Siemens will in Finanzaffäre hart durchgreifen

"Wir müssen Unregelmäßigkeiten schonungslos aufklären und ahnden", sagte Siemens-Chef Klaus Kleinfeld zu dem Skandal um Mitarbeiter und Vorstände, die vermutlich mehr als 200 Millionen Euro für schwarze Kassen veruntreut haben.

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  • dpa

Der von einer Finanzaffäre erschütterte Siemens-Konzern will jetzt hart durchgreifen. "Wir müssen Unregelmäßigkeiten schonungslos aufklären und ahnden", sagte Siemens-Chef Klaus Kleinfeld am heutigen Donnerstag in München. Mitarbeiter, bei denen sich der Verdacht erhärte, würden unmittelbar suspendiert. Die Staatsanwaltschaft hatte am Vortag mitgeteilt, dass vermutlich mehr als 200 Millionen Euro veruntreut worden seien. Eine Bande, zu der auch ehemalige Bereichsvorstände gehörten, soll das Geld für die Finanzierung schwarzer Kassen im Ausland eingesetzt haben.

Derzeit sind sechs Verdächtige in Haft. Die Suspendierung solle erfolgen, wenn ein "hinreichender Verdacht" vorliege, hieß es bei Siemens. Dieser solle vom Ombudsmann festgestellt werden. Siemens hatte in der vergangenen Woche den Nürnberger Rechtsanwalt Hans-Otto Jordan zum Ombudsmann berufen. Damit wurde eine externe Anlaufstelle auch für anonyme Hinweise eingerichtet. Siemens hatte eingeräumt, vor über einem Jahr über staatsanwaltschaftliche Ermittlungen in der Schweiz im Bereich der Festnetzsparte Com informiert worden zu sein. In der vergangenen Woche wurde die Affäre öffentlich, als bei einer Großrazzia die Konzernzentrale und zahlreiche Niederlassungen durchsucht wurden. Nun sollen die Verhaltensregeln ("Compliance-Regeln") für die Mitarbeiter deutlich verschärft werden. "Mitarbeiter, die unsere Compliance- Regeln missachten, schaden Siemens in jeder Hinsicht", sagte Kleinfeld. "Das können wir nicht hinnehmen."

Bei der Staatsanwaltschaft gab es am Donnerstag noch keine neuen Erkenntnisse. Die Ermittlungen liefen weiter auf Hochtouren, hieß es. Der Leitende Oberstaatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld geht derzeit von einer Schadenssumme von rund 200 Millionen Euro aus. Die Inhaftierten hätten sich nach derzeitigem Stand "zu einer Bande zusammengeschlossen, um fortgesetzt Untreuehandlungen zum Nachteil der Firma Siemens durch die Bildung schwarzer Kassen im Ausland zu begehen". Dabei war offenbar auch zwei Mitarbeiter des Rechnungswesens und der internen Revision beteiligt, sodass der Abfluss der Gelder verschleiert werden konnte. An Anfang war von einer Schadensumme von 20 Millionen Euro die Rede gewesen. In Ungarn wurde unterdessen ein früherer leitender Angestellter von Siemens wegen des Verdachts auf Bestechung angeklagt.

Siemens macht seit Jahren den Großteil seiner Geschäfte im Ausland. Am Donnerstag zum Beispiel verkündete der Konzern einen Großauftrag aus Saudi-Arabien. Für mehr als 100 Millionen Euro soll Siemens die prozesstechnische Ausrüstung für eine Stahlanlage liefern. Im vergangenen Geschäftsjahr machte das Auslandsgeschäft 81 Prozent des Gesamtumsatzes von 87 Milliarden Euro aus. Dieser Trend wird sich noch verstärken. Denn das Wachstum der Auftragseingänge um 15 Prozent im Geschäftsjahr 2005/06 ist praktisch allein auf neue Auslandsorders zurückzuführen. In Deutschland wuchsen die Bestellungen um gerade einmal ein Prozent.

Besonders stark ist das Wachstum bei Siemens – wie bei vielen anderen deutschen Unternehmen auch – in Regionen, die beim Korruptionsindex von Transparency International eher schlechter abschneiden. So legten die Siemens-Auftragseingänge in Afrika, dem Nahen Osten und in Russland und den anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion (plus 35 Prozent) noch stärker zu als in der Boomregion Asien-Pazifik (plus 26 Prozent). Allerdings gibt es Fälle von Korruption in allen Staaten der Welt. So hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft Anklage gegen zwei frühere Siemens-Manager wegen des Verdachts der Schmiergeldzahlung für Aufträge in Italien erhoben.

Auch in der Struktur des Geschäfts gab es bei Siemens in den vergangenen Jahren einen Wandel. Von dem Verkauf von Konsumprodukten hat sich der Konzern in den vergangenen Jahren teilweise oder ganz verabschiedet. So gingen die Hausgeräte und die Computer in ein Gemeinschaftsunternehmen, die Handys wurden an BenQ abgegeben. Stattdessen positioniert sich Siemens als Infrastruktur-Anbieter, der stark von langfristigen Großaufträgen profitiert, die teilweise staatlich vergeben werden.

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(dpa) / (jk)