Expertenrat für Klimafragen: Fortschritte in Deutschland reichen lange nicht

Die bisherigen Treibhausgas-Reduktionen genügen bei Weitem nicht, um die Klimaschutzziele zu erreichen, heißt es im Zweijahresgutachten des Expertenrats.

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Kraftwerk Bremen-Hastedt

(Bild: heise online / anw)

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In den Jahren 2000 bis 2021 sind die Treibhausgasemissionen in Deutschland um 27 Prozent zurückgegangen. Das geht aus dem erstmals vorgelegten zweijährlichen Gutachten des Expertenrats für Klimafragen (ERK) hervor. Die bisherigen Emissions-Reduktionsraten reichten aber bei Weitem nicht aus, um die Klimaschutzziele für 2030 zu erreichen, sagte Professor Thomas Heimer, eines der fünf Mitglieder des Expertenrats. Das gelte weder in der Summe noch in den einzelnen Sektoren.

"Unsere Beobachtungen der jüngsten zwanzig Jahre lassen fraglich erscheinen, ob die zukünftigen Klimaziele ohne einen Paradigmenwechsel in der Klimapolitik erreicht werden können", stellt der ERK-Vorsitzende Hans-Martin Henning fest. Der würde darin bestehen, dass zukünftig alle verfügbaren Wirkräume konsequent adressiert werden, zum Beispiel, indem zulässige Emissionsmengen hart begrenzt würden. "Klimapolitik wäre dann nicht mehr überwiegend Emissions-Minderungspolitik, sondern verstärkt auch Wirtschafts- und Sozialpolitik unter den neuen Rahmenbedingungen der harten Mengengrenze", erklärte Henning.

Zu dem Rückgang der Treibhausgasemissionen in den vergangenen zwanzig Jahren habe die Energiewirtschaft fast die Hälfte beigetragen, insbesondere ab 2014, geht aus dem Zweijahresgutachen 2022 (PDF) hervor. In den Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie seien demgegenüber die größten effizienzbedingten Minderungserfolge in dem Jahrzehnt bis 2010 erzielt worden. "Danach folgte eine Phase der Stagnation oder sogar eines leichten Emissionsanstiegs, bis dann, auch infolge der Covid-19-Pandemie, in der Industrie und 2020 im Verkehr wieder ein Emissionsrückgang zu verzeichnen war, der sich 2021 jedoch schon umkehrte", sagen die Experten.

Effizienzgewinne seien beispielsweise durch das allgemeine Wirtschaftswachstum, größere Wohnflächen oder gestiegene Transportleistungen konterkariert worden. Die jährlich erzielte Minderungsmenge müsste sich im Vergleich zur historischen Entwicklung der vergangenen zehn Jahre mehr als verdoppeln. Im Industriesektor wäre etwa eine 10-fache und im Verkehr eine 14-fache Erhöhung der durchschnittlichen Minderungsmenge pro Jahr notwendig.

Das bisherige Ausbautempo bei Solar- und Windenergieanlagen, Wärmepumpen oder der Elektromobilität werde bei Weitem nicht ausreichen, um die Ausbauziele der Regierung zu erreichen. Wenn die Trendwende hin zu einem schnellen Umbau nicht geschafft werde, könnten die Klimaziele nur erreicht werden, wenn sich zum Beispiel das Konsumverhalten ändere und darauf hingewirkt würde. Dabei zeige die Analyse, dass bislang praktisch keine klimapolitischen Maßnahmen implementiert wurden, die auf Verhaltensänderungen abzielen.

Die Bundesregierung hatte den Expertenrat im September 2020 eingesetzt, er soll alle zwei Jahre ein Gutachten vorlegen. Neben Heimer, Professor für Innovationsmanagement am Fachbereich Ingenieurwissenschaften der Hochschule RheinMain in Rüsselsheim, sitzen darin Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE), Dr. Brigitte Knopf, Generalsekretärin am Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC), Dr. Marc Oliver Bettzüge, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln und Dr. Barbara Schlomann, Leiterin des Geschäftsfelds Energiepolitik im Karlsruher Competence Center Energiepolitik und Energiemärkte am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI).

(anw)