RoboCup-WM 2008: Durchatmen vor dem Finalwochenende

Verdächtigungen wegen unfairer Spielweise beim RoboCup Junior erwiesen sich als weitgehend haltlos, zeigen jedoch die Notwendigkeit einer Regelanpassung. Bald sollen auch Livebilder der Veranstaltung im Internet zu sehen sein.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Am drittletzten Tag des Turniers ging es heute bei der RoboCup-WM in Suzhou erstaunlich ruhig und unaufgeregt zu. In der Humanoid League gab es lediglich am Vormittag einige Spezialwettbewerbe (Technical Challenges), danach war der Tag spielfrei. Für die Teams, die noch im Wettbewerb sind, eine willkommene Gelegenheit, sich für die morgen beginnenden Viertelfinalspiele vorzubereiten.

Andere nutzten die Spielpausen für die Präsentation neuer Ideen. So waren auf einem Spielfeld der Small Size League auf einmal mehrere humanoide Roboter zu sehen. Wie die radgetriebenen Small-Size-Roboter hatten sie auf dem Kopf quadratische Platten mit farbigen Symbolen, um sie auf dem Bild der über dem Spielfeld hängenden Kamera unterscheidbar zu machen. "Es soll eine Ergänzung zur Small Size League werden", erläutert Yasuhiro Masutani von Osaka Electro-Communication University. "Wir verwenden dafür den kommerziellen Roboter Kondo." Er wird über Funk von Computern am Spielfeldrand gesteuert, die dafür die Bilder der Kamera auswerten, die stets das gesamte Spielfeld im Blick hat ("Global Vision").

Durchatmen vor dem Finalwochenende (4 Bilder)

RoboCup-WM 2008

Roboter mit Hütchen: Die über "Global Vision" gesteuerten Kondo-Roboter sollen eine neue Unterliga in der Small Size League werden - wenn sich genügend Mitspieler finden.

Masutani zufolge haben die Trustees der International RoboCup Federation der Einrichtung dieser neuen Unterabteilung der Small Size League prinzipiell zugestimmt. Wenn sich mindestens vier Teams finden, die sich daran beteiligen, könnten bereits bei der nächsten RoboCup-WM in Graz Spiele stattfinden. Bei der heutigen Präsentation fielen die Spieler noch häufig hin. Auch der von Masutani mehrmals angekündigte Einwurf klappte nicht. Wer auf YouTube den Suchbegriff "Humanoid SSL" eingibt, kann aber immerhin dort in einem Video bewundern, wie ein von einem humanoiden Roboter ausgeführter Einwurf aussieht.

Die Institution "Tor des Monats" gibt es beim RoboCup noch nicht. Ansonsten wäre der Treffer ins kurze Eck, den ein Nao-Roboter der BreDo Brothers erzielte, ein aussichtsreicher Kandidat. Die Teammitglieder versprachen, Videoaufnahmen davon auf die Team-Homepage zu stellen, sobald es die hier stets etwas wackelige Internetverbindung erlaubt.

Im Vorfeld der RoboCup-WM gab es Bestrebungen, in deutsch-chinesischer Kooperation einen Live-Webcast oder zumindest regelmäßige Videoberichte zu realisieren. Leider ist nichts daraus geworden. Inzwischen scheinen die Veranstalter aber eine andere Lösung gefunden zu haben. Heute wurde über eine RoboCup-Mailingsliste ein Link verschickt, unter dem Live-Bilder vom RoboCup zu sehen sein sollen. Unter einer anderen Adresse ist eine Bildergalerie angelegt worden.

Ganz ohne Aufregung ging es natürlich auch an diesem ruhigen Tag nicht ab. In der Junior Soccer League wurden schwere Vorwürfe erhoben: Mehrere chinesische Teams, so hieß es, hätten einen kommerziell erhältlichen Roboter mit vorinstallierter Software verwendet. Damit würden sie andere Teams, die ihre Roboter selbst gebaut und programmiert haben, an die Wand fahren.

Ein fertig montierter und programmierter Roboter würde in der Tat den Regeln beim RoboCup Junior widersprechen. Nachforschungen der Wettbewerbsleiter ergaben jedoch, dass es ganz so schlimm dann doch nicht ist. Der von 26 – nicht nur chinesischen – Teams verwendete Bausatz der Firma JoinMax in Guangzhou lässt beim Zusammenbau durchaus verschiedene Varianten zu. Ähnlich wie der von deutschen Teams zumeist verwendete Bausatz von Lego Mindstorms bietet das chinesische Gegenstück eine einfache grafische Programmieroberfläche, ermöglicht aber auch die Programmierung in C-Sprachen.

"Wir haben mit allen Teams noch einmal Interviews geführt", sagt Martin Bader, Leiter des Junior-Soccer-Wettbewerbs. "Dabei zeigte sich, dass zwei Teams ihre Systeme überhaupt nicht verstanden. Die wurden daraufhin disqualifiziert." Die übrigen Teams dürfen weiterspielen.

Die Verdächtigungen zeigen, dass auch beim RoboCup Junior das Regelwerk, ähnlich wie in den Seniorligen, der technischen Entwicklung angepasst werden muss. Wenn sich verschiedene Roboterbausätze hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit so sehr unterscheiden, dass kein fairer Wettbewerb mehr gewährleistet werden kann, muss das durch entsprechende Einschränkungen in den Spielregeln aufgefangen werden. Die Diskussionen darüber haben jetzt begonnen.

Vorwürfe unfairer Spielweise wurden auch in der Junior Rescue League erhoben. Hier müssen die Roboter einer schwarzen Linie folgen und durch Strichmännchen symbolisierte "Opfer" finden. Das Mitglied eines deutschen Rescue-Teams zeigte ein Foto vom Programm-Code eines Konkurrenzteams, in dem ausschließlich Motorbefehle zu sehen waren. Sensorinformationen wurden dagegen offenbar überhaupt nicht verarbeitet. Sollte dieses Team vorab Informationen über die Strecke bekommen haben?

Martin Bader verneint das. "Es kann natürlich sein", räumt er ein, "dass jemand die Strecke fotografiert hat. Aber das würde wenig nützen, denn es gibt ja Radschlupf. Der Roboter würde daher von der Strecke abweichen, selbst wenn ihm die exakten Daten einprogrammiert wären." Auf der oberen Ebene der aus zwei Ebenen bestehenden Rescue-Arena sind zudem Zahnstocher verteilt, die die Fahrt zusätzlich erschweren. Ohne die Verarbeitung von Sensorinformationen gibt es hier überhaupt kein Durchkommen.

"Unser Roboter benutzt dafür einen Kompass", sagt Christiane Teichmeier vom Bremer Team Hoppus. Damit qualifizierten sich die Schülerinnen und Schüler des Schulzentrums Walle bei den RoboCup German Open im April für die Teilnahme an der Weltmeisterschaft und haben jetzt gute Chancen auf einen Platz auf dem Siegertreppchen. Endgültig entscheiden wird sich das morgen, wenn die Junioren ihre Finalspiele austragen – einen Tag vor den Senioren.

Zur RoboCup-WM 2008 siehe auch:

(Hans-Arthur Marsiske) / (pmz)