Plattformen: Deutschland fordert Verbot personalisierter Werbung bei Kindern

Die Bundesregierung ist besorgt über "umfassendes Tracking und Profiling". Über den geplanten europäischen Digital Services Act müsse gegengesteuert werden.

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(Bild: Syda Productions/Shutterstock.com)

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Deutschland drängt auf Korrekturen am Gesetzentwurf der EU-Kommission für digitale Dienste. "Einige Online-Plattformen setzen auf ein Geschäftsmodell des umfassenden Trackings und Profilings von Nutzern, um durch personalisierte Werbung Einnahmen zu generieren", kritisiert die Bundesregierung. Dabei könnten die Betreiber "auch mit kontextbezogener Werbung oder mit neuen technologischen Lösungen Einnahmen generieren". Nutzer müssten daher zumindest ein Recht darauf haben, Portale im Netz "ohne personalisierte Werbung zu nutzen".

Insbesondere gegenüber Minderjährigen "sollte personalisierte Werbung verboten werden", lautet die Position Deutschland in einem jetzt von Contexte und Netzpolitik.org veröffentlichten Papier der EU-Staaten mit Änderungsanträgen zum Vorschlag für einen Digital Services Act (DSA). "Eine zusätzliche Identifikationspflicht für alle Nutzer sollte jedoch nicht eingeführt werden." Wie Betreiber von Plattformen ohne Login-Pflicht unter Verzicht auf Tracking und Profilbildung Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren von Erwachsenen unterscheiden könnten, verrät die Bundesregierung nicht.

"Minderjährige sind sich noch weniger bewusst, dass es personalisierte Werbung gibt und wie Unternehmen sie zur Umsatzgenerierung einsetzen", begründet die Exekutive ihre Initiative. Aufgrund der geschäftlichen Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen reichten Transparenzvorschriften in diesem Bereich nicht aus.

Richtet sich ein Dienst primär an Kinder oder Jugendliche beziehungsweise wird er überwiegend von Minderjährigen genutzt, müssten die Anbieter von Vermittlungsdiensten Bedingungen und Einschränkungen für die Inanspruchnahme des Services in einer für die Heranwachsenden verständlichen Form erläutern, verlangt die Bundesregierung zudem. Die Gestaltung und die Online-Schnittstelle solcher Dienste sollten die besonderen Bedürfnisse der Zielgruppe insgesamt berücksichtigen.

Die Kommission setzt bisher vor allem auf eine bessere Aufklärung der Nutzer über eingesetzte Verfahren fürs Tracking und die zielgerichtete Kundenansprache im Internet. Eine fraktionsübergreifende Koalition im EU-Parlament will "spionierende Werbung" mit Profiling und Microtargeting dagegen generell mit dem DSA aus Europa verbannt wissen. Der bisherige Ansatz ermögliche es den Plattformen technisch, "Menschen individuell mit persönlichen Botschaften und einem auf sie zugeschnittenen Timing so lange wie möglich vor dem Bildschirm zu halten" und auch Desinformation, Hass sowie Hetze an dafür empfängliche Gruppen zu senden.

Auch mit Blick auf unzulässige Werbung will Deutschland nachschärfen. Bei Inhalten Dritter stelle sich generell "die Frage nach einer Stärkung der Verantwortung insbesondere großer Plattformen". Dies gelte etwa auch für das Affiliate-Marketing, also die auftragsbezogene Weiterleitung von Kunden über verlinkte Seiten von Werbepartnern auf das entsprechende Portal.

E-Commerce-Plattformen und Online-Marktplätze sollen eine proaktivere Rolle beim Erkennen und Verhindern unzulässiger Werbung und illegalen Angeboten spielen, heißt es in dem Papier von deutscher Seite. Dies beziehe sich etwa auf nicht zugelassene oder rechtswidrige gehandelte Produkte, Angebote, die gegen das Verbraucherschutzrecht verstoßen, oder Plagiate. Gerade angesichts der zahlreichen negativen Erfahrungen in der Covid-19-Pandemie sei es unverständlich, "warum der Vorschlag keine entsprechenden Sorgfaltspflichten enthält". Gegebenenfalls sollte in solchen Fällen das Haftungsprivileg aus der E-Commerce-Richtlinie entfallen.

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Besonders geschützt wissen will die Bundesregierung Kinder und Jugendliche ferner gegenüber Empfehlungsalgorithmen. Vor allem solche Programmroutinen sehr großer Plattformen wie YouTube und Facebook bergen ihr zufolge die Gefahr, Gruppen von Nutzern und Märkten zu steuern und zu manipulieren. Die Betreiber sollten ihre Priorisierungssysteme daher nur noch mit der Einwilligung der Nutzer aktivieren dürfen. Das Erstellen von Profilen über Minderjährige sei auch hier auszuschließen. Hier plant die Kommission ähnliche Regeln zunächst über den Kodex gegen Desinformation.

Das Dokument enthält auf über 390 Seiten auch die Forderungen der anderen Mitgliedsstaaten. Frankreich will demnach bei dem geplanten Gremium der Regulierer sicherstellen, dass es nicht ähnliche Probleme mit der Durchsetzung der Vorgaben gibt wie im Europäischen Datenschutzausschuss im Zusammenhang mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Nationale Kontrolleure sollen so grenzüberschreitende Fälle in Eilfällen an sich ziehen können. Reagiert die zuständige Stelle etwa in Irland oder Luxemburg, wo Google, Facebook, Amazon & Co. ihren EU-Sitz haben, nicht binnen drei Wochen auf eine Beschwerde, könnte eine andere Aufsichtsbehörde eingreifen.

(olb)