Nutzungsbedingungen egal: Facebook darf und muss Strafbares löschen

Ein Deutscher weiß sich auf Facebook nicht zu benehmen, was zu Löschungen und Sperren führt. Er verklagt Meta und verliert erst in zweiter Instanz.

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Eine graue Computertastatur hat eine einzelne rote Taste mit Aufdruck "Hate"

(Bild: Shutterstock)

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Wer ein Soziales Netzwerk in Deutschland betreibt, muss strafbare Inhalte von Gesetz wegen unverzüglich entfernen oder sperren – egal, ob oder was in den Nutzungsbedingungen steht. Denn das Gesetz gilt in jedem Fall. Das geht aus einer aktuell veröffentlichten Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe hervor (OLG Karlsruhe, 26. 5. 2023, 10 U 24/22). Ein Facebook-Nutzer wollte nicht hinnehmen, dass seine strafbaren Postings gelöscht und sein Konto kurzfristig gesperrt wurde. Also verklagte er Facebook-Betreiber Meta Platforms und forderte dabei auch Schadenersatz in vierstelliger Höhe. Der unflätige Facebook-Nutzer hat nun in zweiter Instanz verloren.

Der Kläger hat offenbar wiederholt gegen Facebooks Nutzungsbedingungen verstoßen. Wegen Verstoßes gegen Regeln über "gefährliche Personen und Organisationen" wurde ihm im Februar 2020 für 30 Tage die Möglichkeit von Livestreams genommen. Im Mai des Jahres konnte er wegen Mobbings für 24 Stunden keine Beiträge posten oder kommentieren.

Im August 2020 hat der Kläger dann in einem Facebook-Kommentar einen anderen, ihm sonst nicht näher bekannten Facebook-Benutzer beschimpft und versucht verächtlich zu machen. Facebook löschte den Kommentar und verhängte eine dreitägige Sperre für Kommentare und Postings. Im Oktober 2020 postete der Kläger ein intimes Foto des Sohnes eines prominenten Politikers ohne Einwilligung des Abgebildeten. Außerdem verlinkte der Täter eine Webseite mit Verschwörungserzählungen, auf der weitere intime Bilder des Opfers zu sehen waren. Meta löschte auch diese Facebook-Postings.

Daraufhin nahm sich der Poster einen Anwalt, der umfangreiche Forderungen an Meta stellte: Der Konzern sollte eingestehen, dass die Löschungen unrechtmäßig erfolgt seien und diese zurücknehmen, diverse Auskünfte erteilen, Schadensersatz zahlen, die längst abgelaufene Sperre vom August aufheben und eine Unterlassungserklärung abgeben. Der Konzern reagierte nicht.

Im Juni 2021 wiederholte der Mann seine Begehren per neuerlichem Anwaltsschreiben und erweiterte sie um die Forderung nach Auskünften über angebliche Leitlinien der deutschen Bundesregierung, etwaig beteiligte Dritte, Löschung der bei Facebook über sein Missverhalten gespeicherten Daten und Ersatz seiner bisherigen Anwaltskosten. Der Erfolg blieb aus.

Schließlich verklagte der Facebook-User Meta und stellte dabei insgesamt 16 Klageanträge. Das Landgericht Karlsruhe bestätigte die Entscheidung Metas, die Beschimpfung aus dem August 2020 zu löschen. Zwar seien Facebooks einschlägige Nutzungsbedingungen zum fraglichen Zeitpunkt nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Zensur von Hassrede unwirksam gewesen, doch könne Meta die Löschung auch ohne Nutzungsbedingungen einfach auf Gesetze stützen.

Die Veröffentlichung eines Intimfotos ohne Einwilligung des Betroffenen sowie den Link zu weiteren solchen Abbildungen hielt das Landesgericht allerdings nicht für rechtswidrig. Daher sollte Meta diese Beiträge wiederherstellen und den entsprechenden Teil der vorgerichtlichen Anwaltskosten ersetzen, nämlich 281 Euro. Gegen das Urteil des Landgerichts haben beide Seiten berufen, Meta mit Erfolg.

Denn das OLG entscheidet in allen 16 Klageanträgen letztendlich zugunsten des Facebook-Betreibers. Tatsächlich seien die Nutzungsbedingungen für die Löschung von Beiträgen und die Sperre von Nutzerkonten 2020 nicht anwendbar gewesen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) erkannt hat.

Meta "war aber kraft Gesetzes wegen des strafbaren Inhalts der betreffenden Beiträge zur Löschung berechtigt. Gemäß § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG; § 4 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 NetzDG war und ist die Beklagte unabhängig von dem Inhalt ihrer Nutzungsbedingungen gehalten, unverzüglich tätig zu werden, um strafbare Inhalte in ihrem sozialen Netzwerk zu entfernen oder zu sperren, sobald sie Kenntnis von Tatsachen oder Umständen erlangt hat, aus denen die Rechtswidrigkeit der Beiträge offensichtlich wird", heißt es dazu in der Urteilsbegründung. Die Beschimpfung eines anderen Facebook-Nutzers vom August 2020 ist demnach klar strafrechtswidrig, wie schon das Landesgericht festgestellt hat.

Im Gegensatz zum Landgericht stuft das OLG aber auch die fremden Intimfotos als strafrechtswidrig ein: Paragraf 22 des Kunsturhebergesetzes (KunstUrhG) verbietet die Veröffentlichung von Abbildungen Dritter ohne deren Einwilligung. Darauf steht nach Paragraf 33 bis zu einem Jahr Haft. Zwar kennt Paragraf 23 KunstUrhG eine Ausnahme für Bildnisse der Zeitgeschichte; die Ausnahme gilt aber nicht für intime Bilder, denen der Bezug zu zeitgeschichtlichen Ereignissen fehlt. Und strafrechtswidrige Postings muss Facebook eben unverzüglich löschen, weil es das Telemediengesetz und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gibt.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz schreibt Löschungen vor, wenn Inhalte offensichtlich rechtswidrig sind. Zu diesem Maßstab der Offensichtlichkeit führt das OLG nichts aus. Eine Begründung, warum auch der Hyperlink zu einer Webseite mit rechtswidrigen Bildern offensichtlich rechtswidrig ist, enthält die Urteilsbegründung ebenso wenig. Die weiteren Klageanträge weist das OLG mit verschiedenen Begründungen ab. Baden-Württemberg hat das Urteil im Volltext veröffentlicht. Der Kläger muss die gesamten Verfahrenskosten tragen. Eine ordentliche Revision an den BGH ist nicht zulässig.

In einem Obiter Dictum erklärt das OLG noch, dass dem Kläger selbst dann kein Ersatz immaterieller Schäden wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zustünde, hätte Meta sein Konto unbegründet gesperrt. Die vorübergehende Deaktivierung von Funktionen eines Facebook-Kontos sei nämlich, wenn überhaupt, keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Übrigens hat Meta im Juli 2022 seine Nutzungsbedingen geändert. Seither haben Nutzer Anspruch darauf, zeitnah nach Löschung eines Beitrags über die Gründe dafür informiert zu werden. Dabei können sie eine Überprüfung beantragen. Zudem verspricht Meta, Betroffenen vor einer Kontensperre Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Damit erfüllt Meta augenscheinlich jene Voraussetzungen, die der Bundesgerichtshof im Juli 2021 aufgestellt hat. Nutzer können sich also nicht mehr ohne Weiteres darauf berufen, dass die einschlägigen Nutzungsbedingungen unwirksam seien.

Strafrechtswidrige Veröffentlichungen von Abbildungen Dritter werden nur auf Antrag des Betroffenen geahndet. Ähnliches gilt bei Beleidigung einzelner Privatpersonen. Die Taten sind aber auch rechtswidrig, wenn kein solcher Antrag gestellt wird. Strafverfahren und Bestrafung bleiben dann allerdings aus.

(ds)