Seehofers Geheimdienstgesetz: Die Abrissbirne für die Grundrechte

Seite 2: Daten "zum Abschuss freigegeben"

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Statt die Entscheidung der Verfassungshüter respektvoll abzuwarten, will Seehofer massiv draufsatteln. Der Auslandsgeheimdienst soll offiziell auch Deutsche hacken dürfen für recht vielfältige Zwecke und ohne schlagkräftige Kontrolle, Ausländer natürlich sowieso und vogelfrei, denn deren Daten sind schon jetzt "zum Abschuss freigegeben".

Nun empfiehlt sich eine Lekture von Paragraf 1 BND-Gesetz: Demnach sammelt die Behörde Informationen "zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind". Auswerten darf sie das Gefundene auch noch, nur vom Inland steht da nichts.

Um trotzdem erstmals an einen internationalen Internetknoten in Frankfurt am Main herangehen, im großen Stil Daten ausleiten und diese teils an die NSA weitergeben zu können, bemühte der BND anfangs noch die krude Theorie vom "virtuellen Ausland". Dahinter verbarg sich die Idee, dass die Daten von "Transit-Kabelstrecken" erfasst werden, die zwischen zwei Punkten im Ausland verlaufen und Deutschland sowie die Mainmetropole nur durchqueren.

Schwarz-Rot hat zwar inzwischen das Überwachen ganzer Netzknoten auch im Inland durch den Geheimdienst mit einem überarbeiteten Paragraf 6 BND-Gesetz legalisiert und damit nach eigenen Angaben Folgen aus den Snowden-Enthüllungen und dem NSA-Untersuchungsausschuss gezogen. Laut Hans-Jürgen Papier, Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts, werden dabei aber die Grundrechte nicht angemessen geschützt. So habe der Bundestag etwa einkalkuliert, dass derzeit "begrenzte personelle und sachliche Kapazitäten" die BND-Spionage praktisch einschränkten. Dem muss aber nicht immer so sein, was hierzulande bekannt sein sollte. Natürlich läuft auch gegen diese Netz-Überwachung im NSA-Stil eine Verfassungsbeschwerde, was das Innenressort wiederum nicht stört.

Bleibt noch das G10-Gesetz, das selbst schon seit Langem zu einem Trojaner für das Grundgesetz geworden ist. Es schränkt Artikel 10 ein und erlaubt den Geheimdiensten zum einen Überwachungsmaßnahmen gegen einzelne Personen beim begründeten Verdacht auf schwere Straftaten wie Hoch- oder Landesverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats oder der äußeren Sicherheit, Terrorismus oder Sabotage von IT-Infrastrukturen. In etwa in diesem Rahmen soll der BND nun auch den Bundestrojaner von der Leine lassen dürfen.

Wichtig für den Auslandsgeheimdienst ist zudem die viel breiter gestreute und damit sensiblere zweite vom G10-Gesetz vorgesehene Überwachungsvariante. Sie hört auf den Titel "strategische Fernmeldeaufklärung". Der sperrige Begriff beschreibt eine Art Datenstaubsauger, mit dem der BND internationale Telekommunikation anlasslos, also ohne Verdacht auffangen, sieben und durchsuchen darf. Wen sollte es wundern: auch dagegen läuft eine Verfassungsbeschwerde.

Zurück zum Staatstrojaner: Von einer Online-Durchsuchung soll hier laut dem Entwurf nur noch bedingt die Rede sein, da die Schlapphüte zumindest für "Vorbereitungshandlungen" auch heimlich die Wohnung eines künftigen Spähopfers "betreten" dürften. "Einbrechen" wäre der klarere Ausdruck gewesen, denn den Zugang könnten sich Agenten "auch ohne Zustimmung des Wohnungsinhabers" verschaffen.

Das erinnert an die Bestimmungen für den großen Lauschangriff mit einer nochmals erhöhten Eingriffsintensität. Polizeirechtler gehen davon aus, dass die psychologischen Folgen für die Betroffenen – so sie jemals tatsächlich im Nachgang über das Vorgehen informiert werden sollten – wohl ähnlich stark wie bei einem Wohnungseinbruchsdiebstahl ausfallen dürfen.

Dass die gleichen Rechte auch für das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gelten und die Staatsschützer ferner fortan Daten von Kindern erheben und speichern können sollen, sorgte schon für den ein oder anderen Aufreger in der Presse. Angesichts des gesamten Ansatzes des Entwurfs sind das aber fast schon die "geringeren Übel". Dazu kommt etwa, dass der BND für den Trojanereinsatz auch Amtshilfe bei anderen Sicherheitsbehörden leisten soll, obwohl es dafür doch schon die Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (Zitis) gibt, vor der prinzipiell auch vernetzte Autos nicht sicher sind.