Google will in den Weißen Raum

In den Frequenzlücken zwischen Fernsehsendern – den sogenannten White Spaces – will eine Gruppe von IT-Unternehmen um Microsoft und Google ein neues Zugangsnetz für mobile Dienste etablieren, stößt dabei allerdings auf heftigen Widerstand der TV-Branche.

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Bei der jüngst beendeten Auktion frei werdender Frequenzen im 700-MHz-Band hat Google – ob nun freiwillig oder nicht – den etablierten Netzbetreibern den Vortritt gelassen. Der Suchmaschinenriese geht trotzdem nicht als Verlierer vom Platz: Mit Erfolg setzte sich Google zusammen mit anderen Unternehmen für die Öffnung eines Teils des Spektrums ein. Nach der Versteigerung konzentrieren sich Googles Washingtoner Lobbyarbeiter nun auf die Frequenzen unter 700 MHz.

Google mischt schon seit geraumer Zeit bei verschiedenen Lobbygruppen mit, die für die Nutzung des Frequenzbereichs trommeln, der bisher von analogen TV- und Radiosendern sowie für Veranstaltungstechnik belegt wurde. Zwischen den jeweiligen Sendekanälen (Kanäle 2 bis 51) hat der Regulierer teils großzügige Schutzzonen gelassen, um Interferenzen zu vermeiden. Derart ungenutztes Spektrum wird es noch mehr geben, wenn die TV-Ausstrahlung in den USA ab 2009 digitalisiert wird.

Diese Lücken – "White Spaces" genannt – sollen nun für mobile Breitbanddienste genutzt werden. Zumindest wollen das Industrieinitiativen wie die Wireless Innovation Alliance und die White Spaces Coalition. Neben Google mischen namhafte Konzerne bei der Lobbyarbeit mit: Motorola, Philips, HP, Dell und Microsoft, um nur einige zu nennen. Am Gründonnerstag hatte sich zuletzt Bill Gates persönlich bei den Regulierern dafür eingesetzt, die White Spaces freizugeben.

Die mächtigen IT-Riesen haben allerdings auch einen nicht zu unterschätzenden Gegner: die TV-Branche, die den Status Quo eisern zu verteidigen sucht. Die Sender sehen die Weißraumtruppe als Eindringling in das traditionell verteilte Spektrum. Sie warnen vor Interferenzen, Verlust der terrestrischen Sendequalität und einer grundsätzlichen Gefahr für den TV-Empfang aller US-Bürger. Schützenhilfe bekommen sie von der Veranstaltungsbranche, die sich zum Beispiel vor Störungen von Funkmikrofonen fürchtet. Dass es beim Test eines Microsoft-Prototypen bei der Regulierungsbehörde dennoch Probleme gab, wird von den Sendern gerne als Gegenargument aufgegriffen. Die White-Spaces-Fraktion dagegen beteuert, solche Störungen technisch ausschließen zu können.

Ein Problem für Google und Mitstreiter ist, dass die Sender in Washington hervorragend vernetzt sind. Vor allem zur FCC (Federal Communications Commission), die über die Nutzung der White Spaces entscheidet, pflegt die TV-Branche traditionell gute Beziehungen. Der Suchmaschinenriese hat inzwischen erkannt, dass effektive Lobbyarbeit wichtig ist und seine Präsenz in Washington verstärkt. Googles Public Policy Department ist auch in Sachen White Spaces aktiv.

In einem Brief an die FCC vom Karfreitag unterstreicht Google, die nahezu brachliegenden Frequenzen böten eine einmalige Chance, um allen US-Bürgern flächendeckende Breitbandversorgung anzubieten. Die White Spaces Coalition will diese Frequenzen für ein offenes Netz nutzen, auf dem verschiedene Dienste angeboten werden sollen, darunter mobile und feste Breitbandzugänge. Google sieht die Handyplattform Android als eines der geeigneten Zugangsmittel zu einem solchen Netz.

Die Bedenken der TV-Sender – und möglicherweise der FCC – versucht Google zu zerstreuen. Es gebe bereits bewährte Methoden, um Frequenzbereiche vor Interferenzen zu schützen, zum Beispiel bei militärisch genutzten Frequenzen. So sollen Geräte nur auf White Spaces funken können, wenn sie vorher ein entsprechendes Signal erhalten haben, dass der Kanal frei ist. Ein Gerät ohne Zugriff auf die jeweiligen Daten dürfte nicht senden.

Zum Schutz der Veranstaltungstechnik sieht der Vorschlag eine Sicherheitszone (Kanal 36 bis 38) für Funkmikrofone, medizinischer Telemetrie und astronomische Anwendungen vor. Zudem könnten Funkmikrofone künftig ein Signal abgeben, das White-Spaces-Geräten die Belegung des Kanals anzeigt und diese so aus dem Funkbereich heraushält. Die Kombination dieser Maßnahmen sei völlig ausreichend, um den Schutz der bisherigen Nutzungstypen zu gewährleisten, meint Google. Zudem werde kein Gerät auf den Markt kommen, das nicht von der FCC getestet und für tauglich befunden werde.

Die Bedenken der Gegner bezeichnet Google in dem Brief als fortschrittsfeindlich. "Bedauerlich, aber nicht überraschend", findet der unterzeichnende Richard Whitt, Googles Washingtoner Rechtsexperte für Medien und Telekommunikation, dass einige Unternehmen "die Behaglichkeit der Vergangenheit den Verheißungen der Zukunft" vorzögen und mit allen Mitteln versuchten, ihr angestammtes Revier zu verteidigen.

Noch ist das ein Vorstoß ins Blaue: Die Technik ist neu, allzu Konkretes gibt es noch nicht, und die FCC kann die Nutzung der White Spaces auch unterbinden. Dennoch sind die Befürworter zuversichtlich, das "große wirtschaftliche und soziale" Potenzial der Frequenzlücken nutzen zu können. Die beteiligten Unternehmen haben verschiedene Ideen und Geschäftsmodelle, die sie auf dem Spektrum entwickeln möchten. Wenn die FCC als Hüterin des US-Luftraums das zulässt, könne sich die Technik in ein paar Jahren durchsetzen, hoffen sie. Erste marktreife Produkte wollen die Koalitionäre schon 2009 präsentieren können. Das könnte allerdings ein etwas ehrgeiziges Ziel sein. (vbr)