Richter: Microsoft nicht vertrauenswürdig und ohne Schuldbewusstsein

Hintergrund: Richter Thomas Penfield Jackson übt in seiner Urteilsbegründung im Verfahren gegen Microsoft drastische Kritik am Gebahren des Konzerns.

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Von
  • Jürgen Kuri

Richter Thomas Penfield Jackson, Vorsitzender des Bezirksgerichts von Washington DC, das die Kartell-Klage des US-Justizministeriums und 19 amerikanischer Bundesstaaten gegen Microsoft verhandelte, wirkt mit seinem silbergrauen Haar und seinem rundlichen Gesicht wie ein gemütlicher Rentner. Doch er zeigte sich als knallharter Vorsitzender, der auch offen seinen Ärger über das teilweise selbstsichere Auftreten der Microsoft-Manager oder ihrer Anwälte im Prozess zeigte. So warf er Bill Gates, Übervater von Microsoft, während seiner Zeugenaussage im Kartellprozess vor, er sei ja wohl nicht besonders aussagewillig. Auch vor deftigen Aussagen scheut Jackson, den Freunde als gutmütigen Konservativen mit einer ausgeprägten Schwäche für Underdogs und einer Abneigung gegen Arroganz beschreiben, nicht zurück.

Auch in Memorandum and Order, dem Dokument, das den eigentlichen Urteilsspruch (Final Judgment) begleitet und das man als Urteilsbegründung bezeichnen kann, findet der Richter deutliche Worte. Jackson legt dar, warum er den Antrag der Kläger, Microsoft in zwei Unternehmen aufzuspalten und bis zur Realisierung dieser Zerschlagung mit bestimmten Verhaltensregeln zu belegen, akzeptiert hat – und warum er keine weiteren Anhörungen und Verhandlungen zulässt, sieht man von der Berufungsmöglichkeit ab. Und Richter Jackson hofft offensichtlich, dass die Berufungsinstanz diese Urteilsbegründung aufmerksam liest – in der Erwartung, dass sie ihm daraufhin Recht gibt.

Auf dem Prüfstand

"Microsoft, so, wie der Konzern bis heute organisiert ist und geführt wird, ist nicht bereit anzuerkennen, dass die Firma das Gesetz gebrochen hat, oder einer Entscheidung zuzustimmen, die das Verhalten der Firma bessert", meinte Jackson in der Urteilsbegründung. Trotz der Tatsachenfeststellungen und ihrer juristischen Bewertung, in denen das Gericht zum Schluss kam, Microsoft habe die Wettbewerbsgesetze verletzt, gebe Microsoft bis heute nicht zu, dass die Geschäftspraktiken der Firma gegen diese Gesetzte verstoßen haben. Microsoft-Offizielle hätten auch in letzter Zeit öffentlich immer wieder betont, der Konzern habe nichts Falsches getan. "Es ist nun an der Zeit, diese Behauptung auf den Prüfstand zu stellen. Falls sie wahr ist, sollte das Berufungsgericht so schnell wie möglich die Chance bekommen, dies zu bestätigen", meint Jackson zur Begründung des von ihm aufgestellten engen Zeitplans, der Microsoft vier Monate Frist gibt, einen Plan zur Aufteilung des Konzerns vorzulegen.

Trotz aller Versuche in den letzten Monaten, eine Lösung zu finden, habe Microsoft nur mit der summarischen Zurückweisung aller Vorschläge zur strukturellen Umorganisation der Firma geantwortet und zusätzliche Zeit nur gefordert, um gegen Lösungsvorschläge vorzugehen. "Die von Microsoft gezeigte Überraschung ist nicht glaubwürdig", meint Jackson zu den Kommentaren der Firmen-Anwälte, die Tatsachenfeststellungen und das Urteil des Gerichts würden Microsoft auf dem falschen Fuß erwischen. "Trotz ihrer Überraschung waren Microsofts Anwälte sehr schnell in der Lage, eine 35-seitige Beweisvorlage einzureichen, die Aussagen von 16 Zeugen im Detail zusammenfasste, warum der Antrag der Kläger in seiner Gesamtheit eine schlechte Idee sei", kommentierte Jackson lapidar. Microsoft musste nach Ansicht des Richters davon ausgehen, dass der Antrag der Kläger, sollten die Vergleichsverhandlungen scheitern, kaum zu Gunsten des Konzerns ausfallen würde: "[Microsofts] Versagen, dies vorauszusehen und sich darauf vorzubereiten, begründet in keiner Weise, ihnen jetzt die Gelegenheit zu geben, das nachzuholen."

Oh wie so trügerisch...

Harte Worte findet der Richter für die Vorschläge, die Microsoft selbst für ein abschließendes Urteil im Verfahren eingereicht hat. "Es gibt zuverlässige Beweise in den Dokumenten, dass Microsoft, überzeugt von seiner Unschuld, seine Geschäfte so weiterführen wird wie in der Vergangenheit und sich in anderen Märkten genauso verhalten wird, wie es das schon in den Märkten für PC-Betriebssysteme und Web-Browser getan hat", stellt Jackson fest. Microsoft habe keine Bereitschaft gezeigt, sein Geschäftsgebahren signifikant zu ändern. Der Konzern habe schließlich sogar angekündigt, die bescheidenen Vorschläge, die Microsoft selbst als Lösung für das Verfahren eingereicht habe, vor einem Berufungsgericht anzufechten.

Zudem: "Microsoft hat sich schon in der Vergangenheit als nicht vertrauenswürdig erwiesen", heißt es in der Urteilsbegründung von Jackson. In früheren Verfahren, in denen eine vorläufige Entscheidung gefallen war, seien Microsofts angebliche Befolgung der Urteile trügerisch und die Erklärungen unaufrichtig gewesen.

Den Vorwurf Microsofts, der Antrag der Kläger auf Zerschlagung des Konzerns in zwei Teile sei "vage und mehrdeutig", hebelt Jackson dagegen geschickt aus. Er weist ihn nicht etwa zurück, sondern erklärt den Managern in Redmond, dies sei doch von Vorteil für sie: Der Antrag sei schließlich laut den Klägern absichtlich so gehalten, um Microsoft die Gelegenheit zu geben, die Details selbst festzulegen, sodass die Geschäfte des Konzerns am wenigsten gestört werden. Außerdem meint Jackson: "Die Kläger haben den Fall gewonnen, und aus diesem Grund allein haben sie einen gewissen Anspruch auf ein Urteil nach ihren Vorstellungen." Die Regierungsbeamten, die das vorgeschlagene Urteil ausgearbeitet hätten, seien zudem allein durch ihre Stellung dazu verpflichtet, besonders das öffentliche Interesse zu beachten und danach zu handeln, Microsoft dagegen nicht.

Zielgerichtet

"Das vorgeschlagene endgültige Urteil kann nach Ansicht des Gerichts alle grundsätzlichen Ziele für Lösungen in solchen Fällen erreichen, namentlich die Beendigung gesetzwidrigen Verhaltens, die Verhinderung seiner Wiederholung in der Zukunft und die Wiederbelebung der betroffenen Märkte. Microsofts Alternativvorschlag ist schlicht und einfach in allen drei Aspekten unangemessen", meint Richter Jackson.

Und er schließt seine Urteilsbegründung: "Das endgültige Urteil ist möglicherweise drastischer als das Ergebnis, wenn die Vergleichsverhandlungen erfolgreich gewesen wären und in einer gütlichen Einigung geendet hätten. Es ist jedoch darauf ausgerichtet, stufenweise in Kraft gesetzt zu werden, sodass die Auswirkungen überprüft werden können, während das Berufungsverfahren läuft und bevor es vollständig umgesetzt ist." (jk)