Mobilfunknetz: Experten empfehlen Teilen von Infrastrukturen statt lokalem Roaming

Seite 2: Europarechtliche Bedenken

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Der Mannheimer Regulierungsrechtler Thomas Fetzer vertrat die gegenteilige Meinung und äußerte "erhebliche europarechtliche Bedenken". Die nationale Umsetzungsfrist der Richtlinie bis Ende 2020 komme einem "Anwendungsverbot" der Vorschriften vor diesem Zeitpunkt gleich. Eine Anordnung für lokales Roaming müsse zudem die "Ultima Ratio" für den Fall bleiben, dass in unterversorgten Gebieten "nichts anderes mehr hilft". Wenn zwei Netzbetreiber eine Gegend bereits abdeckten, hätten im Zweifelsfall die O2-Kunden meist wieder das Nachsehen.

Eine Lanze gegen lokales Roaming brach Josef Bednarski, Konzernbetriebsrat der Deutschen Telekom: Dieses führe zu geringeren Investitionen in den Netzausbau und zeitlichen Verzögerungen beim Verbindungsaufbau. "Alles, was wir uns mit 5G vorstellen, wird so nicht realisierbar sein", warnte er. Auch er empfahl, die Funknetz-Infrastruktur gemeinsam zu nutzen.

Als "sehr ausgewogenen Kompromiss" wertete Bednarski den Regierungsentwurf für die Reform des DigiNetz-Gesetzes, an den Schwarz-Rot die auch innerhalb der Koalition noch umstrittene Roaming-Norm anhängen will. Ziel dabei ist es, den sogenannten Überbau von Breitbandanschlüssen und eine damit verknüpfte Doppelversorgung von Haushalten mit schnellem Internet einzuschränken.

Sven Knapp vom Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) tat das Vorhaben dagegen als reine Beruhigungspille ab. Nach wie vor gingen viele Unternehmen wegen der Risiken, die sich aus dem derzeitigen gesetzlichen Anspruch zum Mitverlegen von Glasfaserleitungen in Leerrohren ergäben, nicht in den Ausbau. Vor allem kommunale Firmen wie Stadtwerke würden benachteiligt und müssten die Konkurrenz quasi immer mitnehmen. Dabei gingen sie im Kern genauso eigenwirtschaftlich vor. Die Abgeordneten müssten hier nachschärfen, "um gleiche Chancen für alle Marktteilnehmer zu schaffen".

Die Breitbandaktivitäten der klassischen Telekommunikationsunternehmen alleine reichten nicht aus, schlug Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag in die gleiche Kerbe. Es gebe daher in hunderten Landkreisen eigene Projekte. Diese beruhten immer auf Mischkalkulationen inklusive der Anbindung wenig attraktiver Gebiete. Mitverlegt werde aber oft nur in lukrativen Regionen. Dieses Rosinenpicken gefährde die kommunalen Gesamtprojekte, es müsse daher rechtssicherer ausgeschlossen werden.

Der Bundesrat hatte sich im November für schärfere Maßnahmen gegen Überbau stark gemacht. Er will, dass auch kommunale Unternehmen oder Zweckverbände, in die Steuergelder fließen, prinzipiell vor einem mehrfachen Verlegen schneller Internetleitungen geschützt werden. Dies gehe zu weit und sei europarechtswidrig, monierte Henseler-Unger. Die sehr weiche Formulierung aus dem Regierungsentwurf werde aber auch nicht viel bringen. (anw)