Schufa will neues Scoring einführen
Deutschlands größte Wirtschaftsauskunftei hat ein neues Scoring für Verbraucher angekündigt. Es soll Ende 2025 kommen und erheblich transparenter werden.

(Bild: nitpicker/Shutterstock.com)
Deutschlands größte Wirtschaftsauskunftei Schufa plant ein neues Berechnungsverfahren für die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern. Es soll deutlich transparenter und nachvollziehbar als die bisher verwendete Formel von 2016 sein. Derzeit laufe eine Testphase, die Einführung sei für das vierte Quartal 2025 geplant, teilte die Schufa am Donnerstag mit. In einer auf zwei Jahre veranschlagten Übergangsphase sollen dann das bisherige und das neue Berechnungsverfahren parallel zum Einsatz kommen.
Der neue Punktwert („Score“), in dem sich die Kreditwürdigkeit ausdrückt, soll nach Angaben des Unternehmens ebenso wie dessen Berechnung deutlich transparenter ausfallen als bisher. An die Stelle eines Prozentwertes möchte die Schufa einen Punktwert setzen. Dabei will sie auch die Berechnungsformel offenlegen, nach eigener Darstellung als erste Auskunftei der Welt. Verbraucher sollen außerdem in der Lage sein, den Einfluss einzelner bei der Schufa gespeicherter Vertragsdaten auf den Score – beispielsweise eines Girokontos oder eines Ratenkredits – auch mit wenig mathematischem Wissen nachzuvollziehen.
Leicht einsehbar und gut verständlich
Damit Verbraucher ab Ende 2025 den neuen Score einsehen können, müssen sie sich beim Dienst „Bonify“ der Schufa-Tochter Forteil registrieren, der sowohl eine App als auch eine Website für den Browser anbietet. Der Service bleibt kostenlos. Als Alternative will die Schufa zudem ein ebenfalls kostenloses Angebot unter eigener Flagge auflegen. In beiden Fällen soll die eID des elektronischen Personalausweises das Mittel der Wahl für die erforderliche Identifizierung werden, die Auskunftei erwägt jedoch auch andere Wege wie einen per Post versandten Freischaltcode. Die Schufa erwägt außerdem, bestimmte, aber noch nicht näher benannte Zusatzleistungen wie bisher mit einem Preisschild zu versehen.
(Bild: Schufa)
In der App oder im Browser erhalten Nutzer den Score dargestellt. Dabei handelt es sich um einen sogenannten monotonen Risikoverlauf, in dem einzelne Risikobestandteile wie etwa eine Kreditkarte einen bestimmten Punktwert erhalten. KI oder komplexe Formeln will die Schufa nicht nutzen. In einem Prototyp, den die Schufa auf einer Pressekonferenz vorführte, drückte sie den Gesamtscore dann mit einem Punktwert von 0 bis 999 aus.
Die Vertreter der Auskunftei betonten jedoch, dass diese Variante noch nicht endgültig beschlossen sei. Dasselbe gilt für die Wirkung einzelner Verträge sowie Zahlungsstörungen, die die Schufa in ihrer Datenbank führt. Diese soll man über den Dienst nicht nur einsehen können. Ein „Erklärtool“ enthält neben Erläuterungen auch den konkreten Punktwert. Dieser soll das Gewicht ausdrücken, mit dem sich einzelne Verträge oder Zahlungsstörungen auf den Score auswirken.
Das Berechnungsverfahren, das die Schufa vorstellte, wäre tatsächlich einfach nachzuvollziehen. In ihrem Prototyp hätte man beispielsweise 80 Punkte erhalten, wenn dort kein Ratenkreditvertrag gemeldet ist. Bei einem Ratenkredit wären es nur noch 40 Punkte gewesen, bei zwei Ratenkrediten 25 und bei weiteren gar keine Punkte mehr. Ein acht Jahre alter Bankvertrag hätte weitere 50 Punkte gebracht, eine seit acht Jahren geführte Kreditkarte 60 Punkte und ein störungsfreies Zahlungsverhalten gewissermaßen als Sockel 260 Punkte. Die einfache Addition dieser Punktwerte ergäbe am Ende den Score.
Zusätzlich soll man in den einzelnen Kriterien angezeigt bekommen, wie sich das eigene Verhalten auf die Punktwerte auswirkt. So würde man mit einem neu eröffneten Girokonto nach einem Wechsel zunächst bei Null starten. Der Punktwert würde nach den ersten Monaten ohne Zahlungsstörungen erstmals steigen, bis er nach 20 Jahren seinen Höchstwert erreicht.
(Bild: Schufa)
Zahlreiche Vereinfachungen
Um Transparenz und Verständlichkeit bei möglichst vielen Verbrauchern zu schaffen, will die Schufa außerdem die bisher sechs Branchen-Scores sowie den Basisscore in einem Score zusammenfassen. Das soll Unklarheiten beseitigen: Bisher können Verbraucher nur den sogenannten Basisscore mit Stand zu Quartalsbeginn kostenlos über Bonify einsehen. Abonnenten des kostenpflichtigen Dienstes „Meine Schufa“ bekommen den Basisscore zwar tagesaktuell, für eine Einsicht in die Branchen-Scores müssen sie aber ebenso gegen Zusatzentgelt eine „Bonitätsauskunft“ bestellen wie alle anderen, die diese Scores erfahren wollen.
Der Basisscore hat dabei den Nachteil, dass er nur einen Anhaltswert darstellt und die Kreditwürdigkeit in einer der sechs Branchen Banken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Telekommunikation, Versandhandel und Handel anders ausfallen kann – und jemand in der Folge trotz guten Basisscores beispielsweise keinen Handyvertrag bekommt. Der neue einheitliche Score soll hingegen für Verbraucher wie Unternehmen mehr Klarheit schaffen.
Die Schufa will darüber hinaus die Zahl der Kriterien, die in den Score einfließen, und damit die Komplexität drastisch verringern. Von den bisher 250 möglichen Parametern, davon allein 100 der Branchen-Scores, sollen künftig noch zwölf übrig bleiben. Dabei handelt es sich laut Schufa um die aussagekräftigsten Kriterien für die Prognose, ob jemand einen Kredit oder eine Rechnung auch tatsächlich begleicht.
Außerdem will die Auskunftei die Gewichtung von Anfragen senken, sie sollen zudem auf erheblich weniger Parameter (Kriterien) als bisher wirken. Reine Kredit-, Leasing- und Hypothekenanfragen sollen überhaupt nicht mehr auf den Score wirken. Vertragsanbahnung und tatsächlicher Vertragsabschluss einer Institution will die Schufa künftig nicht mehr doppelt zählen. Mehrfachanfragen innerhalb von 28 Tagen, beispielsweise beim Vergleich über Vergleichsplattformen, sollen ebenfalls keinen negativen Einfluss haben. Die Schufa nannte als Beispiel einen Verbraucher, der Kreditkonditionen vergleicht und schließlich konkrete Kreditaufnahmeanfragen stellt. Erfolge dies innerhalb von 28 Tagen, würden die verschiedenen Anfragen und der tatsächlich gewählte Kredit so behandelt, als hätte man den Kredit nur bei einer Bank angefragt und abgeschlossen.
Die Schufa betont, dass diese Reduktion die Qualität der Prognose, ob jemand seinen Zahlungsverpflichtungen voraussichtlich nachkommt, nicht verwässere. Dazu verweist die Auskunftei auf den Gini-Koeffizienten. Der sagt in der Statistik aus, wie groß der Anteil richtig und falsch vorhergesagter Zahlungsausfälle am Ende gewesen ist. In ersten Tests habe er bei einem Wert von 60 gelegen, was tatsächlich ein sehr guter Wert wäre.
(Bild: Schufa)
Testphase und Start
Noch nicht klar ist, wie es mit den etwa 50 individuellen Scores weitergeht, die einzelne Unternehmen nur für ihre eigenen Kunden von der Schufa berechnen lassen. Diese stellen zusammen etwa ein Drittel aller Anfragen zur Kreditwürdigkeit von Verbrauchern bei der Schufa. Die übrigen zwei Drittel nutzen den jeweiligen Branchen-Score. Derzeit testen 17 Banken und Unternehmen das neue Berechnungsverfahren oder wollen zeitnah damit beginnen.
Laut Schufa ist außerdem der Verbraucherbeirat eingebunden, darüber hinaus seien Verbraucher- und Datenschutzorganisationen sowie der Hessischen Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) konsultiert worden. Das Fraunhofer-Institut für intelligente Analyse- und Informationssysteme habe zudem die Wissenschaftlichkeit der Entwicklung und Prüfung des neuen Scores und die erforderliche Signifikanz der verwendeten Daten bestätigt.
Sobald eine „kritische Masse“ an Unternehmen mit dem neuen Score arbeite, solle er dort den bisherigen Score ablösen und für Verbraucher zugänglich werden. Als „kritische Masse“ bezeichnete die Schufa den Moment, in dem etwa ein Viertel der Unternehmenskunden den neuen Score verwenden und diese mindestens ein Viertel der Unternehmensanfragen stellen. Sie erwartet diesen Zeitpunkt gegen Ende des vierten Quartals 2025. Die übrigen Unternehmen können weiterhin das alte Scoreverfahren verwenden. Dessen Abschaltung erwartet die Auskunftei nicht vor Ende 2027.
Aus unterrichteten Kreisen hieß es dazu, dass einige Unternehmen dem neuen Verfahren noch skeptisch gegenüberstehen. Hinzu kommt, dass insbesondere Banken umfangreiche gesetzliche Vorgaben wie die DSGVO oder die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) einhalten und sich mit den zuständigen Behörden wie Datenschutzbeauftragten oder der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) abstimmen müssen.
Hintergrund
Mit dem neuen Score und der sehr weitgehenden Transparenz reagiert die Schufa nach eigenen Angaben auf den Wunsch vieler Menschen nach informeller Selbstbestimmung im digitalen Zeitalter. Sie wolle aber auch dem veränderten Konsumverhalten vieler Menschen Rechnung tragen, das sich beispielsweise durch vermehrten Rechnungskauf, kleine Konsumentenkredite und „Buy now, pay later“ ausdrückt.
Weiter heißt es, die Auskunftei könne ihre „bedeutende Position am Markt nur sichern“, wenn sie „den Erwartungen der Menschen nach mehr Transparenz, Einfluss und Kontrolle und den sich seit längerem abzeichnenden Anforderungen aus der Regulierung“ entspreche. Damit deutet die Schufa an, dass sie in den vergangenen Jahren deutlich stärkerem Druck durch die Zivilgesellschaft, Verbraucher- und Datenschützer (einschließlich des HBDI), die Politik und nicht zuletzt durch Gerichte ausgesetzt ist. Die seit Mitte 2020 amtierende Vorstandsvorsitzende Tanja Birkholz hatte daraufhin 2022 eine „Transparenzoffensive“ ausgerufen. Die zurückgespiegelten Nutzererfahrungen mit dem „Score-Simulator“ haben ihr zufolge dann auch dazu geführt, den Score selbst anzufassen.
Ganz freiwillig dürfte der Schritt somit nicht erfolgt sein. So hatte bereits 2018 der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen in einem Gutachten zum Scoring mehr Transparenz und Aufklärung für Verbraucher gefordert. 2023 hatte die Datenschutzkonferenz des Bundes und der Länder weitere Vorschläge unterbreitet, während die Bankenaufsichten von den Kreditinstituten ebenfalls besser erklärbare und transparentere Verfahren forderte. Auch die Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes, die seit dem Bruch der Ampelkoalition auf Eis liegt, soll Auskunfteien stärker an die Kandare nehmen.
Zudem hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in den vergangenen Jahren eine Reihe von Urteilen zur Interpretation der DSGVO im Zusammenhang mit Auskunfteien gefällt. Ende 2023 untersagte der EuGH Unternehmen beispielsweise, allein oder überwiegend mithilfe von Bonitäts-Scores aus Auskunfteien automatische Kreditentscheidungen zu treffen. Zuletzt hatte der EuGH Auskunfteien im Februar 2025 zu mehr Transparenz und der Begründung von Scores gegenüber Verbrauchern verdonnert. Es spricht viel dafür, dass die Schufa den daraus folgenden Konsequenzen mit dem neuen Score vorgreifen will.
(mon)