Forum im Darkweb: Prozess beleuchtet das Vorgehen eines Attentäters und die Ermittlungen

Seite 2: Suche nach einer Waffe im Darkweb

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Zu dieser Zeit war S. auch schon bei DiDW registriert. Der Weg dorthin war steiniger als zu Steam. DiDW – so der Staatsanwalt – "war auf größtmögliche Abschottung ausgerichtet". Die erste Hürde, die jeder Interessent zu nehmen hatte, war schon das Tor-Netz, die nächste, die dortige URL in Erfahrung zu bringen. Als nächstes war ein längerer Einführungstext zu finden und zu lesen und die darin verborgene URL zur Registrierungsseite zu finden. Offensives Marketing mit Suchmaschinenoptimierung war das nicht.

Aber S. hatte den dringenden Wunsch nach einer scharfen Waffe, und zwar einer Glock 17, Generation 3 oder 4. Dieser Waffentyp deshalb, weil sein Vorbild, der norwegische Attentäter Anders Breivik eine solche hatte. Nachdem er die Hürden bis hinein ins DiDW genommen hatte, registrierte er sich dort unter dem Namen "Maurächer". Ob jemand eine Glock habe, die er ihm verkaufen würde, fragte er herum. Eine seiner Anfragen schickte er an einen User namens "Erichhartmann". Das war am 24. Juli 2015, ein Jahr vor seinem Anschlag.

Dass S. daraufhin nicht sofort aufflog gehört bis heute zu den Rätseln in diesem Fall. Der echte "Erichhartmann" war da nämlich nicht mehr im Geschäft. Ermittler des Zollfahndungsamtes hatten ihn geschnappt und seinen Account übernommen. "Erichhartmann" war weiter online bei DiDW, dahinter verbarg sich jetzt aber ein verdeckter Ermittler. Auf Anfrage bestätigt die Ermittlungsbehörde die Anfrage auch, man habe sie aber nicht bewerten können. Eine Antwort von "Erichhartmann" an "Maurächer" ist nicht überliefert.

Wer aber antwortete, wenn auch erst fast ein Jahr später, war Philipp K., DiDW-Username "Rico". Der gehörte schon eine Weile zu den regelmäßigen Besuchern bei DiDW. Als persönliches Motto hatte er unter seinen Profilnamen geschrieben: "Rico kennt sich aus". "Rico" hatte etwa Ratschläge für andere User parat, wenn die sich nach der Seriosität von Waffenhändlern erkundigten, vor allem dann, wenn die sich vorab in Bitcoin bezahlen lassen wollten."Einen wirklich seriösen Waffenseller wirst Du im Darkweb nicht finden", schrieb er einmal, "wer seriös ist, macht das nicht mit Bitcoins" (Alle Aktenzitate aus rechtlichen Gründen nicht wörtlich, sondern nur sinngemäß wiedergegeben).

Auch Philipp K. gilt politisch als rechtsextrem. Im Forum erkundigte er sich, ob ihm jemand das Paulchen-Panther-Bekennervideo des NSU ("Nationalsozialistischer Untergrund“) schicken könne. Für seinen PGP-Schlüssel verwendete er die Kennung: "Johnny-Rico 4K Heil Hitler". Bei seinen Waffengeschäften bevorzugte er echte Treffen, bei denen die Geschäfte Zug um Zug abgewickelt wurden. Der Verkäufer übergab die Waffe, der Käufer den Kaufpreis in bar. Die ersten Kontakte kamen im Forum zustande. Die konkreten Absprachen traf Rico mit seinem Kunden meist in privaten und verschlüsselten Bitmessages.

Im April 2016 schrieb "Rico" an "Maurächer", er habe jetzt über längere Zeit mitbekommen, dass er eine Glock suche. Er habe eine. Er würde sie ihm auch verkaufen. Am 20. Mai 2016 fuhr S. mit einem Flixbus nach Marburg zum vereinbarten Treffpunkt. K. erinnerte sich in einer Vernehmung, dass als Kaufpreis 4000 Euro vereinbart waren und dass er 100 Schuss Munition beilegte. S. sei nervös gewesen. Er habe erzählt, irgendwelche Türken hätten sein Auto zerkratzt. Er wohne in einer "Assi-Gegend". Da benötige er eine Waffe.

Am 18. Juli reiste S. ein zweites Mal zu Philipp K. nach Marburg. Dieses Mal kaufte er 350 Schuss Munition für 350 Euro. Einen Teil seiner alten Munition hatte er in Keller seines Mietshauses in der Münchner Innenstadt verschossen und den Umgang mit der Waffe trainiert. Vier Tage später verübte er seinen Anschlag und nahm sich selber das Leben.

Und dann dauerte es auch nur wenige Wochen, bis die Zollfahnder seinen Waffenlieferanten erwischten. Einer der verdeckten Ermittler schickte "Rico" eine Nachricht und äußerte Interesse, eine Waffe zu kaufen, eine Maschinenpistole. "Rico" antwortete, er müsse leider absagen. Sein eigener Dealer habe sich zurückgezogen. „Es ist nämlich so, dass Maurächer seine Tatwaffe von mir hatte. Und ich hatte sie von besagtem Dealer“. Die beiden schickten sich dann noch mehrere Nachrichten hin und her. Rico änderte seine Meinung und letztlich wurde sogar ein Paket-Deal vereinbart.

Am 16. August 2016, vier Wochen nach dem Anschlag in München, fand das Treffen zwischen Rico und seinem vermeintlichen Kunden statt, wieder in Marburg. Rico hatte Waffen und Munition dabei. Bei der Übergabe nehmen ihn die Beamten fest.