Privatsender fĂĽrchten "Expansion" von ARD und ZDF im Internet

Das RundfunkgebĂĽhrenurteil des Bundesverfassungsgericht ist bei Politikern und in der Wirtschaft auf geteilte Meinungen gestoĂźen. FDP und die Privaten fordern eine klare Fassung des Grundauftrags der Ă–ffentlich-Rechtlichen.

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Das Rundfunkgebührenurteil des Bundesverfassungsgerichts ist bei Politikern, Medienverbänden und in der Wirtschaft auf geteilte Meinungen gestoßen. SPD, Grüne und Gewerkschaften begrüßten die Entscheidung aus Karlsruhe. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk könne seine grundlegende Funktion für die demokratische Ordnung nur "mit einer unabhängigen und im Kern von Politik unbeeinflussten Finanzierung" erfüllen, teilten die SPD-Medienexperten Monika Griefahn und Jörg Tauss mit. Aus bundespolitischer Sicht steht es für die Sozialdemokraten außer Zweifel, "dass ein leistungs- und zukunftsfähiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk für eine freie Informations- und Meinungsbildung in einer demokratischen Öffentlichkeit unverzichtbar ist". Zudem hätten die Verfassungsrichter vor einer "Erosion der Identifizierbarkeit" der Öffentlich-Rechtlichen gewarnt. Nun gelte es, auch im digitalen Bereich zur Bestands- und Entwicklungsgarantie von ARD und ZDF zu stehen.

Die medienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Grietje Bettin, sprach von einer "Watsche für die Bundesländer und einem Sieg für die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland". ARD und ZDF hätten im dualen System die Aufgabe, den Bürgern "ein vielfältiges, von wirtschaftlichen Zwängen freies Programm anzubieten – und zwar auch im digitalen Bereich", unterstützte die Oppositionspolitikerin die umstrittene Digitalstrategie der beiden Sender. Bettins Kollege von der Linksfraktion, Lothar Bisky, sieht die Rundfunkfreiheit und die Staatsferne der Öffentlich-Rechtlichen gestärkt. Die Entscheidung sorge auch dafür, dass niemand nachzahlen müsse. Mit den Beiträgen der Zuschauer sei sparsam umzugehen, um den "schleichenden Akzeptanzverlust der öffentlich-rechtlichen Programme" zu stoppen.

Experten der Unionsfraktion halten im Zusammenhang mit der Diskussion um die Einführung einer Mediengebühr angesichts des Urteils "einen Systemwechsel hin zu einer Rundfunksteuer oder Haushaltsabgabe für problematisch". Für sie lautet die Lehre aus Karlsruhe: "Es sollte bei dem jetzigen System bleiben." Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk müsse es zwar Entwicklungsmöglichkeiten im Online-Bereich geben. Diese dürften aber den "Charakter als Sender für die Grundversorgung nicht verletzen".

Das Verfassungsgericht hatte zuvor entschieden, dass die jüngste Erhöhung der Rundfunkgebühr in Deutschland zu gering ausgefallen ist. Die derzeit zu berappenden 17,03 Euro monatlich seien in verfassungswidriger Weise festgelegt worden. Die Bundesländer hätten mit teilweise nicht nachvollziehbaren Gründen bei der Gebührenfestsetzung Einfluss genommen. Das Verfahren habe damit die Rundfunkfreiheit verletzt. Das Gericht gab damit den Verfassungsbeschwerden von ARD, ZDF und Deutschlandradio statt.

Landespolitiker machen derweil gute Miene zur Kritik aus Karlsruhe und legen den Wink in ihrem Interesse aus: "Der Rundfunkgesetzgeber hat weite Spielräume, die deutlich verstärkt worden sind", sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD). Sein Kollege aus Baden-Württemberg, Günther Oettinger (CDU), bekräftigte, dass die Länder keine reine "Notarfunktion" hätten. Mit einer präzisen Begründung könnten sie zugunsten der Gebührenzahler Vorschläge der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) korrigieren. Auch laut Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber hat Karlsruhe die Haltung der Länder bestätigt, Anwalt der Interessen der Gebührenzahler zu sein. Der CSU-Politiker begrüßte vor allem die "klare Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass der Gesetzgeber die Gesamtbelastung der Bürger bei der Gebührenhöhe berücksichtigen darf".

Die FDP-Bundestagsfraktion und der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) mahnten zugleich eine rasche Neubestimmung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags an. "Die Bundesländer müssen jetzt endlich handeln und im Einklang mit Vorgaben der EU-Kommission einen präzisen öffentlich-rechtlichen Funktionsauftrag im Rundfunkstaatsvertrag verankern", forderten die FDP-Medienpolitiker Hans-Joachim Otto und Christoph Waitz. Dabei seien Schwerpunkte auf die Bereiche Kultur, Bildung und Information zu legen. Nur wenn klar sei, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk leisten solle und was nicht, sei eine staatsferne Gebührenfestsetzung für jeden nachvollziehbar und transparent.

Für VPRT-Chef Jürgen Doetz kommt es nun vor allem auf die Verdeutlichung an, "dass Karlsruhe nicht als Freibrief für eine ungehinderte digitale Expansion zu Lasten des Gebührenzahlers missverstanden wird". Erst wenn die Politik den Grundversorgungsauftrag für ARD und ZDF klar vorgebe, könne eine Gebührenfestsetzung "in geordneten Bahnen verlaufen". Tobias Schmid, Bereichsleiter Medienpolitik bei RTL Television, warnte von "ausufernden Gebührenforderungen" der Öffentlich-Rechtlichen, wenn ihre Aufgaben nicht genauer gefasst würden.

ARD und ZDF sagten Ende vergangener Woche zu, künftig genauer auf den gesellschaftlichen Nutzen ihrer Programme zu achten und Auswirkungen auf den Medienmarkt zu prüfen. Vor allem neue Angebote im Internet und anderen digitalen Medien würden demnach einen so genannten Public-Value-Test durchlaufen. Damit soll geklärt werden, ob das Programm dem Versorgungsauftrag dient und aus Gebühreneinnahmen finanziert werden darf. Auf diese Regelung haben sich die Senderchefs von ARD und ZDF, Fritz Raff und Markus Schächter, mit den Staatskanzleien von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg geeinigt. Als Vorbild dient ein entsprechender Standard der BBC. Konkret soll hierzulande eine Kommission darauf achten, dass ein Konzept einen öffentlichen Mehrwert schafft. Im Rahmen eines Anhörungsrechts sollen auch Privatsender Stellung nehmen können. Am Ende sollen die Länder entscheiden, ob ein Projekt mit den rechtlichen Vorgaben vereinbar ist.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (jk)