Patentstreit: VoIP-Anbieter Vonage zwischen Hoffen und Bangen

Ein Berufungsgericht hielt in der Patentklage von Verizon gegen den Internet-Telefoniedienst zwei von drei Patenten aufrecht - Vonage sieht das als Erfolg an und meint, für die anderen Patente habe man Workarounds.

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Von
  • Jürgen Kuri

Im Patentstreit mit Verizon konnte der Voice-over-IP-Dienstleister Vonage einen Teilerfolg erzielen – oder musste eine Schlappe einstecken: Die Sichtweise hängt ganz davon ab, welche der beiden Streitparteien man fragt. Vonage jedenfalls freut sich, dass das Berufungsgericht in der Klage von Verizon gegen den VoIP-Anbieter die Verletzung eines von drei inkriminierten Patenten nicht für erwiesen ansah; das Verfahren wurde daher an die vorherige Instanz zur Neuverhandlung zurückgegeben, da sie in ihrem Urteil eine Schadensersatzzahlung auf Basis der Verletzung aller drei Patente festlegte.

Verizon hatte Vonage verklagt, da das Telekommunikationsunternehmen seine Patente 6,359,880, 6,282,574 und 6,104,711 durch die VoIP-Firma verletzt sah. Die erste Instanz hatte Vonage wegen Verletzung aller drei Patente schuldig gesprochen und zu Schadensersatz in Höhe von 58 Millionen US-Dollar verurteilt; außerdem dürfe das Unternehmen die geschützten Techniken nicht mehr einsetzen. Das Berufungsgericht verwarf zwar nun einen Verstoß gegen das Patent 6,359,880, hielt aber auch fest, dass Vonage die beiden anderen in dem Verfahren angeführten Patente von Verizon mit seinem VoIP-Dienst verletzt habe. Nach Ansicht von Verizon sind dies die entscheidenden Patente in dem Verfahren, da sie grundlegende Techniken der Terminierung von Gesprächen zwischen herkömmlichen Telefon- und IP-Netzen behandeln.

Sobald die Entscheidung des Berufungsgerichts nach Neuverhandlung durch die vorhergehende Instanz in Kraft tritt, darf Vonage nun die in den Patenten 6,282,574 und 6,104,711 geschützten Techniken nicht mehr einsetzen. Außerdem ist zu erwarten, dass der zu zahlende Schadensersatz nur marginal gegenüber der vorherigen Entscheidung reduziert wird. Noch ist dann nicht sicher, dass Vonage dieses Urteil technisch und finanziell überleben wird: Die Zahlungen (zu denen möglicherweise noch Schadensersatz an Sprint-Nextel aus einem anderen Verfahren kommt, in dem Vonage den Prozess in erster Instanz ebenfalls verloren hat) sind kein Pappenstiel für ein Unternehmen, das im ersten Quartal seines laufenden Geschäftsjahrs mit 2,6 Millionen Kunden 196 Millionen US-Dollar Umsatz und einen Verlust von 72 Millionen US-Dollar erwirtschaftete. Zudem ist bislang nicht klar, ob Vonage tatsächlich in der Lage ist, seinen Dienst ohne die in den Patenten 6,282,574 und 6,104,711 beschriebenen Techniken fortzuführen. Man habe Ersatz für die beiden Patente nun doch schon seit einiger Zeit fertig, behauptet zwar die Justiziarin von Vonage, Sharon O'Leary. In der Praxis muss Vonage aber erst noch beweisen, dass diese Workarounds für die Kunden genauso gut funktionieren wie die bislang eingesetzte Technik.

Nicht gezogen in dem Patentstreit hat zudem offensichtlich der Rekurs von Vonage auf eine jüngste Entscheidung des obersten US-Gerichts. Der US Supreme Court hatte mit seiner Grundsatzentscheidung die so genannte Offensichtlichkeitsklausel im Patentrecht wieder gelockert. Damit wird es künftig schwerer, Patente ohne wirklichen Neuigkeitswert – zum Beispiel durch die Neukombination bestehender Verfahren – anzumelden. Eine Neuaufnahme des Verfahrens, in dem Vonage wegen Verletzung der Verizon-Patente verurteilt wurde, lehnte das zuständige Gericht zwar ab. Die Richter legten aber auch fest, dass Vonage im Berufungsverfahren auf die neue Rechtslage eingehen darf. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des obersten US-Gerichts argumentierte Vonage daher, die von Verizon beanspruchten Schutzrechte für ein Verfahren zur Übergabe von Gesprächen aus IP- in Telefonnetze seien sehr oberflächlich definiert. Dieser Argumentation wollte das Berufungsgericht aber nicht folgen. (jk)