US-Wahlkämpfer und die schöne neue Internet-Welt

Medienwissenschaftler sehen in der neuen Kommunikationswelt mit Blogs und Social Networks eine Demokratisierung der repräsentativen Demokratie. Bislang aber informieren sich US-Bürger vor allem in traditionellen Medien über den Präsidentschaftswahlkampf.

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Von
  • Laszlo Trankovits
  • dpa

Der US-Abgeordnete Mark Foley schreibt schlüpfrige E-Mails an junge Praktikanten. Senator John Allen macht sich über einen indisch-stämmigen Zwischenrufer mit dem abfälligen Ausdruck "Makaka" lustig. US-Senatorin Hillary Clinton will Eindruck schinden, indem sie wahrheitswidrig erzählt, sie sei 1996 in Bosnien von Heckenschützen beschossen worden. All diese peinlichen Vorfälle haben eines gemein: Sie waren zumindest in den USA blitzschnell übers Internet verbreitet – wie so oft zunächst von politischen Bloggern.

Die Mächtigen mag noch immer eine Aura von Unnahbarkeit umgeben; besonders geheimnisumwittert sind sie aber kaum noch – zumindest nicht in Demokratien. Dank der vernetzten und digitalisierten Welt werden heute politische Entgleisungen oder sexuelle Fehltritte rasch bekannt, Lügen umgehend entlarvt. Blogger und Social Networks haben den öffentlichen Raum radikal ausgeweitet – mit dramatischen Folgen für die Politik. Der US-Wahlkampf 2008 ist dafür ein Beleg. Eine "neue Ära amerikanischer Politik", schwärmte der Medienexperte Prof. Garrett Graff. "Der erste Wahlkampf, der von moderner Technik definiert wird. (...) Die Spielregeln haben sich verändert – und nicht zugunsten der Kandidaten", schrieb er im Washingtonian.

Viele Medienwissenschaftler sehen in der schönen neuen Kommunikationswelt die Demokratisierung der traditionellen repräsentativen Demokratie. Statt der Parteikader, Funktionäre und Organisationen können Bürger und Blogger, die viel beschworene Basis, direkt in das politische Geschehen eingreifen. Zumindest heute noch scheinen diese Sichtweisen allerdings stark übertrieben. Laut einer jüngsten Studie des Pew Research Center in Washington informiert sich die Mehrheit der Amerikaner in erster Linie in den traditionellen Medien über Politik. Zwar haben zahllose neue Blogs Politik und Medien mächtig aufgeschreckt und durcheinandergewirbelt. Das Web hat dem US-Wahlkampf eine neue Dimension gegeben, wobei auch in erschreckendem Ausmaß Hassbotschaften Tür und Tor geöffnet wurde. Aber längst sind Medien und Politik Mitgestalter der neuen Welt der Blogger und Plattformen.

Im Ringen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur hat Senator Barack Obama zumindest im Internet einen überwältigenden Vorsprung vor Clinton. Der schwarze Senator hat im Web mehr Geld gesammelt, mehr Blogs, mehr Fan-Clubs und mehr Resonanz als seine Konkurrentin. Doch alle Kandidaten nutzen inzwischen exzessiv die neuen Kommunikationsmöglichkeiten: Mit Newslettern, E-Mails oder SMS werden Anhänger und Wähler schon seit Monaten geradezu bombardiert. Jeder Kandidat hat seine interaktive Web-Seite, um so intensiv und zeitnah wie möglich mit der Basis zu kommunizieren.

Vor allem hat sich das Internet als faszinierendes Instrument zum Sammeln von Wahlkampf-Spenden entpuppt. Dem charismatischen Obama gelang es so, Hunderttausende von Kleinspendern zu finden. Denn Geldsammeln im Internet ist denkbar simpel, mit einem Mausklick wird der Polit-Obolus transferiert. Das ist eine der Ursachen, warum die Wahl 2008 mit weit über eine Milliarde Dollar Kosten der teuerste Wahlkampf in der Geschichte der Demokratien werden konnte.

Technisch besonders gewieft ist Obamas junges Wahlkampfteam. Zahlreiche Blogs verbreiten seine Botschaft von "Hoffnung" und "Wandel". Obama bietet auf seiner Web-Site Poster, Buddy-Icons, Fotos und Videos an, die jeder auf die eigene Homepage stellen kann. Obamas Wahlhelfer nutzen besonders gerne Handys, um ihre Botschaft zu verbreiten: Sie offerieren neben aktuellen SMS sogar Klingeltöne – etwa mit Obama-Redefetzen wie "Yes, we can!". Anhänger aus der heftig umworbenen Minderheit der Hispanics, Wählern mit lateinamerikanischer Herkunft, erhielten Daten anderer "Latinos". Damit wurden zigtausende Obama-Anhänger ohne großen Aufwand aktiviert, persönlich Wahlkampf zu führen.

Die Webseite MoveOn.org sammelte nicht nur Millionen für Obama, sondern schuf auch ein Programm, mit dem hunderttausende E-Mails für Facebook verschickt wurden. Immerhin sollen schon zwei Drittel aller US-Bürger zwischen 18 und 29 Jahre bei der Internet-Plattform registriert sein. Hier hat Obama fast eine halbe Million Anhänger – Hillary Clinton lediglich ein Viertel davon. Die Video-Plattform YouTube ist ebenfalls zentraler Schauplatz des Wahlkampfs, CNN gestaltete sogar eine Debatte der Kandidaten mit Fragen von YouTube- Mitgliedern. Auch auf YouTube rangieren Obamas Videos mit mehreren Millionen Abrufen vor denen der Ex-First-Lady.

Im Web wird aber auch gnadenlos alles ans Licht gezerrt, was es an Missglücktem gibt. Relativ harmlos sind noch Videos, auf denen zum Beispiel der republikanische Senator John McCain öffentlich Terror-Gruppen verwechselt oder Clinton mit schräger Stimme die Nationalhymne singt. Die inzwischen millionenfach abgerufene Hasspredigt des Geistlichen Jeremiah Wright von der Heimatgemeinde Obamas droht schon sehr viel mehr den Ruf des Senators als Mann der "Versöhnung" und des "Ausgleichs" zu gefährden. Misslich ist auch, wenn Obama meint, ein Tornado in Kansas habe 10.000 Menschen getötet, dabei waren es nur zwölf – oder wenn er auf einer Veranstaltung penetrant um Spenden bettelt, "egal wie arm ihr seid".

Das Netz ist längst auch Schauplatz übler Beschimpfungen und Verleumdungen geworden. Da wird Obama in Blogs als heimlicher Moslem hingestellt, der als Kind eine islamische Schule besucht habe. Das entspricht zwar nicht der Wahrheit, findet aber im Internet weite Verbreitung. Mehrere Webseiten widmen sich auch der Demontage und Diffamierung von Hillary Clinton.

Blogger und Internet-Plattformen haben enorm an Bedeutung gewonnen – der Schlüssel zum politischen Erfolg sind sie offenbar noch nicht. Schließlich war im Vorwahlkampf der unbestrittene Star des Internets neben Obama der radikalliberale Republikaner Ron Paul. Der aber hatte keine Chance gegen den 71-jährigen McCain, der vor allem mit der Teilnahme an Hunderten von Bürgerversammlungen ("townhall meetings") die Wähler live beeindruckte. Zudem fährt Mc Cain mit seinem "Straight Talk Express" (übersetzt etwa: Offener-Rede-Express), einem altmodisch bemalten Wahlkampf-Bus, durch die Provinz, um Klinken zu putzen, Hände zu schütteln und Babys zu streicheln.

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(Laszlo Trankovits, dpa) / (jk)