Google Fonts: Österreichischer Massen-Abmahner scheitert​

Zehntausende österreichische Webseiten machten Frau Z. unwohl, weil sie ihre IP-Adresse angeblich in die USA schickten. Beweisen kann sie das nicht.​

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Ein Notebook, auf dem der Schriftzug Fonts angezeigt wird

(Bild: Rawpixel.com / Shutterstock)

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Ein österreichischer Musterprozess wegen angeblicher Datenschutzverletzung ist gescheitert. Eva Z. hat alle Forderungen gegen einen Webseitenbetreiber fallen gelassen, der Google Schriftarten (englisch: fonts) dynamisch von einem Google-Server eingebunden hat. Z. hat durch ihren Anwalt Marcus Hohenecker weit über 30.000 österreichischen Webseitenbetreibern mit Klage gedroht, wenn sie nicht jeweils 190 Euro zahlten. Im ersten solchen Prozess stellt sich nun heraus, dass Z. nichts beweisen kann.

Z. beklagte "Kontrollverlust" über die Ziffern ihrer IP-Adresse und warf dem beklagten Unternehmen vor, ihr "erhebliches Unwohlsein" verursacht und sie "massiv genervt" zu haben. Gekommen sei das so: Z. habe die Webseite des Unternehmens geöffnet, wobei automatisch eine Fonts-Datei von einem Google Server geladen wurde. Dabei, so Z.s Vorwurf, sei ihre IP-Adresse in die USA übertragen worden – der behauptete Kontrollverlust mit seinen angeblich üblen Folgen.

Der grundsätzliche Umstand, dass es gegen die DSGVO verstoßen würde, ohne Zustimmung personenbezogene Daten in die USA zu übertragen, ist juristisch unstrittig. Die IP-Adresse eines persönlichen Internetzugangs ist ein personenbezogenes Datum. Daraus folgt aber nicht, dass ein solcher Verstoß stets Schaden verursacht, der zu ersetzen wäre. Genau daraus wollte Z. mithilfe ihres niederösterreichischen Anwalts Hohenecker aber ein Geschäftsmodell machen.

Z. beauftragte ein IT-Unternehmen damit, aktiv nach österreichischen Webseiten mit dynamisch eingebundenen Google Fonts zu suchen und eine Liste zu erstellen. Anschließend ließ sie sich ein Programm installieren, dass zehntausende solcher Webseiten automatisch abrief. Wieder und wieder wurde der Google-Server um die Fonts-Datei gebeten.

Anschließend drohte sie den Webseitenbetreibern brieflich mit Klage, sollten sie nicht 100 Euro Schadenersatz plus 90 Euro Spesen zahlen. Nach einem Testlauf mit einigen Drohbriefen folgte die Abwahn-Lawine wegen Google Fonts: Der IT-Dienstleister hat zugegeben, zigtausende gleichartige Schreiben aufgesetzt zu haben. Mithilfe einer Druckerei sollen im weiteren Verlauf weitere 32.000 Schreiben zur Post gegangen sein. Wie viele der Adressaten gezahlt haben, ist nicht bekannt. Der Schaden könnte in die Millionen gehen. Laut Hohenecker hat seine Mandantin mehr als 100.000 Euro investiert. Er selbst verrechne ihr die üblichen Stundensätze, erhalte aber keine Erfolgsbeteiligung. Dass er mit Z. liiert sei, stellt er in Abrede.

Einige Betroffene haben es auf den Prozess ankommen lassen. Mindestens drei Klagen hat Hohenecker tatsächlich im Namen Z.s erhoben. Doch schon bei der Beweisaufnahme im ersten Prozess hat sich herausgestellt, dass die Klägerin nichts beweisen kann. Weder konnte sie darlegen, dass sie durch den Schriftarten-Abruf geschädigt wurde, noch, dass ihre IP-Adresse tatsächlich in die USA übertragen wurde. Auch ein als Zeuge geladener Mitarbeiter ihres Mobilfunkanbieters konnte ihr dabei nicht helfen. Naheliegend ist, dass Google diese häufig angeforderten Dateien von Servern ausliefert, die möglichst nahe am User stehen, und nicht auf der anderen Seite des Atlantik. Schließlich soll es schnell und billig gehen.

"In Anbetracht der klaren Ergebnisse des Beweisverfahrens hat die Klientin des Abmahnanwalts unmittelbar vor Schluss der mündlichen Verhandlung auf alle Ansprüche verzichtet", berichtet die Anwaltskanzlei Brandl Talos, die das beklagte Unternehmen vertreten hat, "Das (Bezirksgericht Favoriten) sprach daraufhin aus, dass die Klientin im Prozess unterlegen ist und die Verfahrenskosten bezahlen muss." Wie hoch die Kosten genau sind, ist derzeit nicht bekannt; Hohenecker selbst hat in der Klage mehr als 900 Euro Honorar angeführt, dazu kommen die Gerichtsgebühren und das Honorar für Brandl Talos.

"Das Urteil ist nicht nur für unseren Mandanten ein Erfolg, sondern wegweisend für tausende betroffene Unternehmen in Österreich, da es nahelegt, dass der Abmahnanwalt sämtliche Aufforderungsschreiben nach demselben Prinzip erstellt hat, "kommentierte Raphael Toman von der Anwaltskanzlei Brand Talos. Das Urteil ist in der Sache rechtskräftig.

Die Niederlage könnte Z. und Hohenecker weit über die Verfahrenskosten hinaus schmerzen: Die österreichische Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen die Beiden wegen gewerbsmäßiger Erpressung und schweren gewerbsmäßigen Betrugs. Hätte die Datenschutzklage Erfolg gehabt, hätte die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen wohl eingestellt. Außerdem plant die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich ein Disziplinarverfahren gegen ihr Mitglied Hohenecker; die Kammer wollte abwarten, wie die Klage ausgeht. Das ist nun geklärt.

Das in Deutschland übliche Geschäftsmodell mit kostenpflichtigen Abmahnungen gibt es in Österreich in der Form nicht. Rechtlich gesehen handelt es sich bei den Briefen um das Angebot eines außergerichtlichen Vergleichs. Wer den nicht annimmt, musst vorerst nichts zahlen, läuft aber Gefahr, zivilrechtlich verklagt und/oder über die Datenschutzbehörde belangt zu werden.

Übrigens: Google Fonts kann man auch selbst hosten – wenn man datenschutzrechtlich auf Nummer sicher gehen möchte.

(ds)