Know-how Farben (Teil 8): Charakteristiken und Probleme der Farbumrechnung

Seite 3: Die Grenzen der ICC-Farbprofile, Fazit

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Wenn wir uns den perzeptiven Intent noch etwas genauer anschauen, wird ein prinzipieller Mangel des klassischen ICC-Farbmanagements deutlich. Die Informationen für die perzeptive Farbumrechnung stecken wie gesagt in einer Tabelle, die im Voraus – bei der Erstellung des Profils – berechnet wurde. Bemühen wir noch einmal die Wörterbuch-Analogie aus Folge 6: Im Druckerprofil steckt das Wörterbuch Englisch-Norwegisch, wobei Englisch die Referenzsprache ist und dem Referenzfarbraum Lab entspricht. Norwegisch ist die Zielsprache (der Druckerfarbraum).

Das Profil "weiß" nichts über die Quellsprache, aus der (über den Umweg der Referenzsprache) ins Norwegische übersetzt werden soll. Die Inuit sollen (was wohl ein Mythos ist) mehr als 60 Wörter für Schnee haben, indianische Sprachen dagegen viele Wörter für die unterschiedlichen Nuancen von Grün. Bei der Übersetzung über die Referenzsprache Englisch gehen solche Differenzierungen zum großen Teil verloren.

Aufs Farbprofil bezogen: Soll beim perzeptiven Gamut Mapping (dem Neu-Zuordnen der Farben) ein sehr großer Quellfarbraum zugrunde gelegt werden, beispielsweise Prophoto-RGB, dann werden bei einer Konvertierung eines sRGB-Bildes dessen Farben ganz unnötig zusammengequetscht. Umgekehrt gehen Farbdifferenzierungen eines Prophoto-RGB-Bildes verloren, wenn die Perzeptiv-Tabelle des Druckerprofils auf einen eher kleinen Quellfarbraum ausgelegt ist. In jedem klassischen Druckerprofil (ICC-Version 2) stecken implizit Annahmen über einen Quellfarbraum, und es ist die Kunst der Profilerstellung, hier solche Annahmen zu treffen, die für möglichst viele Bilder optimale Ergebnisse bringen – was aber ohne Kompromisse nicht geht.

Mit der aktuellen Version 4 der ICC-Farbprofile hat man versucht, diesen Mangel durch die Festlegung eines einheitlichen Referenz-Mediums für die Perzeptiv- und Sättigungs-LUTs der Druckerprofile zu beheben. Das Perzeptive Referenz-Medium (PRM) entspricht einem hochwertigen Foto-Print mit einem Dynamikumfang von 288:1 unter definierten Lichtbedingungen und einem ebenfalls definiertem, praxisnahen Farbumfang (Perceptual Reference Medium Gamut, PRMG).

ICC-v4-Druckerprofile funktionieren aber nur in Kombination mit v4-Quellprofilen. In der Praxis muss man einem sRGB-Bild aus der Kamera erst ein sRGB-v4-Profil (downloadbar) manuell zuweisen und es dann in das v4-Druckerprofil (perzeptiv) konvertieren. V4-Profile sind aber kaum verbreitet, sie haben auch einige Nachteile, und auch der oben genannte Hauptmangel, dass die Umrechnungstabellen ohne Ansehen des konkreten Bildes vorausberechnet sind, wird mit ICC v4 nicht behoben. Unter dem Stichwort Image-dependent Gamut Mapping (bildabhängige Farbraumumrechnung) findet man Forschungsarbeiten zu einer alternativen Technik, welche bei der Umrechnung die Farben des konkreten Bildes berücksichtigt, statt von allgemeinen Annahmen auszugehen. Praxistaugliche Software gibt es allerdings unseres Wissens bisher nicht.

Das ICC-Farbmanagement war ein großer Fortschritt und hat im letzten Jahrzehnt farbkonsistentes Arbeiten auf Jedermann-PCs möglich gemacht. Dennoch sind die dafür notwendigen Farbprofile mit vielen Kompromissen und Mängeln behaftet, und das für die Umrechnung zuständige Farbmanagementmodul selbst scheint für die heutige Zeit merkwürdig unintelligent, schaut es doch noch nicht einmal auf die Farben der konkreten Bilder, sondern rechnet stur nach vorgegebenen Regeln oder Tabellen.

Es ist sozusagen die Massenkonfektion für Bilder, die dafür sorgt, dass die Farben auf allen Geräten irgendwie passen. Wer Maß- statt Massenkonfektion will, muss selbst Hand anlegen und unter Kontrolle von Softproof-Ansicht und Gamut-Warnung die Farben manuell so ändern, dass sie ins Druckerprofil passen. Das ist bildabhängiges Farbmanagement in Reinform, aber zeitaufwendig (und auch nicht unkritisch, weil abhängig von Erfahrung und Softproof-Qualität). Die Umrechnungsmethode der Wahl ist dann nicht perzeptiv, sondern relativ farbmetrisch – eine praxistaugliche Anleitung finden Sie im Artikel "Echte Farben" in der c’t Digitale Fotografie Heft 2/2012. (ssi)