Hintergrund: Finanzhunger der Telefongesellschaften

Die Telekommunikationsgesellschaften finanzieren ihre Ausgaben für Firmenkäufe und UMTS-Lizenzen immer mehr durch Anleihen.

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Von
  • Christian Rabanus

In kaum einer anderen Branche wurden in den letzten Monaten solche gigantischen Geldmengen verschoben wie im Telekommunikationsbereich. Übernahmen und der Erwerb von UMTS-Lizenzen stellen eine enorme Belastung für die Kassen der Unternehmen dar. Während die Akquisition von Firmen in der Regel zumindest größtenteils durch einen Aktientausch abgewickelt wird, sind die UMTS-Lizenzen in bar zu zahlen. Aber auch bei Firmenübernahmen ist oft eine Barkomponente fällig: So zahlt die Deutsche Telekom die Übernahme des US-amerikanischen Mobilfunkbetreibers Voicestream zwar hauptsächlich in Aktien, pro Voicestream-Aktie sind aber auch 50 US-Dollar in bar fällig. Auch die Kosten für die kürzlich in Großbritannien und Deutschland ersteigerten UMTS-Lizenzen in zweistelliger Milliardenhöhe übersteigen selbst bei Branchenriesen die Kapazität der Portokasse.

Da bleibt den Unternehmen genauso wie dem Privatmenschen bei leerem Säckel eben nur der Gang zur Bank – den haben die europäischen Telefonkonzerne in letzter Zeit alle schon angetreten oder haben angekündigt, ihn noch anzutreten. Das Volumen der ausgeschriebenen Anleihen liegt in diesem Jahr folglich auch deutlich über dem Volumen aus dem letzten Jahr. Aus dem letzten Geschäftsbericht der Baseler Bank for International Settlements (BIS), einer Bank der europäischen Zentralbanken, geht hervor, dass – nicht zuletzt angetrieben durch den Geldhunger der Telekommunikationsgesellschaften – im ersten Quartal 2000 rund 404 Milliarden US-Dollar verliehen wurden, während es im letzten Quartal 1999 gerade mal 117 Milliarden US-Dollar waren. Allerdings flossen 321 Milliarden US-Dollar zwischen den Banken hin und her.

Anleihenfieber

Nach den Angaben der BIS standen die beiden größten Anleihen im ersten Quartal 2000 im Zusammenhang mit Firmenübernahmen in der Telekommunikationsbranche, nämlich eine Anleihe über 27,12 Milliarden US-Dollar der britischen Mobilfunkgesellschaft Vodafone zur Mitfinanzierung der Übernahmen von Mannesmann und eine Anleihe über 11,7 Milliarden US-Dollar der niederländischen Telekommunikationsgesellschaft KPN im Zusammenhang mit dem Erwerb des deutschen Mobilfunkbetreibers E-Plus. Im zweiten Quartal 2000 eröffnete dann die Deutsche Telekom mit Anleihen in einem angekündigten Volumen von 16,7 Milliarden US-Dollar den Reigen, France Telecom nahm 5,9 Milliarden US-Dollar auf, die spanische Gesellschaft Telefonica kündigte eine Anleihe von fünf Milliarden US-Dollar an. Zwei Tage später war es dann KPN, die eine weltweilte, mehrere Milliarden US-Dollar schwere Anleihe avisierte. Schließlich will sich auch British Telecom dieses Mittels bedienen, um an liquide Mittel in Milliardenhöhe zu kommen.

Der enorme Finanzbedarf der Telekommunikationsgesellschaften verdirbt natürlich die Preise. Die Unternehmen müssen Zinsen bezahlen, die über den üblichen Standards liegen. Aber nicht nur das: Eine steigende Verschuldung verschlechtert die Analystenbewertung der in letzter Zeit sowieso etwas aus der Mode geratenen Telekommunikationswerte, was wiederum eher abschreckend auf potentielle Investoren wirkt. British Telecom beispielsweise erreichte am 30. Juni dieses Jahres einen Schuldenstand von 22,6 Milliarden US-Dollar. Eine weitere Zehn-Milliarden-Dollar-Anleihe setzte der Konzern erst einmal auf Eis, als seine Kreditwürdigkeit aus der Sicht der Analysten in den B-Bereich abzurutschen drohte. Die Deutsche Telekom kam sogar am 30. März auf einen stolzen Schuldenstand von 40,71 Milliarden US-Dollar – das war noch vor der Milliardenanleihe und der Ankündigung, dass ihr weitere Kredite in Höhe von 10,8 Milliarden US-Dollar eingeräumt wurden.

Kein Ende in Sicht...

Das Ende des hohen Finanzbedarfs ist noch nicht abzusehen. Zwar sind bald in allen wichtigen europäischen Märkten die UMTS-Lizenzen vergeben – in Italien und Frankreich, den beiden größten Mobilfunkmärkten, in denen die UMTS-Lizenzinhaber noch zu bestimmen sind, hat vor kurzem das Verfahren begonnen –, aber die glücklichen Gewinner der Lizenzen werden noch einmal ordentlich zur Kasse gebeten werden: In Frankreich sind die Lizenzen zum Festpreis von 9,7 Milliarden Mark zu haben, in Italien steht nach einem Schönheitswettbewerb eine Versteigerung an; die Preise für die Lizenzen werden auch da wieder in die Milliarden gehen. Aber mit den Lizenzen allein kann keine Telefongesellschaft Geld verdienen. Die Inhaber der deutschen UMTS-Lizenzen rechnen alle mit Kosten für die Infrastruktur von bis zu 12 Milliarden Mark, von denen schon in den nächsten Jahren ersten Milliarden Mark fällig sind. Denentsprechend sind sich die Analysten auch darüber einig, was Tom Crawley, Analyst von Schroder Salomon Smith Barney in London, auf den Punkt bringt: "Eines ist sicher: Die Telekom-Operatoren werden in diesem Jahr, im nächsten Jahr und im übernächsten Jahr Anleihen auflegen." (chr)