Mobilfunknetz: Experten empfehlen Teilen von Infrastrukturen statt lokalem Roaming

Eigentlich sollte es in einer Anhörung im Bundestag um "Glasfaser-Piraterie" gehen, doch Schwarz-Rot rückte seine Pläne gegen Funklöcher in den Vordergrund.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 61 Kommentare lesen
Funknetz: Experten empfehlen Teilen von Infrastrukturen statt lokalem Roaming

(Bild: dpa / Matthias Balk)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Sachverständige waren sich in einer Bundestagsanhörung über den Ausbau von Mobilfunk und Festnetz am Mittwoch uneins, was potenzielle Effekte und den Zeitplan einer Pflicht für nationales oder lokales Roaming angeht. Technische Vorbehalte gegen ein entsprechendes Vorhaben der großen Koalition äußerte etwa Thomas Haustein vom Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik: Es sei nicht ideal, um möglichst nahtlos durch das Internet gleiten und Applikationen weiterlaufen lassen zu können.

Beim Roaming müsse ständig das Netz gewechselt werden, was Internetdienste unterbreche, erläuterte Haustein in der Anhörung. Besser wäre es, wenn Mobilfunkbetreiber ihre Sendeanlagen stärker untereinander teilten. Sinn eines solchen "Infrastruktur-Sharing mit Frequenz-Pooling" sei es, mehrere Teile des Spektrums zusammen zu verwenden. Eine Basisstation sende dabei die jeweilige Kennung des beteiligten Mobilfunkbetreibers. Im Hintergrund werde zu jedem Kernnetz eine getunnelte Verbindung hergestellt, die nach außen hin wahrnehmbar sei "als Netz des eigenen Providers". Ein solches Verfahren müsse weniger abgestimmt werden als Roaming.

Ursula Henseler-Unger vom Wissenschaftlichen Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) verwies auf die hohen Latenzen, die Netzwechsel mit sich brächten. Diese liefen den eigentlichen Vorteilen von 5G zuwider. Auch "aktives Sharing" bedinge "eine Menge Übergabeverkehr". Bei vernetzten Autos dauere ein solches Prozedere zu lange, um sich noch rechtzeitig in eine Funkzelle einzuloggen.

Sie spreche lieber über nationales Roaming, um neue Wettbewerber wie 1&1 besser in den Markt zu bringen, unterstrich Henseler-Unger. Für die Betreiber drohe zunächst Rechtsunsicherheit, da jede Entscheidung der Regulierungsbehörde beklagt würde. Um derlei Auseinandersetzungen zumindest schnell führen zu können, sollte die Politik möglichst rasch in einen Gesetzgebungsprozess gehen. Wenn sich ein Netzbetreiber bewusst aus der Fläche heraushalten wolle und beispielsweise vor allem Studenten in Städten als Zielgruppe habe, "muss ich das Geschäftsmodell so akzeptieren".

Lokales Roaming sei zwar mit erträglichem Aufwand schnell umsetzbar, stelle aber "kein nachhaltiges Konzept" dar, erklärte Michael Horn vom Chaos Computer Club (CCC). Auch er sprach sich für "Sharing" aus: Besser wäre es, wenn Infrastrukturen und Standorte geteilt würden wie etwa in Polen. Um weiße Flecken zu schließen, gehe es längerfristig gar nicht anders. 5G-Netze wüchsen zudem rein technisch bedingt zusammen, wodurch Ressourcen viel flexibler aufgeteilt werden könnten. Der neue Standard sei so prädestiniert dafür, Dienste unabhängig vom reinen Netzbetrieb anzubieten. Das gehe aber nur, wenn die Anbieter auf Open Access setzten.

Der Regensburger Infrastrukturrechtler Jürgen Kühling sieht den Gesetzgeber mit dem neuen EU-Paket zur Telecom-Regulierung derweil verpflichtet, möglichst früh eine gesetzliche Grundlage für die Bundesnetzagentur zum Anordnen von nationalem und lokalem Roaming zu schaffen. Um die bereits rund um diesen Punkt geführten rechtlichen Streitigkeiten einzuhegen und die Vorgaben rasch durchsetzen zu können, sollte diese Befugnis noch vor der anstehenden Frequenzauktion für 5G verankert werden.

Das EU-Paket müsse auf jeden Fall bis Dezember 2020 "vollzugsscharf" gestellt werden und lasse relativ wenig Spielraum, meinte Kühling. Ein "Warnhinweis" vor solchen Roaming-Auflagen müsse "vor Zuteilung der Frequenzen" erfolgen. Sonst könnte der EU-Kodex erst 2025 angewendet werden. Eine "ganz große Lösung" für das Funkloch-Problem sieht Kühlung damit aber nicht verbunden. Es gehe zunächst nur um graue Flecken, in denen zumindest ein Netz bereits verfügbar sei. Eine solche Klausel und das damit einhergehende "Drohpotenzial" dürfte aber dazu führen, dass die Anbieter in weiterreichende Verhandlungen eintreten.