Justizminister: AirTags-Stalking verbieten und Beleidigungen einfacher abmahnen​

Die Justizministerkonferenz macht sich dafür stark, eine Strafbarkeitslücke beim Stalking mit Trackern zu schließen und schärfer gegen Online-Hass vorzugehen.​

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Die Vorsitzende der 94. Justizministerkonferenz, Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (vorne von links), Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina und der bayerische Staatsminister der Justiz, Georg Eisenreich

(Bild: Stefan Krempl)

Lesezeit: 5 Min.

Die Justizminister der Bundesländer haben den Bund auf ihrem Freitag zu Ende gegangenen Treffen in Berlin aufgefordert, den Schutz vor heimlicher Überwachung und Stalking mit Bluetooth-Trackern wie Apples AirTags oder Samsungs Galaxy SmartTags und anderen Peilsendern zu verbessern. Sie erkennen hier eine Strafbarkeitslücke in den zuletzt erst im Jahr 2021 verschärften Stalking-Paragrafen im Strafgesetzbuch (StGB). Einen entsprechenden Antrag hatten Bayern und Hamburg in die 94. Justizministerkonferenz (JMK) eingebracht. Die Hamburgische Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) erklärte, dieser sei "auf breite Zustimmung gestoßen". Der ebenfalls anwesende Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) habe sich aber noch nicht dazu geäußert.

AirTags seien "für schusselige Menschen" zwar total hilfreich, wenn sie etwa Schlüssel verlegt hätten, führte Gallina aus. Die kleinen Geräte könnten aber auch missbraucht werden, um Menschen zu stalken und Opfer wie Ex-Partner "sehr genau im Blick zu behalten". Das sei für die Betroffenen ein "Horror".

Der Bundestag beschloss im Juni 2021 kurz vor den Wahlen noch einen Gesetzentwurf, mit dem er das Strafgesetzbuch (StGB) änderte. Er wollte damit einen effektiveren Kampf gegen Nachstellungen ermöglichen sowie Online-Stalking besser erfassen. Den Straftatbestand des Nachstellens haben die Abgeordneten so schon deutlich ausgeweitet, digitales Stalking etwa über Apps inklusive gefälschter Profile einbezogen. Schon damals habe Bayern aber darauf hingewiesen, dass Tracker "nicht rechtssicher erfasst" seien, berichtete der Justizminister des Freistaats, Georg Eisenreich (CSU). "Jetzt kommen Fälle aus der Praxis", was die JMK als "rechtspolitische Ideenschmiede" dazu gebracht habe, die Sache aufzugreifen. Letztlich entscheide aber der Bundesgesetzgeber.

Auch gegen "digitale Gewalt" wollen die Ressortchefs stärker mobil machen. Für die von Hass und Hetze wie Antisemitismus Betroffenen gebe es oft noch hohe Hürden, um ihre Rechte durchzusetzen, erläuterte Gallina. Buschmann solle daher ausloten, was der Bund zur besseren Rechtssetzung in diesem Bereich tun könne. Die Runde habe etwa Optionen ins Spiel gebracht, "Beleidigungen und Bedrohungen auch ohne Anwalt abzumahnen" oder Opfern mehr Zeit zu lassen für ein einstweiliges Vorgehen gegen Hetzer vor Gericht. Die Grüne mahnte zudem, bestehende spezielle Möglichkeiten für Online-Anzeigen wie das Portal Hessen gegen Hetze oder die Meldestelle Respect zu nutzen.

Eisenreich bezeichnete den Digital Services Act (DSA) zwar prinzipiell als echten Fortschritt, da das Vorgehen gegen Hass und Hetze in anderen EU-Staaten bislang teils schwierig gewesen sei. Deutschland habe hier aber mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) schon auf "sehr gutem Niveau" agiert, sodass es hierzulande nun mit dem DSA zunächst einen Rückschritt beim Melden und Löschen strafbarer Inhalte gebe. Buschmann müsse daher mit seinem Entwurf für ein Digitale-Dienste-Gesetz auch in diesem Bereich Schutzlücken schließen und Plattformbetreiber stärker in die Pflicht nehmen.

Das Bundesjustizministerium (BMJ) will es mit einem Gesetz gegen digitale Gewalt Betroffenen erleichtern, "selbst gegen strafbare Inhalte im Netz vorzugehen". Dafür sei es vor allem notwendig, dass diese von Online-Plattformen "einfacher Auskunft über die Identität der rechtswidrig handelnden Nutzer erhalten können". Ferner sollen zeitlich begrenzte Account-Sperren bei schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen möglich werden.

Auf Initiative Bayerns hat die JMK das Ministerium zudem aufgefordert, zusammen mit einer Expertengruppe aus Vertretern von Justiz und IT-Sicherheitsforschung Klarheit über den etwaigen rechtspolitischen Handlungsbedarf im Strafrecht angesichts neuer technologischer Entwicklungen zu schaffen. Sie soll etwa generative Künstliche Intelligenz und Sprachmodelle nebst Bots wie ChatGPT in den Blick nehmen und analysieren, wie diese beispielsweise für Deepfakes oder Cybercrime missbraucht werden könnten.

Auf der Tagesordnung stand auch ein Antrag zum besseren Schutz der Intim- und Privatsphäre von Kindern in sozialen Medien. Dazu hat sich Gallina zufolge in der aktuellen Fassung noch keine Mehrheit gefunden angesichts mangelnder Zeit, das Thema auszudiskutieren und auszutarieren. Die Senatorin unterstrich, dass auch Kinder Rechte etwa auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild hätten. Sie seien aber auf die Eltern angewiesen, um diese durchzusetzen. Manche Erziehungsberechtigte trügen aber just zu Rechtsverletzungen bei, wenn sie ihren Nachwuchs als Influencer zu positionieren suchten, um Geld zu verdienen. Aufnahmen könnten sich dann nicht nur später im Darknet wiederfinden, sondern es stellten sich auch Fragen etwa zum Jugendarbeitsschutz.

Eisenreich erwähnte auch Fortschritte, die Bund und Länder bei ihrem parallel abgehaltenen Digitalgipfel für den Justizbereich erzielt hätten. So sei etwa vereinbart worden, sich nötigen "Reformen der Prozessordnungen" stärker zu widmen. Zudem solle etwa die E-Akte zügig angepasst werden. Ein "E-Justice-Rat" solle als Reformkommission bis zum Sommer weitere Anstöße liefern, um das Potenzial der Digitalisierung zu heben. Buschmann verwies darauf, dass auch für "zukunftsweisende Bundesvorhaben" wie eine Justiz-Cloud Mittel im Rahmen der laufenden Digitalisierungsinitiative vorgesehen seien.

(mki)