Kontrast-Trickkiste: HDR-Fotografie

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Ein HDR-Bild ist ähnlich wie eine Raw-Datei ein Original und eigentlich nicht für eine Bearbeitung gedacht. Unsere aus Einzelbildern kombinierten HDRs übernehmen aber auch deren Mängel, und es ist einfacher und sicherer, zum Beispiel Störungs- und Rauschentfernung und Scharfzeichnung auf das HDR-Bild anzuwenden statt auf die vielen Ursprungsbilder. Das Beschneiden und Ändern von Ausrichtung und Perspektive lassen sich effektiv nur am HDR-Bild durchführen. Auch eine nachträgliche Änderung der Ausleuchtung kann erforderlich sein und unterstützt gelegentlich das anschließende Tonemapping.

Das direkte Malen in einem HDR-Bild dürfte dagegen eher die Ausnahme darstellen, doch selbst dafür bietet ein Programm eine Lösung. Photoshop kann erst seit Version CS2 mit HDRs umgehen und verfügt nur über sehr wenige Werkzeuge und Filter dafür. Beschneidung, Drehung und Perspektivekorrektur sind möglich, letzteres jedoch nicht wie gewohnt mit dem Freistellungswerkzeug, sondern nur über Auswahl → Transformieren. Alle pixelbasierten Mal- und Füllwerkzeuge sind ausgeblendet, lediglich der (Vektor-)Zeichenstift, die geometrischen Auswahlwerkzeuge (Zauberstab nicht!), Protokollpinsel und Kopierstempel (wichtig für das Entfernen von Störungen) sind nutzbar.

Im Filter-Menü stehen fast alle Weichzeichnungswerkzeuge, der Selektive Scharfzeichner und Unscharf maskieren sowie Hochpass und Verschiebungseffekt zur Verfügung, Filter zur Rauschentfernung leider nicht. Auch die Histogrammpalette bleibt bei HDR-Bildern leer. Der deutlichste Mangel ist das Fehlen der gewohnten Werkzeuge zur Änderung von Helligkeit und Bildgradation, wie Kurve und Tonwertkorrektur.

Photoshop CS3 soll hier deutliche Verbesserungen bringen – allerdings nur in der teuren Extended-Version. Das in Photoshop CS2 einzige Werkzeug für solche Korrekturen heißt Belichtung (im Menü Bild → Anpassen) und enthält drei Regler (Belichtung, Verschiebung und Gamma) und drei Pipetten zum Setzen von Schwarzpunkt, Weißpunkt und Mitteltönen. Die Wirkung auf HDR-Bilder ist deutlich anders als von ähnlichen Werkzeugen gewohnt.

Belichtung verstärkt oder schwächt die Helligkeit aller HDR-Bildpixel, als würde man die Beleuchtung der Szene verändern (Denken Sie daran, dass ein HDR-Bild die realen Lichtverhältnisse abbildet). Die Maßeinheit entspricht den gewohnten EV-Stufen, das heißt +1,00 verdoppelt die Helligkeit, –1,00 verringert sie auf die Hälfte.

Verschiebung verschiebt alle Helligkeitswerte um maximal 0,5 Werte nach oben oder unten (auch ins Negative). Bei positiver Verschiebung wirkt dies wie ein Licht, das von allen Bildpixeln gleichermaßen ausgeht. Das Motiv wirkt wie durch eine Milchglasscheibe oder durch Nebel betrachtet. Negative Verschiebungen bewirken eine globale Lichtabschwächung und machen sehr dunkle Pixel „schwärzer als schwarz“: Deren RGB-Tonwerte werden ebenfalls negativ. Photoshop zeigt solche negativen Pixel auch in der höchsten Vorschauhelligkeit als Schwarz an. Damit scheinbar verloren gegangene Details bleiben aber gespeichert und können durch eine positive Verschiebung später wieder „ans Licht geholt“ werden (ausgenommen bei Speicherung im .hdr-Dateiformat – dies kann keine negativen Werte speichern). Auf sehr helle Bildpixel, die in einem HDR-Bild Werte von 100.000 und mehr annehmen können, wirkt sich eine Verschiebung kaum oder gar nicht aus.

Gamma verändert die Pixelhelligkeiten nichtlinear nach einer Gammafunktion, wie vom Tonwertkorrekturdialog gewohnt. Die Wirkung ist jedoch genau entgegengesetzt: Während dort kleine Werte eine Abdunklung und Kontrasterhöhung bewirken, wird hier der Kontrast vermindert. RGB-Werte zwischen 0 und 1 werden angehoben, Werte größer 1 stark abgesenkt. Mit einer gleichzeitigen negativen Belichtungskorrektur lässt sich damit beinahe jedes noch so kontrastreiche HDR-Bild in den Dynamikumfang eines 8-Bit-Bildes zwängen. Was wir natürlich an dieser Stelle nicht wollen – dies bleibt dem anschließenden Tonemapping überlassen. Lichttechnisch wirkt eine Verringerung des Gammawerts wie ein Aufheller oder eine Zusatzbeleuchtung der dunkleren Bildstellen (Aufhellblitz). Die Lichtverteilung wird weicher, die Kontraste werden geringer. Umgekehrt verstärkt eine Gammaerhöhung den Bildkontrast.

Auch die drei Pipetten zeigen ein ungewöhnliches Verhalten: Die Schwarzpunktpipette verstellt den Regler Verschiebung und verschiebt damit die Pixelwerte, bis der kleinste der RGB-Werte null ist. Die Weißpunktpipette setzt die Helligkeit des Pixels auf den Wert 1,0 (also nicht auf den maximal möglichen Wert, wie es bei 8-Bit-Bildern üblich ist) und verschiebt dazu den Regler Belichtung. Die mittlere Graupipette benutzt diesen Regler ebenfalls, setzt den angeklickten Pixel nun aber auf ein „mittleres Grau“, wie es in der Photoshop- Hilfe heißt. Die Farbe wird dabei nicht verändert, die Helligkeit auf etwa 0,5 gesetzt. Beachten Sie, dass diese Pipette einen eventuell vorher gesetzten Weißpunkt wieder verschiebt (und umgekehrt), denn beide Pipetten wirken ja auf den gleichen Regler.

FDRTools bietet überhaupt keine Bearbeitungsmöglichkeiten für HDR-Bilder, Photomatix gestattet lediglich das Beschneiden und Drehen in 90-Grad-Schritten. Etwas besser bestückt – jedoch umständlich zu bedienen – ist HDR-Shop. Die meisten Änderungen müssen als Zahlenwerte eingegeben werden. HDR-Bilder können beschnitten, gedreht und in der Größe skaliert werden. Eine mit Photoshops Belichtungswerkzeug vergleichbare Änderung der Belichtung heißt hier Scale. Nichtlineare Änderungen (Gamma) sind nicht möglich. Dafür bietet HDR-Shop eine Reihe eher exotischer bitorientierter Funktionen und einige Effekte sowie die Umwandlung in ein Panoramabild und eine verspiegelte Kugel (Mirrored Ball). Auch gaußsche Weichzeichnung, Kantenerkennung und einige andere Filter sind vorhanden.

Über einen pfiffigen Umweg gestattet HDR-Shop sogar die Bearbeitung des HDR-Bildes mit beliebigen Pixelwerkzeugen: Voraussetzung ist ein normales Bildbearbeitungsprogramm, das als Standardprogramm für BMP-Dateien eingerichtet sein muss. HDR-Shop speichert die gerade sichtbare „Dynamikebene“ des HDR-Bilds (das ist der aktuell sichtbare, acht Bit breite Helligkeitsbereich) in eine temporäre BMP-Datei und öffnet dieses gleich im verknüpften Bildbearbeitungsprogramm. Dort kann das Bild mit allen üblichen Werkzeugen verändert werden. Nach dem Speichern wird es dann mit allen veränderten Pixeln wieder an die richtige „Stelle“ im HDR-Bild eingefügt.Vorsicht beim direkten Scharfzeichnen von HDR-Bildern mit Photoshop: Das Programm behandelt offenbar sehr hohe Helligkeitswerte nicht korrekt und versieht diese mit schwarzen Rändern.