Indien will Facebook, Whatsapp, Signal & Co sperren können
Indien Regulierungsbehörde wollte OTT-Player nicht regulieren. Doch die Regierung nimmt das nicht hin. Zudem soll die Zensur ausgefeilter werden.
Die indische Telecom-Regulierungsbehörde TRAI unternimmt einen neuen Anlauf zur Regulierung sogenannter Over-The-Top-Dienste, also Angebote, die Nutzer direkt über das Internet in Anspruch nehmen können, sodass sich die Rolle ihres Netzbetreibers auf die Datenübertragung beschränkt. Von speziellem Interesse ist für die Behörde, wie solche Dienste wirksam gesperrt werden können, womöglich auch nur in bestimmten Landesteilen. Konkret erwähnt werden Facebook, Google, Telegram, WhatsApp und YouTube.
Mit 1,2 Milliarden Teilnehmern ist Indien der zweitgrößte Telekommunikationsmarkt der Welt. Gleichzeitig ist das Land Weltmeister bei kompletten Netzsperren: Laut Access Now hat Indien 2022 nicht weniger als 84-mal Netzsperren verhängt, so häufig wie kein anderes Land. Damit führt das Land diese unrühmliche Statistik das fünfte Jahr in Folge an. Im laufenden Jahr bildet Indien mit Russland, dem Iran und Äthiopien ein Quartett der Zensurschande.
Als "Begründung" für die Abkoppelung ganzer Landesteile von Internet und Telefonie dienen nicht nur Ausbrüche von Gewalt, sondern auch religiöse Feiertage, Fahndungen, Demonstration oder Prüfungstermine an Schulen. Von Jahresbeginn bis 19. Mai hat Access Now 33 Netzabschaltungen in 13 der 28 Bundesstaaten Indiens gezählt.
Weil diese Netzsperren der Wirtschaft großen Schaden zufügen, was das Steueraufkommen schmälert, wünschen sich Parlament und Regierung selektivere Netzsperren, die zwischenmenschliche Kommunikation verhindern, aber beispielsweise Kassensysteme unbehelligt abrechnen lässt. Gleichzeitig drängt die Regierung darauf, Online-Dienste überhaupt unter regulatorische Aufsicht – wenn nicht gar Lizenzpflicht – zu stellen.
Regierung nimmt Ergebnis des Verfahrens nicht hin
Die Regulierungsbehörde hat schon einmal die Regulierung von OTT-Anbietern erörtert, ist nach öffentlicher Konsultation 2020 aber zu dem Schluss gekommen, dass OTT-Dienste nicht reguliert werden sollten. Letztes Jahr aber hat die Regierung die grundsätzlich unabhängige Regulierungsbehörde TRAI aufgefordert, ihre Schlussfolgerung zu überdenken. Diesem Auftrag folgend hat TRAI eine neue öffentliche Konsultation aufgelegt.
Teilnehmer können 14 Fragen beantworten, von der Definition, was genau als OTT und was als OTT-Kommunikationsdienst einzustufen sei, welche Aspekte zu regulieren oder lizenzieren seien, sowie ob und wie sie zur Zusammenarbeit mit Netzbetreibern verpflichtet werden sollen. Die letzten drei Fragen widmen sich dann der Zensur: Welche technischen Herausforderungen es gibt, bestimmte OTT-Dienste und Webseiten in ausgewählten Teilen Indiens zu sperren und wie diese Herausforderungen zu überwinden seien, und ob es dazu eines detaillierten Regulierungsrahmens bedürfe. Stellungnahmen nimmt die Regulierungsbehörde des bevölkerungsreichsten Landes der Erde bis 4. August per E-Mail entgegen, Repliken darauf für weitere zwei Wochen.
(ds)