Vergleich zu Beginn des Telekom-Prozesses gescheitert

Im größten Anlegerprozess Deutschlands werfen enttäuschte Kleinanleger der Deutschen Telekom angeblich falsche Angaben im Börsenprospekt zur dritten Aktienplatzierung im Jahr 2000 vor.

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  • dpa

Zu Beginn des Musterprozesses nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz um den dritten Börsengang der Deutschen Telekom ist erneut ein Vergleichsversuch gescheitert. Der Telekom-Anwalt Bernd-Wilhelm Schmitz lehnte am Montag vor dem Oberlandesgericht Frankfurt erneut entsprechende Vorschläge der Klägeranwälte ab. Das Unternehmen müsse schon im Sinne der rund drei Millionen nicht klagenden Aktionäre so handeln. Der Gerichtsvorsitzende Christian Dittrich bezeichnete einen umfassenden Vergleich mit allen fast 17.000 Klägern schon wegen der hohen Zahl der Parteien als "schlicht undenkbar". Die enttäuschten Kleinaleger halten dem Unternehmen angeblich falsche Angaben im Börsenprospekt zur dritten Aktienplatzierung im Jahr 2000 vor und verlangen insgesamt rund 80 Millionen Euro Schadensersatz.

Die Klägeranwälte forderten das Unternehmen dennoch auf, den Aktionären ein Vergleichsangebot zu machen. Sie verwiesen auf einen in den USA geschlossenen Vergleich zu ähnlichen Rechtsfragen, bei dem sich die Telekom zur Zahlung von 120 Millionen Dollar verpflichtet hatte. Anwalt Schmitz begründete dies mit höheren Prozessrisiken für das Unternehmen im US-Rechtssystem. Es sei aber kein Prospektfehler anerkannt worden.

Der größte Anlegerprozess Deutschlands hatte mit Hindernissen begonnen. Der Vorsitzende Richter Christian Dittrich war mit seinem Zug auf dem Weg von Gießen steckengeblieben, wie er selbst mitteilte.In der eigens für das Großverfahren angemieteten Stadthalle warteten Dutzende Anwälte und Journalisten, aber nur wenige Kläger auf das Gericht.

Die Börsengänge der Deutsche Telekom

Die Aktien des ehemaligen Staatsunternehmens Deutsche Telekom sind bisher in drei Tranchen platziert worden. Im November 1996 kamen erstmals T-Aktien in den Handel. In einer ersten Tranche wurden 713,7 Millionen Papiere im Zuge einer Kapitalerhöhung an die Börse gebracht. Bei einem Emissionskurs von 14,57 Euro (28,50 DM) nahm die Telekom rund 10 Milliarden Euro ein. Eine weitere Kapitalerhöhung erfolgte im Juni 1999. Zum Preis von 39,50 Euro wurden knapp 281 Millionen Aktien ausgegeben und 10,8 Milliarden Euro eingenommen.

Ein Jahr später verkaufte der Bund über die staatseigene KfW 200 Millionen T-Aktien zum Preis von 66,50 Euro. Aus dieser Platzierung flossen rund 13 Milliarden Euro an die Staatskasse. Derzeit ist der Bund nach Unternehmensangaben noch mit 15 Prozent direkt und über die KfW mit 17 Prozent indirekt beteiligt. Private Anleger halten 17 Prozent, 51 Prozent liegen bei institutionellen Anlegern. Die Telekom-Aktie stürzte nach Höchstständen von mehr als 100 Euro zeitweise auf einen Tiefstand von 8,22 Euro ab und notiert derzeit bei gut 11 Euro.

Der tiefe Fall beschwor den Zorn der privaten Anteilseigner: In ihrem von Werbung und Analysten genährten Glauben an die Kraft des als "Volksaktie" gepriesenen Papiers stockten viele noch zu vermeintlichen "Kaufkursen" von 50 oder 60 Euro mitten im Niedergang ihre Bestände auf. Der von einer gewaltigen Werbekampagne begleitete Börsengang der Telekom im November 1996 hatte die Geldanlage-Kultur in Deutschland revolutioniert. Mehr als 1,5 Millionen Bürger machten den ersten Aktienkauf ihres Lebens, das Spiel auf dem Aktienmarkt begann, zum Volkssport zu werden.

Prozesse gegen die Deutschen Telekom

Die Deutsche Telekom sieht sich einer ganzen Reihe von Klagen ausgesetzt. Neben den Verfahren im Zusammenhang mit den Aktienplatzierungen klagen noch Aktionäre der früheren Tochter T-Online auf einen höheren Übernahmepreis für ihre Anteile. Sie sehen sich bei der Verschmelzung auf den Mutterkonzern mit einer Abfindung von 8,99 Euro pro T-Online-Aktie finanziell benachteiligt.

Zu einem langwierigen Verfahren entwickelt sich auch die Komplettübernahme des polnischen Mobilfunkers PTC, auf den auch der französische Mischkonzern Vivendi Anspruch erhebt. Die Franzosen haben gegen die Telekom verschiedene Klagen in der Schweiz, Frankreich, den USA und Polen eingereicht. In Deutschland muss sich die Telekom wegen der Verzögerung beim Start der Lkw-Maut vor Gericht verantworten. Die Bundesregierung fordert vom Toll-Collect-Konsortium - zu dem neben der Telekom auch Daimler und Cofiroute gehören - insgesamt 5,1 Milliarden Euro.

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( dpa) / (jk)