Vodafone Stiftung: KI sollte Thema im Unterricht sein
Jugendliche gehen davon aus, dass KI in ihrem Arbeitsleben eine größere Rolle spielen wird. In Schulen werde der Umgang damit aber kaum gelehrt.
Deutsche SchĂĽlerinnen und SchĂĽler wĂĽnschen sich laut einer aktuellen Jugendstudie der Vodafone Stiftung im Unterricht eine Thematisierung von KI-Anwendungen und auch das Erlernen des Umgangs mit ihnen. Dass diesem Wunsch schnell nachgekommen werden sollte, untermauern einige Antworten der Jugendlichen.
89 Prozent von ihnen gaben an, dass sie sich vor allem für die Informationssuche von KI unterstützen lassen würden, 58 Prozent nutzen sie bereits zu diesem Zweck. Hingegen weisen nur 64 Prozent der Jugendlichen darauf hin, dass es wichtig ist zu wissen, dass KI-Tools Fehler machen können. Dementsprechend sagen sie auch, dass die Fähigkeit, nicht alles zu glauben, was gelesen oder gesehen wird, beim Umgang mit KI besonders wichtig ist. Und nur noch 46 Prozent geben an, dass sie im Unterricht mehr über mit KI verbundene Gefahren und den Umgang damit lernen wollen.
Dass Künstliche Intelligenz nicht immer verlässlich ist, halluziniert und Informationen auch falsch zusammenziehen kann, sollte allerdings weitaus mehr Jugendlichen bewusst gemacht werden – oder auch in welchen Situationen sie unwissentlich bereits KI-Systeme nutzen.
Entscheidend fĂĽr die Zukunft
Die Vodafone Studie mit dem Titel "Pioniere des Wandels. Wie Schüler:innen KI im Unterricht nutzen möchten" wurde in diesem Januar im Auftrag von Vodafone von Infratest dimap unter 1590 Jugendlichen im Alter von 14 bis 20 Jahren durchgeführt. Sie ist repräsentativ. Die Haltung zu KI ist in der Mehrzahl positiv. 73 Prozent der Befragten sehen im Einsatz von KI eher eine Chance als eine Gefahr. Auch sind die Jugendlichen in der Mehrzahl (86 Prozent) davon überzeugt, dass Künstliche Intelligenz in der Zukunft fester Bestandteil ihres Alltags sein wird.
Über zwei Drittel (69 Prozent) gehen davon aus, dass Kenntnisse zu KI zukünftig mehr über beruflichen Erfolg entscheiden werden. Nur ein knappes Drittel (31 Prozent) hält dies für die berufliche Perspektive eher nicht für entscheidend. Die Einschätzung variiert je nach sozialer Schicht. Kinder der oberen Mittel- und der Oberschicht messen KI mehr Relevanz für ihr Arbeitsleben zu als Kinder der Unter- und Arbeiterschicht. 58 Prozent der Befragten wünscht sich deshalb, dass der Umgang mit KI-Anwendungen fester Bestandteil des Unterrichts wird – auch hier wünschen sich das verhältnismäßig mehr Jugendliche der Mittel- und Oberschicht als Heranwachsende unterer Schichten.
Geregelter Einsatz im Unterricht noch selten
Jeweils 38 Prozent der Jugendlichen gaben an, dass der Einsatz von KI in ihrer Schule derzeit gar kein Thema ist oder es keine einheitliche Regelung dazu gibt. Nur 17 Prozent der Befragten konnten angeben, dass die Nutzung von KI in der Schule erlaubt ist und es dazu Regeln gibt.
Ab wann KI in der Schule ein Thema sein sollte, ist für die Befragten recht klar. Die Mehrheit spricht sich dafür aus, dass KI erst ab der Sekundarstufe I oder II in den Unterricht eingebunden werden sollte. Nur 9 Prozent sprechen sich für ein Erlernen des Umgangs bereits in Grundschule, Kita und Vorschule aus. 24 Prozent können sich Unterricht zu und mit KI ab der fünften Klasse vorstellen, 33 Prozent ab der siebten Klasse, 19 Prozent fordern, dass dieser erst ab der Sekundarstufe II erfolgen sollte. Dass der Umgang mit KI gar nicht an Bildungseinrichtungen gelehrt werden sollte, befürworten 9 Prozent.
ChatGPT Spitzenreiter; meiste Nutzung: Informationssuche
Dass Jugendliche KI längst in ihrem Alltag nutzen, macht die Studie auch deutlich. 74 Prozent setzt KI-Tools schon ein. Nur 26 Prozent haben bislang weder im Unterricht noch zu Hause KI wissentlich ausprobiert. Die Anwendung von KI-Systemen erfolgt dabei häufiger auf eigene Initiative für private oder schulische Zwecke, aber ohne Veranlassung von Lehrkräften (71 Prozent). Das meistgenutzte KI-Tool ist ChatGPT (46 Prozent) von Open AI, darauf folgen Google Lens (25 Prozent), Apples Siri (24 Prozent), Snapchats "My AI" (19 Prozent), DeepL (14 Prozent), Google Bard (7 Prozent) und Grammarl (4 Prozent). Weit abgeschlagen mit nur jeweils 2 Prozent sind Midjourney, Dalle und Grok (von X/Twitter).
Genutzt werden die KI-Tools vor allem für die Recherche beziehungsweise Informationssuche (58 Prozent). 50 Prozent der Befragten lassen sich von KI Begriffe erklären, 45 Prozent ganze Themen. 32 Prozent erhoffen sich ein Aufzeigen von Lösungswegen, 27 Prozent komplette Lösungen oder Texte. Ein Feedback zur eigenen Arbeit lassen sich bisher nur 13 Prozent mittels KI-Anwendungen geben.
Recherche nur noch ĂĽber Chatbots?
Befragt dazu, bei welchen Aufgaben sich Heranwachsende am ehesten von KI unterstützen lassen würden, sagen 89 Prozent, dass KI für die Informationssuche passend sei. 84 Prozent würden sie für Übersetzungen aus Fremdsprachen heranziehen. Für 72 Prozent könnten KI-Tools zum Lösen mathematischer Aufgaben eingesetzt werden. 68 Prozent würden sie auch für die die Erstellung von Zusammenfassungen heranziehen, 67 Prozent, um Texte schreiben zu lassen.
Die Heranwachsenden wĂĽnschen sich zu jeweils 57 Prozent, dass die KI-Nutzung im Fremdsprachenunterricht und im Mathematikunterricht erfolgen sollte, 51 Prozent in den Naturwissenschaften und Technik. 36 Prozent wĂĽnschen sich den Einsatz in den Gesellschaftswissenschaften und Geschichte, 35 Prozent im Fach Deutsch.
Negative Folgen des KI-Einsatzes in Schulen
Dass sich der Einsatz von KI in Schulen auch negativ auswirken kann, ist den Jugendlichen zum Teil bewusst. 57 Prozent der Befragten bejahten etwa, dass eine Unterscheidung zwischen eigener Leistung und Leistung der KI zukünftig sehr schwerfallen könnte. 49 Prozent glauben auch, dass das Lernen verlernt werden könnte. 34 Prozent sind der Auffassung, dass Schummeln nicht mehr aufgedeckt werden könnte und 32 Prozent glauben an einen Kompetenzverlust: Bestimmte Aufgaben könne man nicht mehr ohne KI lösen, wenn sie in den Schulen eingesetzt wird und eingesetzt werden darf. 30 Prozent sehen die Gefahr, dass eine KI aufgrund ihrer Trainingsdaten voreingenommen ist, 28 Prozent gehen davon aus, dass der persönliche Lernfortschritt gespeichert und möglicherweise durch Fremde eingesehen werden könnte. 27 Prozent bemängeln, dass am Ende nicht mehr eine Lehrkraft, sondern eine KI über Noten entscheidet.
Sehr einig sind sich die Jugendlichen in der Einschätzung, dass der Einsatz von KI den Unterricht in den kommenden Jahren stark verändern wird – das glauben fast 80 Prozent. Aus ihrer Sicht wird sich dadurch auch das Prüfungssystem verändern. 59 Prozent erwarten etwa, dass Prüfungen zukünftig eher praktische Anwendungen und Problemlösungsfähigkeiten testen werden, statt die Ergebnisse reinen Auswendiglernens; 46 Prozent sehen auch das Testen kritischen Denkens im Vordergrund. Für 52 Prozent wird der individuelle Lernstand mehr Relevanz haben, für 39 Prozent wäre auch die kontinuierliche Bewertung von Lernfortschritten ein Ersatz für Klassenarbeiten. Ebenfalls 39 Prozent erwarten mehr mündliche Prüfungen.
Hoffnungen und Unsicherheiten
Welche Unsicherheiten bezüglich der Chancen im Unterricht bestehen, zeigen auch einige weitere Antworten der Jugendlichen, die nicht über die 50-Prozent-Hürde springen. Auf die Frage hin "Was erhoffst Du Dir vom KI-Einsatz beim Lernen oder im Unterricht?" antwortet knapp die Hälfte (49 Prozent): "Erklärungen zu Themen, die ich nicht verstanden habe". Darauf folgt mit 47 Prozent eine erhoffte Unterstützung bei der Suche nach Informationen. 39 Prozent der Befragten wünschen sich eine Arbeitserleichterung in unbeliebten Fächern und 38 Prozent die Möglichkeit, Aufgaben schneller zu bearbeiten.
Folgende Vorteile könnten sich laut einem Teil der Heranwachsenden durch die Nutzung von KI im Unterricht ergeben: Jeweils 42 Prozent erwarten, dass es gezielte Analysen von Fehlern und Vorschläge für Verbesserung mit Erklärungen während des gesamten Lernprozesses geben könnte und auch dass das Lernen im eigenen Tempo und auf eigenem Niveau eher möglich wäre. Noch 38 Prozent erwarten, dass durch digitale Inhalte eine anschauliche Gestaltung des Unterrichts erreicht wird, 36 Prozent, dass die Entwicklung von Fähigkeiten statt das Lernen von Faktenwissen im Vordergrund stehen könnte. 35 Prozent glauben an einen Zeitgewinn für Lehrkräfte. Diese könnten sich dann mehr um Schüler kümmern. Und 34 Prozent gehen davon aus, dass auch sie mehr Zeit für eigene Projekte durch Auslagerung von Aufgaben an die KI erhalten könnten.
Die Thematisierung von KI im Unterricht sollte aus Sicht von 47 Prozent der Jugendlichen die sinnvolle Nutzung zum Lernen behandeln, 46 Prozent möchte mehr über mit KI verbundene Gefahren und den Umgang damit wissen. Wie KI tatsächlich funktioniert, interessiert 30 Prozent der Befragten. Programmierkenntnisse halten derweil nur 18 Prozent für wichtig, um richtig mit KI umgehen zu können.
Matthias Graf von Kielmansegg, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung, erklärt zur Studie: "Schülerinnen und Schüler in Deutschland sehen in der Integration von KI eine Chance, den Unterricht entscheidend zu verändern und damit Lern- und Lehrmethoden zu verbessern. Mich macht es zuversichtlich, dass die Jugendlichen bereits Vorstellungen davon haben, welche Aspekte von KI in das Curriculum aufgenommen werden sollten und welche Kompetenzen im Umgang mit KI gefördert werden müssen. Deutlich wird aber auch, dass die Festlegung der grundlegenden Lerninhalte und die didaktische Einbettung in das schulische Lernen noch eine große Baustelle sind."
(kbe)