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Baustellen verärgern die Autonation, aber jeder will beste Strecken mit geschmeidigster Fahrbahndecke. Ein Fall fürs Baustellenmanagement.

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  • tir
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Kaum etwas ärgert die Autonation so sehr wie Baustellen. Jeder will beste Strecken mit geschmeidigster Fahrbahndecke, aber dass der Weg dorthin ein steiniger ist, wird gern übersehen. Modernes Baustellenmanagement hat darum nicht nur mit Technik zu tun.

Die Mitarbeiter des Landesbetriebs Straßenbau NRW sind froh über ihre Webseiten, zum Beispiel über a52.nrw.de. Besucher bekommen hier Informationen über Baustellen und erfahren genau, warum sie auf bestimmten Strecken immer wieder im Stau stecken. Ein Deeskalationsmittel. Denn allein die Information hilft oft schon. Das beste Beispiel: die Ruhrtalbrücke auf besagter A52 zwischen Düsseldorf und Essen. Das Bauwerk aus den 60er Jahren war dem immens gestiegenen Verkehrsaufkommen nicht mehr gewachsen und brauchte eine Generalüberholung. Unter anderem wurde die Stahlkonstruktion der Brücke verstärkt. Dafür mussten teilweise ganze Fahrspuren gesperrt werden, um die Gewichtsbelastung des Bauwerks zu reduzieren.

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Wenn die Baustelle "gut gemacht" ist und schnell wieder verschwindet, bringt der Fahrer sogar jede Menge Verständnis und Geduld auf. (Bild: Straßen.NRW)

Internet-Info beruhigt die Gemüter

"Die Arbeiten fanden in und unter der Brücke statt", erklärt der Geschäftsführer des Landesbetriebs, Harald Friedrich Austmeyer, "sie waren also aus der Autofahrer-Perspektive nicht wahrnehmbar." Natürlich kochten die Emotionen hoch, Autofahrer witterten mutwillige Behinderung, Verschwendung von Steuergeldern oder Schlimmeres. Doch das aufgestellte Schild mit der Internetadresse tat seine Wirkung: "Wir haben auf der Homepage die Bauarbeiten erklärt, und die Zahl erboster Zuschriften und Anrufe ging rapide zurück", sagt Austmeyer.

Der 54-jährige Ingenieur ist einer der Geschäftsführer eines Betriebs mit 6450 Mitarbeitern, verantwortlich für insgesamt etwa 20.000 Kilometer Asphalt und Beton in ganz Nordrhein-Westfalen. Hier wird zentral erfasst, in welchem Zustand sich Straßen, Brücken und Tunnel befinden, und die nötigen Bauarbeiten werden koordiniert. Geld für die rund 2250 Kilometer Autobahn und 5000 Kilometer Bundesstraße kommt aus Berlin, für die restlichen knapp 13.000 Kilometer Landstraße aus der Landeshauptstadt Düsseldorf. Der NRW-Landesbetrieb ist damit der größte in ganz Deutschland und betreut rund ein Siebtel der 140.000 Kilometer Fahrwege über Kreisstraßen-Niveau.

Bauen statt schlafen

Neben den Großbaustellen für Fahrspurerweiterungen, Brückenarbeiten oder den Neubau kompletter Teilstücke fallen auch die unzähligen Tagesbaustellen in die Verantwortung des Landesbetriebs, dazu Gehölzpflege, Schildermontage oder die Fahrbahnreinigung. Um den Verkehr möglichst wenig zu behindern, versucht man, diese Arbeiten außerhalb der Stoßzeiten oder im Idealfall sogar in der Nacht zu erledigen. "Mittlerweile haben wir einen Schnitt von rund 40 Prozent Nachtarbeit. Zum Beispiel sind alle Zusatzschilder für die Fan-Trennung bei der WM nachts angebracht worden", berichtet Austmeyers Kollege Bernd Löchter. Dass irgendwann alle Arbeiten in die Nacht verlegt werden, ist allerdings unwahrscheinlich: Nachtarbeit führt zwar zu weniger Verkehrsbehinderung, ist aber durch die Lohnzuschläge und die aufwendigere Absicherung und Beleuchtung der Arbeitsstelle erheblich teurer. Und schließlich soll auch die Belästigung der Anwohner möglichst gering gehalten werden.

Zeit kostet Geld

Nicht nur die Uhrzeit spielt bei der Baustellen-Planung eine große Rolle, sondern auch der Kalender: "Wenn eine Million Fußballfans unterwegs sind, werden wir natürlich keine Büsche schneiden", sagt Löchter. Mit geschickter Terminierung allein kommt man bei Großbaustellen jedoch nicht weiter. Hier steht der Verkehr zwangsläufig, oft monate- oder jahrelang. So etwa auf der A3 im Osten Kölns, die auf acht Fahrspuren ausgebaut wurde. Hier war auch mit Organisationstalent keine Bewegung in die permanente Blechlawine zu bringen. Das einzige, was noch half, war Geld – um die Arbeiten zu beschleunigen, griff NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke tief in die Tasche: Zusätzliche 4,5 Millionen Euro Bonuszahlungen an die Baufirmen ermöglichten eine zehnmonatige Zeitersparnis. Verlängerte Arbeitszeiten in den Sommermonaten plus Samstagsarbeit sowie rigide Verträge mit handfesten Bonuszahlungen und empfindlichen Konventionalstrafen im Verzugsfall gehören dazu.

Lebensdauer der Straßen erhöht

Sind in Zukunft mehr oder weniger Baustellen zu erwarten? Immerhin lassen der europäische Binnenmarkt und die Öffnung nach Osteuropa den Güterstraßenverkehr im Transitland Deutschland in die Höhe schnellen. Doch die Straßenbauer bleiben gelassen: "Eine herkömmliche Autobahn hat eine Haltbarkeit von etwa 25 Jahren", erklärt Löchter. Da Autobahnen aber nicht gleichmäßig über die Jahre, sondern in Schüben gebaut wurden, verläuft auch der Erneuerungsbedarf zyklisch. "Die letzte große Welle war in den 70ern", so Löchter, "in den Ausläufern der nächsten stecken wir gerade." Danach wird also erst einmal wieder mehr Ruhe auf den Straßen sein.