Gegen Klimakrise und Inflation: Thinktank fordert Investitionsoffensive

Eine Denkfabrik hat einen Vorschlag für ein Inflationsbekämpfungspaket präsentiert, um die "fossile Energiekrise" zu überwinden und insgesamt Geld zu sparen.

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(Bild: Proxima Studio/Shutterstock.com)

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Die Denkfabrik Agora Energiewende hat eine Skizze für ein Inflationsbekämpfungspaket vorgelegt, mit dem Deutschland die fossile Energiekrise strukturell überwinden und zugleich den Klimaschutz stärken könnte. Die dafür benötigten Bundesmittel sollen sich vollständig durch Einsparungen bei Importen von Öl und Gas finanzieren. Der Thinktank will so drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: den Klimawandel bekämpfen, die Energiesicherheit erhöhen sowie die Inflationsrate senken.

Basis des Pakets ist laut dem am Mittwoch veröffentlichten Impulspapier "Volle Leistung aus der Energiekrise" eine Investitionsoffensive in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und strombasierte Technologien in Industrie und Gebäuden. Dafür seien zunächst Ausgaben von 92 Milliarden Euro nötig. Parallel müssten Herstellungs- und Umsetzungskapazitäten für klimaneutrale Technologien deutlich ausgeweitet und bürokratische Hürden drastisch abgebaut werden.

Weiter komme es darauf an, einschlägige Investitionen sozialgerecht zu fördern sowie abzusichern, schreiben die Forscher. Würden all diese Voraussetzungen erfüllt, trüge sich ein solches Maßnahmenpaket durch die eingesparten Ausgaben für fossile Energieimporte vollständig selbst: Den zunächst erforderlichen Haushaltsmitteln stünden Einsparungen bei Öl- und Gasimporten in Höhe von 160 Milliarden Euro über einen Zeitraum von 15 Jahren gegenüber. Entscheidend sei, die "preisdämpfende Wirkung" der Erneuerbaren und von Energieeffizienz schnellstmöglich zu heben.

"Deutschland und Europa müssen mit der Ursachenbekämpfung von Energiekrise und fossiler Inflation beginnen", heißt es in der Studie. "Bisher hat die Bundesregierung 295 Milliarden Euro bereitgestellt, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der fossilen Energiekrise bis zum Frühjahr 2024 kurzfristig abzufedern." Allein für das Krisenmanagement habe die Exekutive mit drei Entlastungspaketen und dem neuen 200-Milliarden-Sondervermögen bereits "beeindruckende Finanzmittel" mobilisiert. Jetzt sei aber eine strukturelle Lösung gefragt, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beenden.

En détail veranschlagen die Experten 15 Milliarden Euro, um die Energiewende ins Rollen zu bringen: Zwei Drittel des Betrags sind für den Aufbau von Fertigungskapazitäten für Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen, Wärmepumpen, Wasserstoff-, Speicher- und Stromnetztechnologien in Europa vorgesehen. Ein Drittel soll ausgegeben werden, um Fachkräfte aus- oder weiterzubilden und die Planungs- und Genehmigungsbehörden zu stärken. Damit sollen auch Lieferketten abgesichert werden.

20 Milliarden Euro sollen in die Energiewirtschaft fließen, um Investitionen in die Erneuerbaren abzusichern, das Strom- und Wasserstoffnetz auszubauen und die Offshore-Industrie zu unterstützen. Das Geld ist auch dafür gedacht, einen intelligenten Netzbetrieb sowie Flexibilität zu schaffen. Die Autoren bringen hier etwa Zuschüsse für Smart-Meter-Nachrüstungen oder für den Bau von "regelbaren Kraftwerken" ins Spiel, die für eine fluktuierende Stromerzeugung und die Integration von Wind- und Solarstrom gut geeignet sind.

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Zudem schlagen die Verfasser vor, langfristige Stromlieferverträge abzusichern: Über die Einführung einer symmetrischen Marktprämie könne Anlagenbetreibern eine feste Einspeisevergütung garantiert, aber zugleich ab einem bestimmten Gewinn auch eine Rückzahlung eingefordert werden. Ferner sollen Flächen für Wind- und Solarkraftanlagen schneller gesichert und Antragsverfahren verkürzt werden.

30 Milliarden Euro sieht das Paket vor, um den Ausbau CO₂-freier Wärme in Häusern sozialgerecht voranzubringen: Die Mittel sollen in die Förderung von Sanierung und Heizungstausch insbesondere in einkommensschwachen Haushalten, einen "klimakompatiblen sozialen Wohnungsbau" sowie in den Ausbau "grüner Wärmenetze" fließen. Gesetzlich sei festzuschreiben, dass von 2024 an jede neue Heizung auf Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden muss.

Weitere 15 Milliarden Euro sind für eine Modernisierung der Industrie vorgesehen. Aus diesem Batzen soll ein Sonderförderprogramm für Investitionen in Wärmepumpen, Elektrodenkessel und Energieeffizienztechnologien bereitgestellt werden. Damit könnten etwa die Abwärmenutzung oder fortschrittliche Sortier- und Recyclingtechnologien unterstützt werden. Daneben sollten Klimaschutzverträge für die Stahl-, Chemie und Zementindustrie veranschlagt werden, um die Differenzkosten zwischen klimafreundlicher und CO₂-intensiver Produktion auszugleichen.

Einen abschließenden Posten von 12 Milliarden Euro planen die Vordenker für die direkte Inflationsbekämpfung zum Absichern von Energieimporten und die Unterstützung der globalen Transformation ein: So sollen der schnelle Hochlauf von grünem Wasserstoff und der erforderlichen Importe finanziert sowie internationale Klima- und Energiepartnerschaften vorangebracht werden.

Zudem fordert die Denkfabrik ein "schlüssiges Gesamtkonzept" für den Verkehrssektor. Nötig sei es hier etwa, auf "effiziente Elektromobilität" und klimaschonende Fortbewegungsmittel umzusteigen. Die Preise müssten die realen Knappheiten bei fossiler Energie sowie im öffentlichen Raum sowie die Kosten für Kima, Umwelt und Gesundheit widerspiegeln.

"Wir brauchen jetzt eine strategische Neuaufstellung für den Hochlauf von Zukunftstechnologien", begründete Simon Müller, Direktor von Agora Energiewende. "Nur so sichern wir unseren Wirtschaftsstandort und führen das Land gestärkt in die neue Energiezukunft". Jedes Windrad, jede Photovoltaik-Anlage und jede Wärmepumpe bringe "uns einen Schritt näher an die Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten". Nur so könnten sich Deutschland und Europa auch als zentraler zukunftsfähiger Markt etablieren.

(tiw)