Missing Link: Der 3D-Drucker, oder: Die Enttäuschung, die nicht stattfand

Seite 2: When worlds collide ...

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In der Hitze des Hypes prallten die Welten unweigerlich aufeinander. Auf den den einschlägigen Industriemessen wie Euromold oder Rapid.Tech wunderten sich die Fachleute – diesen Hype buchstäblich aus dem (technischen) Nichts hatte keiner kommen sehen. Mache waren durchaus irritiert, warum auf einmal die Tagesthemen prominent einen 3D-Drucker von der CES in Las Vegas präsentierten, als wäre es der erste der Welt. (Dabei war es nicht mal der erste für Privatanwender.)

Medienhypes verstärken sich selbst – Spin Doctors mit einer Nase für Trends können sie geschickt für ihre Zwecke nutzen und heizen sie damit weiter an. Eine Zeit lang war breite Aufmerksamkeit sicher, wenn eine Pressemitteilung für ein beliebiges Produkt oder irgendein Forschungsprojekt herausstrich, dass die Entwickler oder Wissenschaftler dabei einen 3D-Drucker genutzt hatten (für welches Kinkerlitzchen auch immer).

Debatten brandeten auf, die sich um mögliche Urheberrechtsverletzungen durch 3D-Dateien im Internet drehten, um potenzielle gesellschaftliche Veränderungen durch die vermutete Abkehr von der Massenproduktion und nicht zuletzt darum, wie groß die Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch die Pistole aus dem 3D-Drucker ist.

Als wäre der Status Quo nicht faszinierend genug, beschäftigte sich außerhalb der Fachwelt kaum jemand mit der real existierenden 3D-Druck-Technik – die diente meist nur als Basis für Spekulationen über sicherlich ausstehende bahnbrechende Fortschritte in der Zukunft, über die man sich natürlich jetzt schon Gedanken machen müsste.

Selbstredend traten auch Kritiker auf den Plan. Während manche versuchten, die überzogenen Erwartungen einfach nur wieder einzufangen (was habe ich mir da den Mund fusselig geredet), stellten andere den gesamten 3D-Druck rundheraus in Abrede, nachdem sie einmal ein verzogenes ABS-Teil aus einem Billig-Drucker der ersten Generation gesehen, für schrecklich befunden hatten und meinten, sie wüssten jetzt Bescheid.

Die Industrie kannte die harten technischen Limits der additiven Technik sehr wohl: So kann ein FDM-Drucker nicht gleichzeitig schneller und feiner drucken, der limitierende Faktor ist die begrenzte Geschwindigkeit des Druckkopfes. Das ist reine Mechanik und Geometrie, da ist auch kein Quantensprung in Sicht.

Für die Massenproduktion taugt kein additives Fertigungsverfahren, denn Kosten und Produktionsdauer pro Stück bleiben praktisch gleich, ganz egal, wie viel man davon herstellt. Wer viele tausend Exemplare eines identischen Plastikteils braucht, kommt mit Spritzguss günstiger und schneller ans Ziel, und das wird auch noch sehr lange so bleiben.

Und vielleicht das wichtigste: Kein 3D-Drucker der Welt produziert einfach so das gewünschte Objekt – er braucht ein exaktes 3D-Datenmodell als Vorlage. Und das muss man erst mal haben, was in der Regel heißt: selbst konstruieren. Das geht, und auch die CAD-Software dafür gibt es oft gratis, aber man muss es können.

Die Industrie nutzte dennoch die Chance des Hypes, münzte die Aufmerksamkeit für ihre Branche in reelles Wachstum um, indem sie Lösungen an Firmen verkaufte, bei denen Rapid Prototyping und Rapid Manufacturing Sinn ergeben. Manche große Firmen schluckten kleine, wie der ursprüngliche FDM-Patentinhaber Stratasys das Vorzeige-Startup Makerbot. Aber auch einige kleine Hersteller, die mit Maker-Druckern angefangen haben, wandten sich dem deutlich profitableren Profi-Markt zu – so entwickeln etwa Ultimaker und German RepRap heute keine neuen Maschinen für Privatkunden mehr.

Klar produzierte der Hype auch Verlierer. Wer allzu blauäugig an die Mär vom zukünftigen Massenmarkt für 3D-Druck geglaubt und als Start-up dort seinen Claim abgesteckt hatte, ging oft baden – sei es mit einem 3D-Druck-Laden in der Innenstadt oder mit dem gefühlt dreihundertsten günstigen FDM-3D-Drucker (billiger als die Chinesen kann man die halt nicht bauen).

Aber dem großen Teil der 3D-Druck-Branche und auch den Nutzern war es am Ende ziemlich egal, dass der Medienhype im Rest der Welt erst überschäumte und zusammenbrach. Es war sogar eine gewisse Erleichterung zu spüren, das man wieder in Ruhe weiter entwickeln und wachsen konnte.

Für die Maker waren die letzten zehn Jahre eine goldene Zeit. Denn dank der Vorarbeit des RepRap-Projekts, dessen Technik in vielen Einsteigerdruckern der ersten Generation stecke, lieferten viele der erst günstigen, heute billigen 3D-Drucker fast von Anfang an praktisch nutzbare Teile – mit etwas Glück sogar der legendäre erste MakerBot CupCake CNC: Vor knapp zehn Jahren druckte ich damit ein fehlendes Zwischenstück für die Esstischlampe zu Hause und das hält immer noch.

Heute kostet ein brauchbarer 3D-Drucker für den privaten Anwender nur noch so viel wie ein Mittelklasse-Smartphone, die Werkstücke daraus sind nach wie vor nützlich und sehen – nicht zuletzt durch Fortschritte beim Druckmaterial – um so vieles besser aus als damals. In der Maker-Szene ist der 3D-Drucker heute fast so gängig wie die Lötstation und sicher verbreiteter als das Oszilloskop. Dabei benutzen die meisten Bastler ihn vor allem für praktische Sachen, drucken Perestaltikpumpen für Cocktailroboter, Tiefdruckpressen, Head-Up-Displays fürs Multimeter, schnelle Akkuschrauberrenner, allerlei Gehäuse und eher nebenbei auch mal Plastikblumen und Nippesfiguren.

Und jetzt? Mein Vorschlag zur Güte: Ihr beerdigt Euren Hype, mit so viel Häme und Brimborium und Leichenreden, wie ihr dafür braucht. Okay? Und im Gegenzug lasst ihr uns in Zukunft in Ruhe weiter 3D-drucken und verschont uns mit ungebetenen Vorträgen darüber, dass sich der 3D-Druck niemals durchsetzen wird. Deal? (pek)