Nord Stream: Russland arbeitet angeblich bereits an Reparaturplänen

Russland beschäftigt sich laut einem Bericht mit Reparaturplänen für die zerstörte Pipeline Nord Stream 1 in der Ostsee. Offiziell hält sich der Kreml bedeckt.

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Auch wenn es in den vergangenen Wochen ruhig um die schwerbeschädigten Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 geworden ist: In Russland wird laut einem Medienbericht konkret der Frage nachgegangen, wie die Rohrverbindungen zwischen Russland und Deutschland wieder instand gesetzt werden können. Offiziell hieß es zuletzt, dass noch keine Entscheidungen getroffen wurden.

Hierbei geht es laut einem Bericht der New York Times vor allem um die von Deutschland für den Betrieb zugelassene Pipeline Nord Stream 1. Sie war im Jahr 2011 als Erste der beiden über 1200 Kilometer langen Pipelines in Betrieb genommen worden, mit einer Gesamtkapazität beider Stränge von 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Die US-amerikanische Zeitung beruft sich in ihrem Bericht auf eine anonyme Quelle. Dieser zufolge habe die mehrheitlich im Besitz des russischen Staatskonzerns Gazprom befindliche Nord Stream AG mit Sitz in der Schweiz begonnen, Kosten für Reparatur und Wiederherstellung des Gasflusses zu kalkulieren.

Aktuell werde davon ausgegangen, dass eine Reaktivierung von Nord Stream 1 mindestens 500 Millionen US-Dollar kosten wird. Fraglich ist dabei, inwieweit das Salzwasser des Meeres den Leitungen inzwischen weitere Schäden zugefügt hat und wie lange sie dem Einfluss des Wassers noch standhalten. Ende September 2022 ereigneten sich an beiden Pipelines nahe der dänischen Insel Bornholm Explosionen. Später wurden vier Leckstellen an drei Pipeline-Strängen entdeckt: bei beiden Leitungen von Nord Stream 1 und an einer von Nord Stream 2.

Kremlsprecher Dmitry Peskov erklärte Mitte Dezember gegenüber der russischen Nachrichtenagentur TASS, dass sich Russland noch nicht entschieden habe, wie es mit den Nord Stream-Pipelines weitergeht. Dabei ging es auch um die Frage, kurzfristig den verbliebenen intakten Strang von Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen. Die zweite Pipeline war erst im September 2021 fertiggestellt worden. Wegen fehlender Genehmigungen von deutscher Seite wurde sie zwar aus betrieblichen Gründen mit Gas befüllt, aber niemals in Betrieb genommen. Die Nord Stream 2 AG, die als Betreibergesellschaft ebenfalls in der Schweiz residiert, befindet sich in Insolvenz und bekam zum Jahreswechsel eine Stundung von sechs Monaten. Dies ist dem Schweizer Handelsblatt zu entnehmen. Insolvenzverwalter ist ein darauf spezialisierter Dienstleister aus Bern. Das Unternehmen gehört allein der russischen Gazprom. Zuletzt war von der Gesellschaft zu hören, dass sie nach dem Vorfall in der Ostsee ein Spezialschiff losschickte, um das Ausmaß der Schäden zu begutachten.

Laut Peskov hätten wiederaufgenommene Sanktionen Kanadas, die verhindern, dass instandgesetzte Gasturbinen nach Russland gebracht werden können, keinerlei Auswirkungen auf die Entscheidungen. Dies steht im Widerspruch zu früheren Aussagen: Als Russland im Sommer 2022 die Gasflüsse nach Deutschland drosselte und schließlich aussetzte, war seinerzeit noch die Rede davon, dass fehlende und zu wartende Turbinen der Grund hierfür seien.

Verlauf der Nord Stream-Pipelines zwischen Russland und Deutschland

Dass Russland nun eine Reparatur von Nord Stream konkret in Erwägung zieht, nährt in den USA die Zweifel daran, dass Russland die Pipelines selbst beschädigt haben könnte. Zuvor waren in einem Medienbericht schon Stimmen aus westlichen Regierungs- und Behördenkreisen zu hören, die die Täterschaft als komplett offen ansehen. In ersten Reaktionen gingen einige davon aus, dass der Anschlag eine Machtdemonstration in Richtung des Westens sein sollte, um die Verletzbarkeit kritischer Infrastrukturen aufzuzeigen. Andererseits forcierte Russland den Bau der Pipelines gerade, um von Nachbarländern wie der Ukraine unabhängig zu werden. Medienberichten zufolge zahle Russland weiterhin Transitgebühren in Höhe von einer Milliarde US-Dollar an das Land, das von Russland gleichzeitig seit bald einem Jahr mit einem Angriffskrieg überzogen wird.

Es wird allerdings auch für möglich gehalten, dass Russland mit der Zerstörung von Nord Stream die EU-Länder dazu bewegen will, die Ukraine dazu zu drängen, den Krieg schnell zu beenden, um nicht die verbliebenen Landverbindungen für Erdgas zu gefährden. Erst im Dezember erregte ein Unfall bei Wartungsarbeiten in Russland für Aufsehen, der sich an einer Pipeline ereignete, die im weiteren Verlauf über die Ukraine Gas nach Europa transportiert. Auch wenn die EU-Länder die drohende Gasmangellage in diesem Winter bislang im Griff haben, warnt etwa die Bundesnetzagentur davor, dass der Winter 2023/24 eine größere Herausforderung werden könnte.

Bei den Ermittlungen zur Explosion der Nord Stream-Pipelines herrscht weiterhin Stillschweigen. Die New York Times zitiert einen schwedischen Ermittler, demzufolge es keine konkreten Beweise in dieser ungewöhnlichen Ermittlung gebe. Polen und die Ukraine hatten sehr früh Russland bezichtigt, die Pipelines sabotiert zu haben. Russland wiederum beschuldigte zwischenzeitlich Großbritannien. Mitte Dezember erklärte der Kreml, ihm lägen keinerlei Erkenntnisse vor.

(mki)