Telecom-Ausrüster Lucent unter der Lupe

Die Bilanzpraktiken von Lucent werden nun durch die SEC untersucht; der Konzern musste vor kurzem seine Geschäftszahlen nach unten korrigieren und steckt in einer tiefen Krise.

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Von
  • Jürgen Kuri

Lucent, einer der weltgrößten Hersteller von Equipment für Telecom-Carrier und Internet-Provider, kommt nicht aus den Schlagzeilen. Ende der vergangenen Woche kündigte die US-amerikanische Börsen- und Finanzaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) an, man untersuche, ob das Bilanzgebahren von Lucent geltendem Recht entsprochen habe.

Lucent hatte Ende Dezember seine Geschäftszahlen für das vierte Quartal des Geschäftsjahres nachträglich nach unten korrigiert. Der Umsatz betrug nur 8,7 Milliarden US-Dollar, während er zuvor auf 9,4 US-Milliarden Dollar beziffert worden war. Der Gewinn pro Aktie lag nur bei zehn Cents gegenüber der vorherigen Berechnung von 18 Cents. Anfang Dezember hatten Anleger bereits wegen Betrugs gegen Lucent geklagt, da der Hersteller seinen Geschäftsbericht nachträglich korrigiert hatte – damals ging man aber noch davon aus, dass die Umsatzzahlen nur um 125 Millionen US-Dollar zu hoch veranschlagt wurden.

Die SEC untersucht nun, ob die Bilanzen von Lucent absichtlich falsch ausgewiesen wurden. Lucent will mit der SEC bei der Untersuchung zusammenarbeiten und betonte, dass man davon ausgehe, das bei den Bilanzproblemen nichts bewusst falsch gemacht worden sei. Man habe einen Fehler entdeckt und dies auch freiwillig der SEC gemeldet und der Behörde alle notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt.

Auch wenn die Untersuchung der SEC eigentlich nichts besonders ist, da sie nach geltendem Recht bei Bilanzfehlern immer in Aktion treten muss, wirft dies doch erneut ein schlechtes Licht auf den Netzwerkgiganten Lucent. Die Wall Street war ziemlich schockiert, als der Konzern Fehler in der Bilanz bekannt geben musste – und dies nach diversen Gewinnwarnungen und dem Rauswurf des Lucent-Chefs Rich McGinn. Anleger hatten nach der Korrektur der Bilanz bereits gegen das Unternehmen geklagt. Ende Januar kündigte Lucent dann an, insgesamt 16.000 Arbeitsplätze abbauen zu wollen, nachdem im ersten Geschäftsquartal ein Verlust von 395 Millionen US-Dollar aufgelaufen war – aus dem operativen Geschäft verbuchte Lucent sogar ein Minus von mehr als einer Milliarde US-Dollar, die nur durch diverse einmalige Sondereinnahmen reduziert wurden.

Zwar haben die meisten Telecom-Ausrüster Probleme angesichts der Schwäche des Telekommunikationsmarkts auf Grund dünner Kapitaldecke und hoher Schulden bei den Carriern, viele der Schwierigkeiten von Lucent erscheinen aber hausgemacht – vor allem, da der Konzern im Bereich der optischen Netze, einem der großen Boom-Märkte, eine technologisch führende Rolle spielen könnte. Gerade in diesem Bereich musste Lucent aber immer wieder das Feld der Konkurrenz überlassen, da der Konzern es nicht rechtzeitig schaffte, die Technik auch zur Marktreife zu entwickeln. Besonders der Hauptkonkurrent, der kanadische Netzwerkkonzern Nortel, konnte seine Führung gegenüber Lucent immer weiter ausbauen – bei optischen Netzen auf einen Marktanteil von 43 Prozent. Lucent hat inzwischen im Vergleich dazu nur noch mickrige 15 Prozent Anteil am Markt der optischen Netze.

Am vergangenen Freitag fiel der Kurs des Lucent-Papiers im normalen Handel nochmals um über 9 Porzent auf 15,36 US-Dollar, nachdem die Aktie seit letztem August kontinuierlich von über 60 auf unter 20 US-Dollar gesunken war. Inzwischen ist sie wieder nicht mehr weit vom 52-Wochen-Tief von 12,19 US-Dollar entfernt, dass die Aktie am 21. Dezember letzten Jahres erreichte, kurz nach der letzten Gewinnwarnung des Konzerns. Offensichtlich hat Lucent noch einiges an Arbeit vor sich, um das Vertrauen von Kunden und Investoren zurückzugewinnen – die Zusammenarbeit mit der SEC bei der Untersuchung der Bilanzpraktiken ist dafür nur ein erster Schritt. (jk)