Formel 1: Dicht getaktete Langeweile

Die ersten drei Rennen der Saison sind ausgetragen, und die Richtung ist unverkennbar. Den Gegnern von Mercedes bleibt nur die Hoffnung auf 2021.

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Formel 1: Dicht getaktete Langeweile

Auf und davon: Schon im Qualifying war die Kombination Mercedes-Hamilton nicht zu schlagen. Im Rennen fuhr sie die Konkurrenz in Grund und Boden.

(Bild: Mercedes)

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Es mag sein, dass Kritiker Lewis Hamilton nach dem ersten Rennen in Österreich aus dem Tritt wähnten. Er antwortet ihnen mit zwei Siegen, welche die Klasse von Fahrer, Team und Auto eindrucksvoll belegen. Hamilton selbst gibt sich bescheiden. Er habe am Ende pushen müssen. Das ist richtig, allerdings diente der kurze Sprint nur dazu, sich am Ende auch noch den Zusatzpunkt für die schnellste Rennrunde zu holen. Dafür konnte er es sich leisten, kurz vor Schluss noch einen Boxenstopp einzulegen – seine Führung war dabei nie in Gefahr. Hamilton kontrollierte bei seinem Sieg stets das Tempo.

Wie überlegen der Mercedes derzeit ist, zeigt sich nicht zuletzt an der Aufholjagd von Valtteri Bottas auf Max Verstappen. In der Schlussphase nahm der Mercedes auf frischen Reifen dem Redbull von Verstappen teilweise mehr als eine Sekunde pro Runde ab. Wäre das Rennen nur wenige Runden länger gegangen, hätte sich vermutlich nicht mal Verstappen gegen einen Überholversuch von Bottas wehren können. So blieb es für ihn bei einem zweiten Platz, und der ist ein Kompliment an den Fahrer. Daran ändern auch die Probleme im Qualifying und der Ausrutscher auf der Fahrt in die Startaufstellung nichts. Der Niederländer lernt schnell und widmete den Podiumsplatz den Mechanikern, die den Schaden rasant behoben hatten.

So war red Bull am Sonntag das einzige Team, das – auch durch eine geglückte Boxenstrategie – den Mercedes-Block sprengen konnte. Unter Druck setzt Mercedes derzeit keiner, uns es steht zu befürchten, dass das für den Rest dieser Saison so bleiben wird. Passiert nichts Ungewöhnliches, fährt Hamilton vergleichsweise entspannt seinem siebenten Titel entgegen.

Die Hoffnung auf spannendere Zeiten verschiebt sich damit auf das Jahr 2021. Dann soll es ein neues Reglement geben, das andere Autos erfordert. Auf dem bisherigen Wissen lässt sich somit für das kommende Jahr nicht mehr aufbauen. Schwerwiegende Eingriffe haben die Machtverhältnisse in der Formel 1 immer mal wieder verschoben – das Verbot von elektronisch gesteuerten Fahrwerken (1994), die Verschiebung von Proportionen und die Einführung von Rillenreifen (1998) sowie das Ende der angeblasenen Diffusoren (2014) brachten andere Teams an die Spitze.

Ferrari fährt derzeit dem eigenen Anspruch weit hinterher. Kaum vorstellbar, dass die aktuelle Leistung mittelfristig ohne personelle Konsequenzen bleiben kann.

(Bild: Ferrari)

Darauf hofft man vermutlich auch bei Ferrari. Teamchef Mattia Binotto war sich der Symbolhaftigkeit bei der Pressekonferenz in einem kleinen Räumchen des Ferrari-Motorhomes vermutlich nicht bewusst. Er nahm Platz auf einem roten Stuhl und rollte immer weiter nach hinten: Er saß mit dem Rücken zur Wand. Überrundete Fahrer, ein gedemütigtes Team, maßlos enttäuschte Tifosi, und er ist der Verantwortliche. „Jeder wird seine Arbeit analysieren und den Mut haben müssen, den Kurs zu wechseln, wenn das notwendig ist, denn die aktuelle Dynamik ist nicht akzeptabel“, sagte Binotto. Was genau er damit meinte, führte er nicht aus. Binotto fügte stattdessen unmissverständlich hinzu: „Es gibt keine andere Lösung, um diese Situation in den Griff zu kriegen.“

Die spannende Frage ist jedoch, ob er die Zeit bekommt, diese Probleme noch als Teamchef zu lösen. Der Druck auf seinen Schultern dürfte inzwischen in Tonnen statt in Zentnern gemessen werden. Das älteste Team der Formel 1 ist schwer aus der Spur. Die Verabschiedung von Sebastian Vettel ist, egal welcher Version man nun Glauben schenken mag, ziemlich unglücklich gelaufen. Beide Seiten haben sich damit keinen Gefallen getan. Ob sein Nachfolger Carlos Sainz im kommenden Jahr jene fahrerische Klasse zeigt, um bei der Vergabe der Fahrer-WM ernsthaft mitreden zu können, muss sich zeigen. Dass er seinen derzeitigen Teamkollegen Lando Norris in Grund und Boden fahren würde, lässt sich anhand der ersten drei Rennen aber beim besten Willen nicht erkennen. In seiner derzeitigen Form ist Ferrari für die Top-Fahrer aber auch kein interessanter Arbeitsplatz.

Sebastian Vettel dürfte seine Pläne für das kommende Jahr bereits gemacht haben. Red Bull beteuerte noch in Österreich felsenfest, bei seinen aktuellen Fahrern auch in der nächsten Saison bleiben zu wollen. Inzwischen gibt es Stimmen, die ihn trotzdem dort sehen. Klappt das nicht, bleibt der – möglicherweise nur vorläufige – Ruhestand oder ein Platz bei Racing Point.

Drei Rennen an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden im Zeichen der Covid-19-Pandemie: Die Königsklasse hat diesen Härtetest hinter sich – und bestanden. Die Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen wurden weitgehend eingehalten und wenn mal nicht, gab es entsprechende Ansagen. Positive Fälle: bislang zwei, sie und ihre Kontakte wurden umgehend in Ungarn isoliert. Es soll sich nicht um Mitglieder irgendeines Teams handeln. (mfz)