Verkehrspolitik: Fast 36.000 Stimmen für Hunderte autofreie Straßen für Paris

Nach Darstellung des Rathauses wollen die Pariser mehrheitlich eine weitere Verkehrsberuhigung. Immerhin stimmten einige Zehntausend für autofreie Straßen.

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Paris, Eiffelturm

(Bild: Jürgen Kuri)

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Am 23. März haben die Pariser bei einer Bürgerbefragung mit einer deutlichen Mehrheit von 66 Prozent entschieden, die Stadtverwaltung weitere 500 Straßen begrünen und zu einer Art Fußgängerzonen machen zu lassen. "Die Pariser"? Nun, von den knapp 1,4 Millionen Wahlberechtigten gingen mit 54.489 Stimmbürgern nur 3,89 Prozent überhaupt an die Urnen, obwohl sie allen in Paris eingetragenen Wählern offen stand, einschließlich erstmals auch die 16- bis 18-Jährigen, von denen sich aber überhaupt nur 300 angemeldet hatten. Die Bürgerbefragung ist schon die dritte zum Thema Verkehrspolitik nach einer Abstimmung über E-Tretroller im April 2023 und über Parkgebühren nach Gewicht im Februar 2024. Bei keiner von diesen war es je zu einer höheren Beteiligung als acht Prozent gekommen.

Über die Vorlage zu einer nicht einmal bindenden Entscheidung befinden zu lassen, entspricht ohnehin eher einer Umfrage als einer Abstimmung. Der Erfolg war damit vorhersehbar so gut wie sicher, denn nach den Erfahrungen mit den vorangegangenen Umfragen zur Verkehrsberuhigung in Paris strömen bevorzugt diejenigen in die Wahllokale, die ohnehin dafür sind. Angesichts der Beteiligung hätten schon knapp über 27.000 Stimmen genügt, ein verschwindender Anteil der 1,4 Millionen Wahlberechtigten in einer Stadt mit 2,11 Millionen, das Umfeld mitgerechnet sogar 12,5 Millionen Ein- und Anwohnern. Letztlich wurden es 35.963 Ja-Stimmen. Immerhin.

Das Anliegen ist verständlich in der am dichtesten besiedelten Großstadt Europas, in der sich 20.054 Einwohner pro Quadratkilometer drängen – mit zunehmender Konzentration Richtung Innenstadt. Zählt man den Großraum "Unité urbaine de Paris" mit einer Bevölkerungsdichte von fast 4000 Einwohnern auf den Quadratkilometern dazu, ist Paris eine Megastadt mit hohen Immissionen und einem eklatanten Grünflächenmangel, mit entsprechend spürbaren Folgen des Klimawandels.

Seit 2002 wurde der Autoverkehr in der Innenstadt bereits um fast 50 Prozent zurückgedrängt. Seit einigen Jahren arbeitet das Pariser Rathaus unter der sozialistischen Bürgermeisterin Anne Hidalgo weiterhin daran, die Belastung der Einwohner durch Lärm, Verschmutzung und die Folgen des Klimawandels zu senken. Die Innenstadt darf teilweise nicht mehr durchfahren werden, großflächig gilt Tempo 30, um Schulen gibt es autofreie Zonen, etwa 220 der mehr als 6000 Pariser Straßen sind bereits autofrei. Zur direkten Bilanz von Hidalgo zählen die für Autos gesperrten direkten Uferstraßen an der Seine, fast 1400 km neue Radwege und die Begrünung zahlreicher Stadt-Straßen. Aktuell wird auf Veranlassung der Stadtregierung sogar der große Platz vor dem Rathaus dicht bepflanzt.

Laut Stadtplanungsamt kann allerdings noch immer mehr als die Hälfte des öffentlichen Raums mit Kraftfahrzeugen erreicht werden. Geht es nach dem Abstimmungsergebnis, könnten weitere 500 Straßen begrünt werden, zulasten von rund 10.000 Parkplätzen. Welche Straßen in jedem der 20 Stadtviertel davon betroffen sind oder eben profitieren sollen, ist noch nicht geklärt. Paris rechnet mit drei bis vier Jahren für eine Umsetzung.

Die Kritik an Hidalgos Vorgehen kommt – kaum überraschend – von Autofahrern und Ladenbesitzern. Letztere fürchten um ihre Umsätze, weil ihre Kunden nicht mehr vor den Geschäften parken dürfen. Die Bürgermeisterin braucht sie bei der anstehenden Kommunalwahl 2026 nicht zu fürchten, weil sie das Amt aufgeben wird. Auch wenn es zu einem Machtwechsel zu den Konservativen kommen sollte, bleibt Hidalgo bei ihrer Ansicht, den Parisern Gutes getan zu haben.

(fpi)