Netzneutralität: USA debattieren, EU wartet ab

Trotz taktischer Manöver und großem Druck von Telekommunikationsunternehmen wird noch einige Zeit vergehen, bevor das neue US-Telekom-Gesetz zur "Netzneutralität" verabschiedet wird. Auch die EU-Kommission hat sich des Themas angenommen.

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Von
  • Monika Ermert

Trotz taktischer Manöver und großem Druck von Telekommunikationsunternehmen wird noch einige Zeit vergehen, bevor das neue US-Telekom-Gesetz zur "Netzneutralität" verabschiedet wird. Bürgerrechtsgruppen wie Common Cause monierten diese Woche, dass der vom Abgeordnetenhaus verabschiedete Entwurf HR 5252 anders aussehe als der ebenfalls in HR 5252 umbenannte Text, der derzeit von verschiedenen Senatskomitees debattiert wird. Das Gesetz des Abgeordnetenhauses war enger gefasst und vor allem auf Lizenzen für Videoangebote fokussiert worden. Der Senatsentwurf dagegen enthält laut Experten der Organisation Free Press auch noch Bestimmungen zu Geldern für Notfallkommunikation, zum Schutz digitaler Inhalte, zu schädlichen Inhalte und zur Medienkonzentration. "Die Betitelung ist gleich, aber die Texte sind sehr verschieden," sagte Celia Wexler von Common Cause gegenüber heise online.

Auch die EU-Kommission hat sich des Themas Netzneutralität in der Überprüfung der Rahmenrichtlinie "elektronische Kommunikationsnetze und -dienste" angenommen. In einem aktuellen Arbeitspapier (PDF) schreibt die Kommission, dass ein funktionierender Markt Netzneutralitätsregeln verzichtbar mache. "Im allgemeinen wird bei funktionierendem Wettbewerb ein Provider mit offenerem Angebot auftreten, sobald ein anderer Anbieter versucht, Nutzerrechte einzuschränken." Im übrigen erlaube der Regulierungsrahmen in Europa den Anbietern, unterschiedlichen Kundengruppen unterschiedliche Dienste anzubieten. Kunden in vergleichbarer Situation unterschiedlich zu behandeln, kann dagegen durch den Regulierer auch jetzt schon unterbunden werden, vor allem wenn ein Unternehmen den Markt beherrscht.

Ein mögliches Blocken bestimmter "Dienste der Informationsgesellschaft" durch marktbeherrschende Unternehmen könne vor allem durch die Zugangs- und Verbindungsregeln im Artikel 5 (1) der Zugangsrichtlinie verhindert werden, schreibt die Kommission. Allerdings sieht man trotzdem immerhin ein gewisses Risiko, dass die Qualität der Dienste durch Diskriminierungsmaßnahmen unter ein bestimmtes Level sinken könnte. Daher schlägt man vor, dass die nationalen Regulierungsbehörden Mindestanforderungen an die Dienstegüte festlegen sollen. Damit könnte aus Sicht des Kunden ein Mindestmaß an Übertragungskapazität eingefordert werden.

Großen US-Breitbandanbietern -- und mittlerweile auch einigen europäischen Carriern wie der Deutschen Telekom -- geht es darum, für den Aufbau ihrer Hochgeschwindigkeitsnetze Inhalteanbieter für die zugesicherte oder besonders rasche Übertragung von Content zur Kasse zu bitten. Sie wollen Möglichkeiten zur unterschiedlichen Behandlung des Datenverkehrs in ihren Backbones schaffen, abhängig beispielsweise von Quelle, Dienst und Bandbreitenhunger. So könnten sie etwa den Datenverkehr von besser zahlenden Kunden bevorzugt behandeln. Kritiker befürchten, dass zum Beispiel die Deutsche Telekom auf diesem Wege auch VoIP-Angebote, unliebsame Konkurrenz zum Festnetzgeschäft, an den Rand drängen könnte.

Webgrößen wie Google, Amazon, eBay, Microsoft oder Yahoo gehören zu einer Gruppe von Verfechtern strenger Netzneutralitäts-Regeln. Zusammen mit einer bunt zusammengewürfelten Truppe zivilgesellschaftlicher Organisationen werben sie online etwa als "It's Our Net"-Koalition für ihre Ziele. Sie fürchten dass Telekommunikationskonzerne und TV-Kabelanbieter das Internet in teure, mit Mautstationen abgesperrte Luxusbahnen und holprige Feldwege aufteilen wollen.

Die Berliner Juristin und Informatikerin Barbara van Schewick empfiehlt im Interview mit heise online klare Regeln zur Netzneutralität. Ohne solche fürchtet sie um die Innovationsfähigkeit im Netz. Newcomer im Dienstebereich würden sich schwer tun, wenn sie nur unter bestimmten Bedingungen oder gegen finanzielle Mehrleistung ihre Dienste ins Netz bringen könnten.

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(Monika Ermert) / (sha)