Urteil: Google haftet bei betrügerischen Anzeigen als Störer nach dem DSA
Google muss als Betreiber von Google Ads von Dritten geschaltete Anzeigen überprüfen, um unzulässige, gemeldete Phishing-Versuche auch künftig zu unterbinden.
Das Landgericht Düsseldorf hat in einem Verfahren zwischen der Stuttgarter Firma Skinport und Google Irland eine einstweilige Verfügung erlassen und nach einer mündlichen Verhandlung nun auch bestätigt. Der Online-Marktplatz für sogenannte Skins für Counter Strike 2 ist damit nicht nur in erster Instanz erfolgreich gegen unzulässige Phishing-Werbeanzeigen über Google Ads vorgegangen. Vielmehr hat die zuständige Zivilkammer auch entschieden, dass Google in solchen Fällen als Störer nach dem Digital Services Act (DSA) haftet: Der Betreiber des Werbedienstes muss demnach verhindern, dass Betrüger "kerngleiche" – also ähnlich gestrickte – Anzeigen über ihn schalten können.
Mit der im deutschen Recht verankerten Störerhaftung lassen sich Dritte, die zur Verletzung eines geschützten Gutes nur beitragen, zur Verantwortung ziehen. Nach Artikel 8 DSA wird Anbietern von Vermittlungsdiensten – wie in diesem Fall Google – keine allgemeine Pflicht auferlegt, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten. Der EU-Gesetzgeber hat damit im Kern die Haftungsfreistellung aus der E-Commerce-Richtlinie übernommen, die sich hierzulande im Telemediengesetz (TMG) niederschlug. Ob die Störerhaftung mit den DSA-Vorgaben vereinbar ist, bereitet Juristen bislang Kopfschmerzen.
Google brachte vor dem Landgericht vor: Man habe keine "haftungsbegründende Kenntnis". Der Konzern hat nach Darstellung seiner Anwälte von der umstrittenen Textanzeige vom 8.6. 2023 erstmals mit der Zustellung des ersten gerichtlichen Beschlusses vom 20.6. 2023 erfahren. Die Reklame und der Werbetreibende seien sodann gesperrt worden, damit dieser keine vergleichbaren Phishing-Anzeigen mehr schalten könne. Die Voraussetzungen einer Haftung als Betreiber eines Hosting-Dienstes nach Artikel 6 DSA seien aber nicht erfüllt. Auch bestehe keine Pflicht, vorbeugend gegen einschlägige künftige Rechtsverletzungen vorzugehen.
Rückgriff auf die "Durchsetzungsrichtlinie"
"Der Widerspruch ist unbegründet", erklärt die Zivilkammer dagegen in ihrem jetzt veröffentlichten Urteil vom 15. Januar (Az.: 2a O 112/23). Google hafte zwar nicht als Täter oder Teilnehmer, aber als Störer. Denn: "Die Störerhaftung steht in Einklang mit den Vorgaben" des nunmehr geltenden Artikel 6 DSA für Vermittlungsdienstleister. Auch damit bleibe die Option bestehen, "dass eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde nach dem Rechtssystem eines Mitgliedstaats vom Diensteanbieter verlangt, eine Zuwiderhandlung abzustellen oder zu verhindern".
In dem Verfahren lasse sich zwar nicht unmittelbar auf das nationale Recht zurückgreifen, räumen die drei Richterinnen ein. Jedoch werde der Inhalt dieses autonomen Unterlassungsanspruchs durch Artikel 11 der Richtlinie "zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums" mit Blick auf die Haftung von "Mittelspersonen" näher bestimmt. Danach könnten Rechtsinhaber im Falle der drohenden Verletzung eines einschlägigen Schutzrechts eine gerichtliche Anordnung gegen Vermittler beantragen, deren Dienste von einem Dritten für diesen Verstoß in Anspruch genommen werden.
Gericht sieht Google mit Prüfauflage nicht überfordert
Ob dies infrage komme, sei im Einzelfall zu prüfen, heißt es in dem Urteil. Hier hätten das Abmahnschreiben von Skinport vom 25.05.2023 sowie eine weitere anwaltliche E-Mail kurz darauf eine Störerhaftung des Suchmaschinenbetreibers ausgelöst. Dieser sei "hinreichend konkret von den klaren Rechtsverletzungen in Kenntnis gesetzt" worden, sodass er für "die weiter fortwährenden – kerngleichen – Verletzungen als Störerin haftet". Google sei es möglich, "die konkret angegriffene Werbeanzeige ausfindig zu machen". Der Konzern, der mit Gewinnerzielungsabsicht handele, könne auch ohne weiteres erkennen, auf welche Art von Werbeanzeigen sich die Prüfpflichten erstreckten und welche Verletzungshandlungen zu unterlassen seien. Eine allgemeine Überwachungsauflage ergebe sich daraus nicht.
Bei Skins handelt es sich um virtuelle Gegenstände wie unterschiedliche Texturen für Waffen, die im Spiel auf Personen zugeschnitten nachgerüstet werden können. Bei den umstrittenen, mit Skinport gekennzeichneten Anzeigen führte die Ziel-URL zu einer Nachbildung der Webseite des Marktplatzes. Dadurch seien "Zahlungs- und Logindaten der bei der Verfügungsklägerin geführten Steam-Accounts abgegriffen" worden, schreibt das Gericht. Es sah darin eine Markenverletzung. Skinports Anwalt David Ziegelmayer hob hervor, dass es sich "um die erste Entscheidung zur (Störer-)Haftung von Suchmaschinen unter Geltung des DSA handeln" dürfte. Die Entscheidung sei noch nicht rechtskräftig: Google könne in Berufung gehen.
(nie)