Private Rundfunkanstalten erteilen Digitalradio DAB+ eine Absage

DAB+ soll eigentlich mit effizienterer Kodierung (HE-AACv2) das jahrelang vor sich hindümpelnde - und bereits mehrfach totgesagte - Digitalradio DAB ablösen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 230 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von

Die Mitglieder des Fachbereiches Radio und Audiodienste im Verband Privater Rundfunk Telemedien e.V. (VPRT) haben sich einstimmig gegen den für Herbst 2009 geplanten bundesweiten Start des DAB-Nachfolgers DAB+ ausgesprochen, für den die Rundfunkkommission der Länder Ende März grünes Licht gegeben hatte. DAB+ soll mit effizienterer Kodierung (HE-AACv2) das jahrelang vor sich hindümpelnde – und bereits mehrfach totgesagte – Digitalradio DAB ablösen.

Laut VPRT seien die von ihm geforderten Rahmenbedingungen eines marktgetriebenen Angebots bei DAB+ nicht erfüllt. Die erheblichen Einführungs- und Betriebskosten könnten von den privaten Radiounternehmen nicht aufgebracht werden – vor allem vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise bleibe keine Luft für derartige Risikoinvestitionen, heißt es in der Mitteilung. Der VPRT sieht daher "zum gegenwärtigen Zeitpunkt in DAB+ keine wirtschaftlich tragfähige Zukunft". Selbst bei maßgeblicher Förderung des Systems durch öffentliche Gelder und unter regulatorischem Druck bestünden mindestens für die nächsten fünf bis zehn Jahre nur geringe Chancen auf eine Teil-Refinanzierung aus dem Markt.

Der Entscheidung vorausgegangen sei nach Mitteilung des VPRT eine umfassende Analyse und Bewertung der Rahmenbedingungen, der marktlichen Chancen und Risiken der Systemeinführung von DAB+ in Deutschland sowie der Situation der Einführung von DAB/DAB+ in den europäischen Nachbarstaaten. Bereits im Laufe des vergangenen Jahres hatten die Privaten die Zahl ihrer DAB-Angebote auf die Hälfte reduziert und im Gegenzug ihre Internetangebote weiter ausgebaut.

Auch sehen die VPRT-Mitglieder bei einer Frequenzneuordnung und einer von ihnen geforderten Privatisierung des ARD-Sendernetzbetriebs weiterhin hohes Entwicklungspotenzial für UKW, das eigentlich 2015 abgeschaltet werden soll. Freilich sei die Zukunft des Radios auch digital, sodass die in dem Verband organisierten Unternehmen es für notwendig erachten, die "wertvollen Frequenzen des Bandes III für digitale Entwicklungsperspektiven zu sichern". Dabei müssten jedoch Rundfunk und Telemedien/Internet in einem Netz und in den zukünftigen Endgeräten integriert werden.

Ob die Öffentlich-Rechtlichen wie bei der Ende 2008 abgeschlossenen Digitalisierung des Antennenfernsehens mittels DVB-T einen Alleingang wagen, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich bestünde weiterhin die Möglichkeit, zumindest stationär digitales Radio über DVB-T zu ermöglichen. Um die Chancen des seit Jahren umherdümpelnden Digitalradios DAB zu wahren, gibt es DVB-T-Radio hierzulande nur in Berlin. Unter anderem der Technikdirektor des Bayerischen Rundfunks, Herbert Tillmann, begründete dies auf der IFA 2008 damit, dass das Radio der Zukunft einen eigenen Vertriebsweg brauche, DVB-T, DVB-H und das Internet könnten nur Dreingaben sein.

Die Mitglieder des VPRT fühlen sich von den ARD-Anstalten unter Druck gesetzt, die ihrer Meinung nach die DAB+-Einführung durch die Abschaltung von UKW forcieren wollen. Dadurch würde den privaten Radiounternehmen die Geschäfts- und Lebensgrundlage genommen, Investitionen und Arbeitsplätze vernichtet und der Medienvielfalt im dualen Rundfunksystem der Boden entzogen.

Tatsächlich dürften die Mitglieder des VPRT nicht nur die durch einen Umstieg anfallenden Investitionskosten fürchten. Die Digitalisierung des Radios bringt nämlich für die bislang gut verdienenden Regionalradios auch nicht erwünschte Konkurrenz. Der Werbekuchen im Radiomarkt hat eine beschränkte Größe: Je mehr Mitspieler, desto weniger bleibt für den einzelnen übrig. Das Horrorszenario für die Privaten wäre eine bundesweite Verbreitung der über 50 regionalen Hörfunkprogramme des ARD-Verbunds – bei DAB+ sollten diese daher nur regional vertreten sein. Doch bundesweit ausgeschriebene DAB+-Frequenzen dürften auch internationale Interessenten auf den Plan rufen, die mit privaten Spartenangeboten für zusätzliche Konkurrenz sorgen würden. (vza)