Regulierungsferien für Telekom: Berlin droht Niederlage
Die EU-Kommission hatte die Bundesregierung verklagt, weil Berlin der Telekom zumindest zeitweise erlauben wollte, nach dem milliardenschweren Ausbau des Breitbandnetzes die neuen Netze Wettbewerbern vorzuenthalten.
Im Fall der umstrittenen Regulierungsferien für die Deutsche Telekom beim Aufbau des Breitbandnetzes droht Deutschland eine Niederlage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). In seinem Schlussantrag schlug Generalanwalt Miguel Poiares Maduro den obersten EU-Richtern vor festzustellen, dass die Bundesrepublik mit den entsprechenden Änderungen im Telekommunikationsgesetz (TKG) gegen Europarecht verstoßen habe. Üblicherweise folgt der EuGH den Empfehlungen des Generalanwalts. (Rechtssache C-424/07).
Die Europäische Kommission hatte die Bundesregierung 2007 vor dem EuGH verklagt, weil Berlin dem Bonner Konzern zumindest zeitweise erlauben wollte, nach dem milliardenschweren Ausbau des Breitbandnetzes die neuen Netze Wettbewerbern vorzuenthalten. Auch in den jüngsten Beratungen zum EU- Konjunkturpaket hatte sich die Bundesregierung für Investitionsanreize in Form gelockerter Wettbewerbsregeln für die Deutsche Telekom eingesetzt. Berlin ist der größte Anteilseigner an dem Ex-Monopolisten.
Nach Firmenangaben kostet der Ausbau der Netze in Deutschland in den kommenden 10 bis 15 Jahren bis zu 50 Milliarden Euro. Nach Einschätzung der EU-Kommission gibt es in Deutschland insbesondere auf dem Land nicht genug Breitbandversorgung.
In seinem Schlussantrag stellte der Generalanwalt fest, dass die im Februar 2007 in Kraft getretenen Änderungen am TKG unter anderem die zuständige Regulierungsbehörde – die Bundesnetzagentur – zwingen sollten, bei ihren Entscheidungen "insbesondere das Ziel der Förderung von Infrastrukturinvestitionen und Innovationen zu berücksichtigen". "Offenbar hatte sich vor Erlass dieser Änderungen der etablierte deutsche Telekommunikationsbetreiber (Deutsche Telekom) dafür eingesetzt, das Breitbandnetz, dessen Bau er plante, von Regulierungseingriffen (nämlich Zwangszugang zu regulierten Preisen) freizustellen", hieß es.
Zwar warf Poiares Maduro den Brüsseler Wettbewerbshütern "ungestümes Vorgehen" im Lauf des Vertragsverletzungsverfahrens vor. Dennoch sei die Klage zulässig. Es gehe um die letztlich "politische Entscheidung", ob mittels eingeschränkter Regulierung und einer Duldung von "beträchtlicher Marktmacht" Infrastrukturinvestitionen begünstigt werden sollten. Diese Entscheidung könne Deutschland deshalb nicht mehr treffen, weil auf EU-Ebene bereits eine Regulierung des Sektors beschlossen worden sei.
Auch das Argument der Bundesregierung, die "neuen Märkte" wie das Breitbandnetz unterlägen laut dem EU-Rechtsrahmen für den Telekommunikationssektor nicht der Regulierung, sei falsch. Selbst wenn Deutschland ins Feld führe, es gebe lediglich der Bundesnetzagentur vor, das Ziel der Investitionsförderung vorrangig zu berücksichtigen ("Vorstrukturierung"), so sei dies nicht erlaubt.
Die Richter können keine direkten Änderungen in nationalen Gesetzen erzwingen. Sollte sich Deutschland nicht an das anstehende Urteil halten und die EU-Kommission erneut Klage erheben, könnte der EuGH am Ende eines zweiten Prozesses hohe Buß- oder Zwangsgelder verhängen.
Siehe dazu auch:
- Brüssel klagt wegen Regulierungsferien für die Telekom
- Bundestag verabschiedet Telekommunikationsgesetz
(jk)