Linux-Distribution: Ubuntu 23.10 bringt viel Feinschliff

Ubuntu 23.10 bringt für alle ein bisschen: Gnome 45 für Desktops und einheitliche Netze auf Servern. Hinzu kommt ein runderneuerter Kernel.

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Ubunut 23.10 Desktop auf Notebook auf Tisch

(Bild: Screenshot / Foto dmk)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Martin Gerhard Loschwitz

Wie üblich zu dieser Jahreszeit steigt bei Ubuntu-Fans aktuell der Puls – denn in Form von Ubuntu 23.10 steht eine neue Version der beliebten Linux-Distribution in den Startlöchern. Weil es sich nicht um eine Version mit Langzeitsupport handelt – nach neun Monaten ist Schluss mit Support –, richtet sich Ubuntu 23.10 eher an Desktop-Anwender denn an Admins von Servern. In Sachen neuer Features findet sich in der neuen Version aber querbeet für alle etwas.

Eine zentrale Neuerung etwa, die ausnahmslos alle Ubuntu-Benutzer betrifft, ist der runderneuerte Linux-Kernel 6.5, der die Distribution künftig antreibt. Der hat selbst ziemlich viele interessante Features im Gepäck, gerade auch im Vergleich zum Kernel 6.2, der dem Vorgänger ab Werk beiliegt. So liefert Ubuntu 23.10 über den aktualisierten Kernel erstmals Unterstützung für WiFi 7 aus. Speziell für Container-Szenarien ist es künftig zudem möglich, ein Dateisystem unter ein bereits gemountetes Dateisystem zu mounten. Das erleichtert Overlay-Szenarien, wie sie besonders im Container-Kontext regelmäßig vorkommen.

Auch in Sachen Energieeffizienz tut sich etwas, denn Linux 6.5 unterstützt zum ersten Mal Intels "Topology Aware Register and PM Capsule Interface". Hinter dem sehr sperrigen Namen verbirgt sich eine Schnittstelle für Power Management, die deutlich effizienter sein soll als die bisherige Linux-Implementierung. Natürlich geizt der neue Kernel zudem nicht mit Unterstützung für viel neue Hardware. Wie üblich legt Canonical beim Ubuntu-Kernel zudem noch einen drauf. Denn der Ubuntu-Standard-Kernel unterstützt nun ZFS 2.2.0 als Release Candidate, aktualisiert AppArmor und verbessert die Möglichkeiten zur Rechteverwaltung im verteilten Dateisystem CephFS. In Summe ist Ubuntu 23.10 mit Linux 6.5 also auf der Höhe der Zeit, zumal eben jener Kernel in der Version 6.5.6 gerade auch der aktuellste stabile Upstream-Kernel ist.

Die Nicht-LTS-Versionen von Ubuntu richten sich eher an Desktop-Anwender. Denn die wünschen sich regelmäßig topaktuelle Software, während bei Serveradministratoren eher ein stabiles Grundsystem im Vordergrund steht. Entsprechend gering sind üblicherweise die Änderungen zwischen der Ubuntu-Version vor einem LTS-Release und ebendiesem. Zwischendurch lässt Canonical es hingegen gerne mal krachen, und Ubuntu 23.10 ist von dieser Regel keine Ausnahme. So liegt der neuen Distribution Gnome 45 bei. Eine Liste der zentralen Neuerungen finden Interessierte in dem Artikel zum Release der Desktop-Umgebung.

Erstmals in seiner Geschichte installiert Ubuntu 23.10 Desktops künftig über den "minimal"-Satz der eigenen Paketauswahl. Dabei machen die Entwickler sich zunutze, dass die bei Ubuntu seit einigen Versionen enthaltene neue Installationsroutine eine deutlich feiner granulierte Paketauswahl bietet als ihre Vorgänger. Für Anwender bedeutet das konkret, dass bei einem frisch installierten System künftig Pakete wie LibreOffice oder Thunderbird fehlen. Der Installer bietet allerdings auch die Möglichkeit einer "erweiterten" Installation für jene Anwender, die sich ebendiese Programme schon ab dem ersten Start nach der Installation wünschen.

Ebenfalls ihr Debüt gibt in Ubuntu 23.10 die Möglichkeit, das gesamte Systems mit verschlüsselter Festplatte unter Nutzung eines verbauten TPM-2.0-Moduls zu installieren. Allerdings markiert der Hersteller diese Option noch als experimentell und weist auch darauf hin, dass die Funktion nur auf einem eingeschränkten Sortiment von Zielsystemen zur Verfügung steht. Wer diese Option wählt, muss zudem auf externe Kernel-Treiber wie jenen von Nvidia verzichten – was zumindest auf Desktops für viele Nutzer ein echter Liebestöter sein dürfte.

Komplett neu gestaltet ist in Ubuntu 23.10 das Werkzeug zur Installation zusätzlicher Software. Bis dato fiel diese Aufgabe dem Snap Store zu – schließlich hat Ubuntu sich auf das hauseigene, in der Community aber eher unbeliebte Snap-Container-Format für die Installation zusätzlicher Software eingeschossen. Daran ändert sich auch in Ubuntu 23.10 nichts, doch kommt dieses nun mit dem "Ubuntu App Center" daher, einem auf Flutter-Basis komplett neu entwickelten Softwarecenter. Dieses reagiert flotter und ist, glaubt man den Entwicklern, intuitiver zu bedienen. Ergänzend zum neuen Werkzeug für die Softwareinstallation kommt Ubuntu 23.10 zudem mit einem separaten Werkzeug daher, mit dem sich die Firmware verschiedener Geräte im System aktualisieren lässt. Bis dato war diese Funktion direkt im App Center integriert, eine Abhängigkeit, die den Ubuntu-Entwicklern offensichtlich missfiel.

Auch für die Helden im Maschinenraum hat man sich bei Canonical etwas überlegt und bringt Ubuntu 23.10 mit verschiedenen, für Server relevante Änderungen. So hat man ein weiteres Mal an der Art und Weise geschraubt, wie Ubuntu Netze konfiguriert. Bis dato konkurrierten NetworkManager und Netplan auf Ubuntu-Systemen nämlich um die Hoheit über die lokale Netzwerkkonfiguration. Das ist nun vorbei, denn NetworkManager nutzt im Hintergrund nun Netplan. Aus Sicht des Administrators ist es künftig also egal, ob die Einstellung der Netzwerkparameter via NetworkManager und dessen CLI oder direkt in Netplan erfolgt – auf die tatsächliche Systemkonfiguration wirken sich Änderungen über beide Schnittstellen identisch aus.

Gute Nachrichten gibt es auch für Container-Freunde: So liegt Ubuntu 23.10 eine frische Version der Docker Community Engine als Laufzeitumgebung für Standardcontainer bei. Der Virtualisierungsstack durchläuft ebenfalls eine Runderneuerung und kommt mit Qemu 8 sowie der VM-Verwaltung Libvirt in Verson 9.6.0 daher. Besonders der frische Emulator Qemu hat dabei eine Vielzahl spannender Änderungen im Gepäck, etwa Unterstützung für die Emulation von "igb"-Karten, also Gigabit-Netzwerkkarten in VMs. Etliche andere Pakete wie Nginx, Apache, Samba, Dovecot oder Django haben die Entwickler zudem auf den aktuellen Stand gebracht.

Neuigkeiten gibt es bei der unterstützten Hardware der Zielplattformen. Erstmals bietet Ubuntu 23.10 Unterstützung für den frischen Raspberry Pi 5. Mainframes auf S390-Basis erhalten durch eine neue Version der "s390-tools" deutlich bessere Unterstützung; obendrein funktioniert auf diesen Plattformen KVM nun dank etlicher Updates im Kernel signifikant besser. Ebenfalls verbessert haben die Entwickler schließlich Unterstützung für die RISC-V-Plattform, für die bereits Ubuntu 23.04 eine Vielzahl an Funktionen enthielt. Weitere detaillierte Änderungen finden sich in den Release-Notes zu Ubuntu 23.10.

In Summe präsentiert sich Ubuntu 23.10 mithin als stabiles Wartungsupdate, vor dem Endanwender wie Server-Admins keine Angst zu haben brauchen. Wie üblich bekommt man die Pakete für bestehende Systeme über den regulären Update-Mechanismus. Fertige ISO-Abbilder für die Installation stehen auf Ubuntus Download-Seite zur Verfügung.

Aktuelle Linux/Unix-Versionen

Der aktuelle Stand der wichtigsten Unix- und Linux-Distributionen:

(dmk)