TikTok: "Chinesisches Recht berührt uns nicht, Daten sind sicher"

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Zudem habe Zhang versprochen, "die Zusammenarbeit mit maßgebenden Medien zu vertiefen, die Verbreitung von Inhalten maßgebender Medien zu erhöhen, und sicherzustellen, dass maßgebende Medienstimmen kraftvoll verbreitet werden." Halliday übersetzt: "Das beinhaltete in der Praxis, dass ByteDance Mitglieder der Kommunistischen Partei bei Einstellungen bevorzugt und 4.000 zusätzliche Zensoren ins Unternehmen geholt hat."

Dieser Sündenfall "macht es schwer, Vertrauen in die Sicherheit der Nutzerdaten TikToks zu haben. Keine Beteuerungen TikToks können diese Vergangenheit löschen (…). Wenn es hart auf hart kommt, wird ByteDance wahrscheinlich der Kommunistischen Partei Chinas brav gehorchen." Immerhin fügt der Australier hinzu, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass TikTok offen Daten mit der chinesischen Regierung teilt oder mit ihr zusammenarbeitet, um Kritik zu unterdrücken. "Aber wenn morgen die Nachricht kommt, dass sich diese Befürchtungen bewahrheitet haben, wären Sie sehr überrascht?"

Weil in Hongkong ein neues "Gesetz zum Schutz der Nationalen Sicherheit" gilt, hat sich TikTok von dem Markt zurückgezogen. Das reicht aber offensichtlich nicht dazu aus, Bedenken anderer Staaten zu zerstreuen.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Im September waren interne Vorschriften durchgesickert, wie TikTok-Moderatoren Inhalte zensieren sollten. Betroffen waren weite Themen aus dem Bereich Politik und Religion, selbst manche Namen waren bei TikTok gebannt. Ebenso hat TikTok Inhalte mit positivem Bezug zu Homosexualität blockiert.

Auf der Verbotsliste standen beispielsweise "Attacken gegen politische und soziale Richtlinien in allen Ländern; etwa konstitutionelle Monarchie, Monarchie, parlamentarische Systeme, Gewaltenteilung, Sozialismus etc.". Kritik am Einparteiensystem Chinas war also tabu, genauso wie die Kritik an der Besetzung Tibets: "Separatismus, Religionskonflikte, Konflikte zwischen ethnischen Gruppen, etwa islamischen Glaubensrichtungen, die Abspaltung Nordirlands, die autonome Republik Tschetschenien, Tibet und Taiwan sowie mögliche Konflikte zwischen hellen und dunkelhäutigen Menschen".

Während jedoch ein Großteil der Fälle mit der Markierung "eingeschränkte Sichtbarkeit" nicht mehr weiter verbreitet wurde, war alles, was Falun Gong betrifft zu löschen, weil diese Inhalte als "Gewalt" eingestuft werden. Löschenswert waren auch Videos und Kommentare zu 20 konkreten Personen; von Kim Jong-il über Putin, Trump und Obama bis Mahatma Ghandi.

Im März gelang es The Intercept, weitere interne Richtlinien TikToks ans Tageslicht zu bringen. Demnach waren Moderatoren dazu angehalten, User zu unterdrücken, die "zu hässlich, arm oder behindert" sind. Beiträge sollten zudem darauf untersucht werden, ob im Hintergrund Risse in Wänden oder "schäbige Dekoration" zu sehen ist. Postings dieser User sollten dann zwar nicht gelöscht aber schwer auffindbar gemacht werden: so genanntes Shadow-Banning.

Ein weiteres TikTok-Dokument aus dem Vorjahr widmete sich Livestreams. Wer über Naturkatastrophen oder Militärbewegungen oder "staatliche Organe wie die Polizei" berichtet, Beamte bloßstellt oder sonst Material verbreitet, das die "Nationale Sicherheit" bedrohen könnte, sollte von TikTok ausgeschlossen werden.

Laut TikTok sind die meisten dieser eigenen Regeln nicht mehr in Kraft. Der Ansatz sei nicht richtig gewesen. Stattdessen sollen nun lokale Teams entscheiden, was in ihrem jeweiligen Land zensiert wird.

Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass China-kritische Stimmen nun gehört werden sollen. Im Juni hat die Zeitung Times of India über umfangreiches aber unvorhersehbares Shadow-Banning durch TikTok berichtet. Bei Shadow-Banning werden Beitrag zwar nicht gelöscht, aber so versteckt, dass sie kaum jemand oder niemand findet.

Während Hashtags wie #boycottchina und #boycottchinaproduct über hunderttausend Videoabrufe zählten, waren #tiananmenmassacre, #xinjinpingismydaddy, #ladakhchinaborder, #chinaladakh und #chinainladakh zwar existent, hatten aber jeweils null Zugriffe. Ladakh ist jene Grenzregion, in der sich China und Indien dieses Jahr Gefechte geliefert haben. Auch Namen von Orten an der Grenze zu Tibet und zu Pakistan wurden laut Bericht Opfer des Shadow-Banning.

Ein Video einer indischen Komikerin mit China-kritischen Witzen wurde hingegen gleich gelöscht – und nach kritischen Berichten wieder eingestellt. Ähnlich erging es in den USA den Hashtags #BlackLivesMatter und #GeorgeFloyd, die einem "Fehler" TikToks zum Opfer gefallen sein sollen.