Plattenfirmen wollen Geld -- US-Internetradios in der Bredouille

Bei den Internet-Radios hat das große Zittern begonnen. Bis zum 21. Mai soll in den USA die Entscheidung fallen: Werden die Online-Anbieter anders behandelt als traditionelle Radiosender?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 49 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tilman Streif
  • Jürgen Kuri

Jahrelang schauten die großen Plattenlabels und Medienkonzerne dem Treiben der einstmals populärsten Musiktauschbörse Napster zu, dann wollten sie der kostenlosen Nutzung von Musiktiteln im Internet ein jähes Ende bereiten -- mit mehr oder weniger großem Erfolg. Ein jähes Ende könnte nun aber Tausenden von unabhängigen US-Radiosendern drohen, die ihr Programm entweder ausschließlich im Internet verbreiten oder ihre konventionell ausgestrahlten Sendungen gleichzeitig online anbieten. Die Vereinigung der US-Plattenindustrie, die Recording Industry Association of America (RIAA) will bei diesen Sendern bald hohe Lizenzgebühren einsammeln; dafür hatte sie Ende 2000 eigens eine spezielle Firma gegründet. Die Gebühren aber könnten für die meisten der Kleinstunternehmen den endgültigen Sendeschluss bedeuten.

Bei den Internet-Radios hat das große Zittern begonnen. Bis zum 21. Mai will das offiziell zuständige U. S. Copyright Office seine Entscheidung treffen: Sollen die Online-Anbieter tatsächlich anders behandelt werden als traditionelle Radiosender? Diese bezahlen vier Prozent ihres Umsatzes an Komponisten und Song-Autoren, aber keinen Cent an die Plattenlabels. Die Aufführungsgebühren fallen nicht an, das legt ein US-Gesetz aus dem Jahr 1930 fest. Darin wird argumentiert, dass die Radiosender schließlich kostenlose Werbung für Musikaufnahmen machen und damit den Plattenlabels das Geschäft erheblich erleichtern. Die so genannte Statutory License gilt eigentlich aber nur dann, wenn Sender gewisse Kriterien erfüllen. So dürfen sie beispielsweise in einer bestimmten Zeit nur eine beschränkte Anzahl von Stücken eines Albums abspielen, müssen Interpret und Titel des Albums nennen und dürfen die Zeit des Abspielens eines bestimmten Stückes nicht vorher bekannt geben -- alles Kriterien, denen eine "normale" Radiostation leicht genügt, nicht aber Dienste, bei denen man bestimmte Musikstücke gezielt abrufen kann.

Die alte Regel wurde 1998 jedenfalls für Online-Medien aufgehoben. Der damals verabschiedete DMCA zum Schutz des Urheberrechts legt fest, dass bei Online-Sendungen gesonderte Aufführungsgebühren fällig werden. Auf die Höhe sollten sich Sender und Plattenindustrie einigen. Die Gebühren selbst waren bei den reinen Web-Radios eigentlich nie umstritten, nur die klassischen Radio-Stationen, die zusätzlich ins Web streamten, weigerten sich zuerst, dafür zusätzlich zu zahlen. Eine Einigung über die Höhe der Gebühren gelang jedenfalls nicht und deshalb schritten die Beamten des Copyright Office ein. Sie erarbeiteten im Februar einen für die RIAA besonders ertragreichen Plan, nach dem die Online-Sender nicht etwa einen Prozentanteil ihres Umsatzes abführen müssen, sondern eine feste Summe: 0,14 US-Cent pro Song und pro Hörer.

Aus diesem winzigen Betrag würde für beliebte Sender mit großem Publikum schnell eine sechsstellige Dollarsumme. "Dies wird die Online-Radiounternehmen vernichten", befürchtet Kurt Hanson, der Herausgeber von RAIN, einem Branchenfachblatt der Internet-Radios. "Für viele der Sender würden dann Gebühren anfallen, die das Doppelte oder Dreifache ihres Jahresumsatzes ausmachen", rechnet Hanson vor. Besonders entsetzt ist er über eine Bestimmung, nach der die Gebühren rückwirkend ab dem Jahr 1998 gelten sollen.

Die RIAA steht nun am Pranger, weist aber energisch den Vorwurf zurück, an der Zerstörung einer blühenden Online-Radiokultur zu arbeiten. "Die Websender haben offenbar einen Weg gefunden, alle anfallenden Geschäftskosten zu finanzieren", spottete der RIAA-Vertreter Steven Marks unlängst in einem Interview mit der New York Times. Die Sender bezahlten immerhin für ihren Internet-Anschluss, ihre Computer und ihre Software. "Und sie sollten auch in der Lage sein, für die Musik zu zahlen, auf der sie ihr Geschäft aufbauen", argumentiert Marks.

Vertreter der Radiosender halten diese Einwände für heuchlerisch. Sie befürchten, dass die RIAA selbst ein Radioangebot aufbauen will, das Kleinsendern keinen Platz mehr ließe. Hanson gibt gerne zu, dass dies ein wenig nach einer "Verschwörungstheorie" klingt. Aber völlig grundlos ist die Befürchtung wohl nicht. Denn das Online- Radiogeschäft würde nur dem Vorbild der Online-Musikbörsen folgen. Dort versuchen bereits jetzt, Kommerz-Dienste der Medienkonzerne unabhängige und kostenlose Anbieter zu verdrängen. (Tilman Streif, Jürgen Kuri) / (jk)