Softwareprobleme: Häftlinge in Arizona sitzen länger

Unzulängliche Software bringt Arizonas Gefangene in Lebensgefahr. Außerdem müssen hunderte Menschen länger sitzen als rechtlich vorgesehen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 38 Kommentare lesen
Stacheldraht

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Hunderte Menschen sitzen in Gefängnissen des US-Staates Arizona, obwohl sie eigentlich auf freiem Fuß sein sollten. Andere Gefangene sind in Gefahr, unnötig an Krankheit oder Ermordung zu sterben. Außerdem hat die Behörde eine Million US-Dollar verschludert, die Gefangenen zusteht. Schuld ist unzulängliche Software. Das berichtet die Radiostation KJZZ aus der Stadt Tempe unter Berufung auf mehrere Whistleblower.

Die Gefängnisbehörde des Staates hat Probleme mit der Software namens Arizona Correctional Information System (ACIS), geliefert von der Firma Business & Decision North America. ACIS wurde erst im November 2019 gegen Proteste der Mitarbeiter installiert. Bereits damals hat die Software 24 Millionen Dollar gekostet. Seither soll es 14.000 Bugs gegeben haben.

Im selben Jahr, 2019, trat ein neues Gesetz in Kraft. Es erlaubt Insassen, die ausschließlich für den Besitz oder Gebrauch von Marihuana, Drogen, oder Utensilien verurteilt wurden, an Programmen im Gefängnis teilzunehmen. Das betrifft die größte Gruppe aller Insassen. Zu den Programmen zählen insbesondere Drogenentzug, Alphabetisierungskurse, oder High-School-Abschlüsse.

Wer diese Kurse erfolgreich absolviert und weitere Kriterien erfüllt, soll früher freikommen – theoretisch. Praktisch ist die Software weder in der Lage, herauszufinden, welche Insassen teilnehmen dürfen, noch die Haftverkürzung zu berechnen, noch die übrigen zu erfüllenden Kriterien zu erfassen. Daher, so die Whistleblower gegenüber KJZZ, säßen zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes Hunderte Menschen unnötig in Haft.

Für Manche berechnen Beamte die Haftverkürzung mit Papier und Bleistift. Allerdings profitieren davon nur Insassen, die überhaupt wissen, dass sie teilnehmen dürfen, oder jene, die Angehörige in Freiheit haben, die sich dafür einsetzen. Ansonsten "können wir die Menschen nicht finden, um sie in die Programme zu nehmen, und nachdem sie diese Programme absolviert haben, können wir sie nicht freilassen", sagte ein Whistleblower dem Radiosender, "Diese Menschen sitzen buchstäblich in der Falle."

Der Umstieg auf ACIS soll weitere Computerprogramme in Mitleidenschaft gezogen haben. Module für Gefangenenstatistik, Eigentum der Insassen, Geldkonten, Religionszugehörigkeit, Sicherheitseinstufung und, besonders wichtig, Krankendaten und Gang-Zugehörigkeit funktionieren demnach nicht korrekt

Gefängnisse sind sehr gefährliche und gewalttätige Orte. Gang-Mitglieder verfolgen bisweilen nur noch das Ziel, andere Insassen zu ermorden, die nicht der eigenen Gang angehören. Daher ist es wichtig, Gangs zu trennen, in den Zellen, bei den Mahlzeiten, sogar bei Zahnarztterminen.

"Wir haben Leute zusammen in Zellen gesperrt, die rivalisierenden Gangs angehören, ohne es zu realisieren", hat ein Whistleblower verraten, "Wir können schwer kranken Insassen nicht die passenden Medikamente geben, wenn sie verlegt werden. Wir bringen Leute in Gefahr. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis jemand ermordet wird oder stirbt."