SPD sieht Vollzugsdefizite bei Verbreitung gewalthaltiger Computerspiele

Die SPD-Fraktion im Bundestag lehnt hektische Maßnahmen zum Verbot von "Killerspielen" ab, will sich nach der Evaluierung der Jugendmediengesetzgebung aber erforderlichen normativen Maßnahmen nicht versperren.

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Die SPD-Fraktion im Bundestag lehnt hektische Maßnahmen in Richtung eines Verbots von "Killerspielen" ab. Sie will sich nach der gerade laufenden Evaluierung des erst 2003 novellierten Jugendmedienschutzsystems aber erforderlichen normativen Maßnahmen nicht versperren. "Das Thema ist nicht geeignet für Placebo-Vorschläge", erklärte Fritz-Rudolf Körper, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag, am heutigen Montag bei einem Pressegespräch in Berlin. Er kritisierte insbesondere die momentan auf Eis liegenden Vorstöße im Bundesrat, Paragraph 131 Strafgesetzbuch (StGB) zu verbotenen Gewaltdarstellungen zu verschärfen. Generell geht der SPD-Politiker davon aus, dass "wir keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf haben, sondern ein Vollzugsdefizit".

Mit dem bereits erweiterten Paragraph 131 StGB ist es laut Monika Griefahn, Sprecherin der Arbeitsgruppe Kultur und Medien der SPD-Fraktion, möglich, dass "besonders gewalttätige Medien verboten werden könnten". Dies sei aber noch nicht oft vorgekommen. Man habe daher das Hans-Bredow-Institut gebeten, die Wirksamkeit des Paragraphen zu prüfen. Es solle deutlich werden, wo dieser tatsächlich angewandt werde, ob Staatsanwälte die dazu erforderliche Kenntnis gar nicht hätten oder ob geschulte Strafverfolger fehlten. Prinzipiell könne man aber "mit dem Gesetzestext arbeiten".

Weitere Vollzugsdefizite scheinen der SPD-Fraktion beim Handel sowie an der Schnittstelle zwischen der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) und der staatlichen Kontrollinstitution in Form der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BpjM) vorzuliegen. Sie will hier etwa prüfen, ob der Handel eine bessere Einhaltung des Jugendschutzes sicherstellen kann. Den Sozialdemokraten schwebt dabei unter anderem eine "präsentere Alterskennzeichnung" auf Computerspielen, eine räumliche Trennung der altersbeschränkten von freigegebenen Medien oder eine Umrüstung von Kassensystemen vor, die Verkäufer und Kunden akustisch und visuell auf Verkaufsverbote an Jugendliche hinweisen. Körper attestierte dem Handel grundsätzlich ein "hohes Engagement". Ganz könne man schon aufgrund des Internets nie verhindern, dass gewalthaltige Spiele in die Hände Minderjähriger gelangen könnten. Viele hierzulande nur für Erwachsene freigegebene Darstellungen in Medien würden in anderen Ländern auch unter die "Ausdrucksfreiheit" fallen, erklärte Griefahn. Man könne daher höchstens versuchen, EU-weit einheitliche Regelungen zu finden.

Das 2003 eingeführte Prinzip der "regulierten Selbstkontrolle" hält Griefahn für ein Instrument, "das in vielen anderen Ländern gelobt wird". Es gäbe aber sicher Verbesserungsmöglichkeiten. Konkret bei der USK müsse man fragen, ob etwa die Breite der für die Bewertung von Spielen zuständigen Experten ausreichend sei oder vielleicht auch ein Kriminologe beigezogen werden sollte. Den Grundsatz der abgestuften Altersfreigabe hält die SPD-Politikerin insgesamt aber für sehr sinnvoll, denn "sonst hätten wir nur die Situation: verboten oder nicht."

In Betracht zu ziehen sei laut Körper auch stärker "die Wirkweise bestimmter Spiele." Eine echte Gewalt-Problematik besteht seiner Ansicht nach zwar nur "vielleicht bei einer Hand voll". "Aber was ist , wenn jemand das sehr intensiv spielt?", gab der SPD-Politiker zu bedenken. Unumstritten sei, dass sich "das Thema Gewalt an Schulen qualitativ enorm verändert hat". Mann müsse daher in einem gesamtgesellschaftlichen Dialog sehen, "inwieweit es da bestimmte Zusammenhänge mit Spielverhalten gibt". Zudem würden Spiele immer brutaler, "es fließt immer mehr Blut, um auf dem Markt Erfolg zu haben". Er sehe aber keine Patentlösung, diese mediale Auflösung zu stoppen und wehre sich gegen "reflexartige" Verbotsrufe. Angebracht sei es im Fall eines normativen Handelns auch, ähnlich wie bei der Terrorismusgesetzgebung befristete Gesetze zu verabschieden. Damit rücke die Frage nach der Effizienz in den Vordergrund.

Nach dem Amoklauf in Blacksburg in den USA vergangene Woche forderten unter anderem Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), und der rheinland-pfälzische Philologenverband erneut ein schärferes Vorgehen gegen beziehungsweise ein Verbot von Gewalt verherrlichenden Computerspielen. Am Donnerstag findet im Bundestag eine Anhörung zum Thema "Jugendmedienschutz und gewalthaltige Computerspiele" statt.

Das Bundesfamilienministerium hat vor Kurzem gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen ein "Sofortprogramm" vorgestellt, durch das der Schutz von Heranwachsenden vor "Killerspielen" im Rahmen der Jugendmedienschutzgesetzgebung verbessert werden soll. Gemäß Gesetzesinitiative würden künftig nicht nur "Gewalt verherrlichende", sondern auch "Gewalt beherrschte" Spiele mit Mord- und Gemetzelszenen automatisch für Jugendliche verboten. Vor allen weiteren möglichen Maßnahmen will auch die Bundesregierung die laufende Evaluierung abwarten. Erste Ergebnisse sind für Juli versprochen.

Siehe zu dem Thema auch:

(Stefan Krempl) / (anw)