Vivendi-Chef: Computerspielefans sind keine potenziellen Mörder
Stefan Nußbaum, Geschäftsführer von Vivendi Universal Interactive, kritisiert die Medien für ihre Berichterstattung über Gewalt in Computerspielen.
Stefan Nußbaum, Geschäftsführer von Vivendi Universal Interactive (VUI), hat sich zum ersten Mal persönlich in die neue Diskussion über Gewalt in Computerspielen nach dem Amoklauf von Erfurt eingemischt. In einem offiziellen Statement kritisiert er die vielfach sehr polemische und sachlich falsche Berichterstattung der Medien, die die Unterhaltungsindustrie als "Killerindustrie" diffamiert. Seiner Einschätzung nach sei das in die Kritik geratene Computerspiel Counter-Strike, eine Modifikation der Vivendi-Distribution Half-Life, kein blutrünstiges Ballerspiel, das gewaltbereite Psychopaten zum Training nutzen.
Der VUI-Chef nimmt dabei auch die in den Medien indirekt kritisierte Spielergemeinschaft in Schutz: "Counter-Strike wird auf der ganzen Welt per Internet gespielt. Gamer aus aller Herren Länder spielen zusammen, um die Karten zu lösen. Allen diesen begeisterten Computerspielefans vorzuwerfen, sie seien potenzielle Mörder, ist einfach ungerecht", sagte Nußbaum.
Darüber hinaus äußerte Nußbaum in einem Gespräch mit heise online seine Bedenken über die gestern im Bundeskabinett beschlossene Novellierung des Jugendschutzgesetzes, die vor allem schärfere Bestimmungen für gewaltdarstellende Videospiele und -filme vorsieht. "Verbote sind der denkbar schlechteste Weg, um auf solche Geschehnisse zu reagieren", sagte Nußbaum gegenüber heise online. "Wir müssen eher daran arbeiten, die Menschen, die uns jetzt mit Misstrauen gegenüber stehen, über unser Handeln und unsere Produkte aufzuklären -- die Medienkompetenz der Leute muss daher erhöht werden", fügt Nußbaum hinzu.
Außer dem positiven Aspekt der zukünftig dem Gesetz zufolge sichereren Rechtsstellung für Computerspiele erkennt der Vivendi-Chef in der vom Bundesfamilienministerium beschlossenen Novellierung nur "puren Aktionismus", der nach Erfurt vom Zaun gebrochen wurde. "Man versucht hier, ein komplexes Thema einfach zu lösen. Wir sehen in der ganzen Neuregelungsdebatte eher den Versuch der Bundesregierung, eine Zensur einzuführen. Damit spricht man den Erwachsenen eine gewisse Medienkompetenz ab", resümiert Nußbaum.
Auf Unverständnis in der Spielergemeinde ist ein am Dienstag im ZDF-Magazin Frontal 21 gesendeter Bericht über die Gewaltdarstellung in Computerspielen gestoßen. In dem Beitrag "Spiel mit dem Tod" wurde auch Stefan Nußbaum interviewt, dessen Antworten nach Ansicht der Community und der Branchen-Webseite GamesMarkt.de bewusst nur als "Verschnittmaterial" genutzt wurde. "Somit entsteht der Eindruck, dass der Autor das Material bewusst als Stilmittel eingesetzt habe, um den VUI-Geschäftsführer und damit die ganze Branche in ein schlechtes Licht zu rücken", schreibt GamesMarkt.de.
Unbeirrt von der Meinungsmache gegen die Softwareindustrie hat das Hessische Institut für Lehrerfortbildung eine Lanze für die Softwareindustrie und ihre Distributoren gebrochen. In einem heise online vorliegenden Brief bestätigt das Institut, dass Schüler zwischen sechs und zwanzig Jahren in einem zweijährigen Test durch PC- und Konsolenspiele nicht aggressiver oder gewaltbereiter geworden sind. "Das Gegenteil ist eher der Fall", heißt es in dem Papier.
Zu den Geschehnissen in Erfurt und der Diskussion um die Ursachen siehe auch die Berichterstattung in Telepolis und im heise-Newsticker: (daa)
- Schärfere Jugendschutzbestimmungen für neue Medien beschlossen
- Die FAZ und die Trittbrettfahrer -- der aufmerksamkeitsorientierte "Hacker mit Ethik", der die gefakte Website des Erfurter Amokläufers Steinhäuser vom Netz genommen hat, kann sich in der konservativen Zeitung feiern
- Stoiber fordert generelle Reglementierung des Internet
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