JĂĽrgen Ritter - ein Mauerfotograf mit Grenzerfahrungen

Seite 2: Selbstschussautomaten im Sonnenuntergang

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Ritters Bilder von damals zeigen oft scheinbar ein Idyll, doch auf den zweiten Blick sieht man Selbstschussautomaten im Sonnenuntergang oder Wachtürme im warmen Herbstlicht. "Das schönste ist, wenn ein Bild Diskussionen auslöst", meint Ritter. "Wenn man an der Unfreiheit entlang geht, begreift man erst, was Freiheit bedeutet. Es war der Wille, das System mit Bildern zu entlarven." Das stieß auch im Westen nicht nur auf Zustimmung. "Bis 1989 war ich Spinner, Revanchist und Ewiggestriger." Rund 50.000 Fotos hatte er bis dahin in sieben Jahren von der Grenze geschossen.

1985 und 2012: Am ehemaligen GrenzĂĽbergang bei Bergen an der Dumme (Niedersachsen) an der B 71 Richtung Salzwedel (Sachsen-Anhalt)

(Bild: JĂĽrgen Ritter)

Mit den 80er-Jahren kam die Annäherung von Ost und West, viele Städte in der damaligen Bundesrepublik gingen Städtepartnerschaften mit Orten in der DDR ein. Die Rathäuser seien damals zögerlich geworden, Ausstellungen mit Ritters Bildern zu zeigen, erinnert er sich. So macht sich Ritter auf die Suche nach anderen Motiven, fotografiert in den Eiswüsten von Antarktis und Arktis, in abgelegenen und lebensfeindlichen Regionen wie Spitzbergen oder Franz-Josef-Land – eine "Flucht an andere Grenzen", wie er sagt. Die Bilder des Reisefotografen zeigen die bedrohliche Schönheit eisiger Landschaft.

Seit zehn Jahren aber hat ihn sein altes Thema wieder fest im Griff. Ritter schaut mit der Kamera nach, was aus der Linie wurde, die Deutschland einst teilte und heute fast ĂĽberall fast unsichtbar geworden ist. Er sucht dabei genau dieselben Orte auf, von denen er frĂĽher die Grenzanlagen dokumentierte und stellt die Ergebnisse nebeneinander.

Seine Vorher-nachher-Bilder zeigen Straßen, Felder und Wälder wo einst der Todesstreifen verlief, zeigen Wanderer und Radfahrer wo Grenzer an Mauern, Zäunen und Beobachtungstürmen patrouillierten oder Fußballspieler auf einem Rasen, der früher Minenfeld war. "Das Thema beschäftigt mich immer noch von morgens bis abends, manchmal sitze ich schon um 5.00 Uhr in der Früh am Computer", sagt Ritter. Auf www.deutschland-grenzenlos.de zeigt er seine eindrucksvollen Fotos.