JĂĽrgen Ritter - ein Mauerfotograf mit Grenzerfahrungen

Seite 3: Das System der Stasi-Zuträger im Westen ist nie analysiert worden

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Seit 2013 gibt er einen Kalender heraus. "Damals hat ihn keiner verlegen wollen, da habe ich ihn selbst drucken lassen", sagt Ritter. "Er zeigt, wie grausam das System war und wie schön es jetzt ist." Mittlerweile gibt es den dritten, den für 2015. "Von Jahr zu Jahr hat sich die Auflage verdoppelt." Bestellungen kämen auch aus den USA und Australien, Holland oder Großbritannien. Auch sein neues, mit dem Politologen Peter Joachim Lapp verfasstes Buch "Deutschland grenzenlos" wurde bereits nachgedruckt.

1982 und 2013: Sperrzaun an der deutsch-deutschen Grenze auf der Staumauer der Eckertalsperre im Harz

(Bild: JĂĽrgen Ritter)

Der frühere DDR-Bürgerrechtler Rainer Eppelmann schrieb im Vorwort zu dem Buch: "Das mörderische Grenzregime muss in unserer Erinnerung bewahrt werden, damit die Vergangenheit nicht verklärt und das Erreichte nicht klein geredet werden kann. Genau dieses leisten die Autoren des Bandes mit den hier präsentierten Fotos und Texten."

"Lapp hat für das Buch meine Stasi-Akte ausgewertet", berichtet Ritter. "Wenn ich vorher gewusst hätte, wie die DDR mein Tun bewertet, wäre ich nie an der Grenze entlanggegangen, schon wegen meiner Familie." Für die DDR sei er potenzieller Fluchthelfer, Spion und Terrorist gewesen.

Doch Gründe zur Überheblichkeit habe im Westen niemand, betont Ritter immer wieder. "Man zeigt gern mit dem Finger auf die DDR, aber das System der vielen Stasi-Zuträger im Westen ist nie analysiert oder vollständig aufgearbeitet worden." Er sei stolz auf die ersten Demonstranten in Plauen und Leipzig; die Westdeutschen hätten keinerlei Grund gehabt, sich moralisch überlegen zu fühlen. Tausende Westdeutsche hätten ohne Not für die DDR spioniert. Auch in seinem Verein Grenzopfer, der zinslose Darlehen an DDR-Flüchtlinge vergab, sei ein Mitarbeiter der Stasi gewesen.