierzulande könnte man dank des Verbundnetzes die fehlende Leistung aus benachbarten Regionen einführen. Doch in Japan klappt das nicht, weil das Netz historisch zweigeteilt ist: Im Westen breitete sich ab Ende des 19. Jahrhunderts das 60-Hertz-System von General Electric aus, während im Osten ein 50-Hertz-System mit AEG-Technik errichtet wurde.

Diese Zweiteilung besteht noch heute. Sie ist der Hauptgrund, dass es unter anderem in der 35-Millionen-Metropolregion um Tokio zu geplanten Stromabschaltungen kommt. Mit Transformatoren lässt sich die Spannung leicht anpassen, nicht aber die Frequenz. Zwar gibt es insgesamt vier Übergabestellen, an denen mit Hochspannungs-Umrichtern Energie getauscht wird, doch können darüber insgesamt nur rund 1200 Megawatt übertragen werden. Deshalb ist vorerst nicht absehbar, wie lange Ostjapan noch mit Stromabschaltungen leben muss.

Siehe zum Erdbeben in Japan und der Entwicklung danach auch:

Zu den technischen Hintergründen der in Fukushima eingesetzten Reaktoren und zu den Vorgängen nach dem Beben siehe:

  • Die unsichtbare Gefahr, Technology Review ordnet die Strahlenbelastungen im AKW Fukushima Daiichi und seiner Umgebung ein
  • Japan und seine AKW, Hintergrund zu den japanischen Atomanlagen und zum Ablauf der Ereignisse nach dem Erdbeben in Telepolis
  • Der Alptraum von Fukushima, Technology Review zu den Ereignissen in den japanischen Atomkraftwerken und zum technischen Hintergrund.
  • 80 Sekunden bis zur Erschütterung in Technology Review
  • Dreifaches Leid, Martin Kölling, Sinologe in Tokio, beschreibt in seinem, Blog auf Technology Review, "wie ein Land mit der schlimmsten Katastrophenserie der Menschheitsgeschichte umgeht".
  • Mobilisierung im Netz: Auch in der Katastrophenhilfe ist das Internet zu einem mächtigen Instrument geworden, auf Technology Review

(ea)