Vor der Bundestagswahl 2017: Programm und Positionen der SPD

Seite 2: "Arbeiten 4.0"

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Die SPD sieht es ferner als politische Aufgabe, "die Digitalisierung unserer Arbeitswelt zu gestalten". Arbeiten 4.0 heißt für sie: "Gesetzliche Rahmenbedingungen, tarifvertragliche Regelungen und betriebliche Ausgestaltung müssen ineinandergreifen, um die Chancen zu nutzen". Mehr selbstbestimmte Arbeitszeitgestaltung ist ein zentrales Ziel, um mehr Vereinbarkeit von Arbeit und Leben zu ermöglichen. Beschäftigte sollen mehr Wahlmöglichkeiten bei ihrer Arbeitszeit und für ihren Arbeitsort erhalten, sofern betriebliche Belange dem nicht entgegenstehen.

Auch in einer digitalisierten Arbeitswelt halten die Sozialdemokraten aber Ruhezeiten für nötig. Sie wollen daher "eine Klarstellung des Rechts auf Nicht-Erreichbarkeit schaffen, um Belastungen, die sich mit orts- und zeitflexibler Arbeit verbinden, zu begrenzen".

Vor der Verwaltung soll die Digitalisierung nicht halt machen und stattdessen das hierzulande lahmende E-Government in Schwung bringen. "Die meisten Behördengänge sollen sich in Zukunft auch online erledigen lassen", steht in dem Programm. Das digitale Rathaus sei benutzerfreundlicher, zugleich könne die Verwaltung selbst dadurch effizienter und fehlerfreier arbeiten und möglichst viele Dienstleistungen aus einer Hand anbieten. Wie bei der CDU kommt hier das auch von Schulz geforderte Online-Bürgerkonto ins Spiel: "Wir wollen, dass Nutzer sich einfach und sicher mit einer Zugangsberechtigung für alle Verwaltungsdienstleistungen identifizieren können". Niemand solle seine Daten mehrfach übermitteln müssen, spricht sich die SPD für das "Once only"-Prinzip aus. Den jeweiligen Bearbeitungsstand auf dem Amt sollen Antragsteller jederzeit nachvollziehen können.

Sicherheit haben die Sozialdemokraten als "ein zentrales Bedürfnis der Menschen" ausgemacht. Ähnlich wie CDU und CSU gelobt der bisherige Koalitionspartner: "Wir werden konsequent mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen Terror und extremistische Gewalt vorgehen". Dafür habe Schwarz-Rot bereits "die gesetzlichen Grundlagen geschaffen", heißt es in dem Programm, ohne Details wie die beschlossene Vorratsdatenspeicherung oder den Einsatz von Staatstrojanern auch zur Bekämpfung von Alltagskriminalität zu erwähnen. Jetzt komme "es auf die konsequente Umsetzung der Gesetze an".

Ebenfalls im Gleichschritt mit den Konservativen will die SPD 15.000 neue Stellen bei der Polizei in Bund und Ländern schaffen. "Wo Videotechnik hilft, Gefahren vorzubeugen und Beweise zu sichern, soll sie eingesetzt werden", findet sich eine weitere Parallele zur Union. Für mehr Sicherheit soll vor allem eine bessere Zusammenarbeit der Behörden sorgen. Das Bundeskriminalamt wollen die Sozialdemokraten in seiner zentralen Koordinierungsfunktion stärken, alle Ermittlungsbehörden sollen für ihre Arbeit "dem technischen Fortschritt entsprechend mit moderner IT- und Kommunikationstechnologie ausgerüstet werden".

Die Datensysteme der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern will die SPD "unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Vorgaben vereinheitlichen". Auch die Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz soll zur Gefahrenabwehr verstärkt werden, das Stichwort der Trennungsgebot fällt nicht.

Die Kontrollen an den Außengrenzen des Schengenraums wollen die Sozialdemokraten verstärken und das Grenzkontrollsystem der Schengen-Mitgliedstaaten effektiv umsetzen. Das europäische Polizeiamt Europol und die europäische Grenzschutzagentur Frontex sollen stärker in die Terrorismusbekämpfung einbezogen werden. Kanzleraspirant Schulz ist mittlerweile mit teils zusätzlichen 10 Punkten zur inneren Sicherheit über die Forderungen aus dem Wahlprogramm noch hinausgegangen.

Laut SPD-Credo sind "rechtsstaatlich legitimierte, leistungsfähige Nachrichtendienste mit umfassender parlamentarischer Kontrolle" nötig. Dabei soll das Bundesamt für Verfassungsschutz vermehrt die Rolle eines "Frühwarnsystems" für die freiheitliche und demokratische Gesellschaft übernehmen. "Wir haben den Bundesnachrichtendienst reformiert und durch mehr Transparenz und Kontrolle endlich aus der rechtlichen Grauzone herausgeholt", loben die Sozialdemokraten die umstrittene Gesetzesnovelle, mit der die große Koalition die Befugnisse des Auslandsgeheimdienstes deutlich erweitert und an die der NSA angepasst hat. An dieser Linie wollen sie festhalten.

"Mit der wachsenden Bedeutung des Internets und der wachsenden Abhängigkeit von vernetzter Technik wird die Frage nach Sicherheit im Netz zugleich zur Frage nach der Sicherheit vieler wichtiger anderer Bereiche", konstatiert die bei Überwachungsfragen oft mit Bauchschmerzen agierende SPD. Der NSA-Skandal und die Internetkriminalität verunsicherten die Menschen. Die Ansage lautet daher: "Wir wollen das Freiheitsversprechen des Netzes zurückgewinnen." Der Erfolg des Internets beruhe schließlich gerade auf seiner freiheitlichen und offenen Architektur, die erhalten und ausgebaut werden müsse.

Die Sozialdemokraten wollen sich so auf internationaler Ebene für Regeln einsetzen, mit denen Bürger, Wirtschaft und öffentliche Institutionen vor Ausspähung und Cyberangriffen geschützt werden. Ziel bleibt ein bereits ins Spiel gebrachtes, aber bislang kaum erreichbar scheinendes "Völkerrecht des Netzes", das die digitalen Grundrechte definiert. Deutschland und Europa will die SPD "als führenden Standort für Datenschutz und IT-Sicherheit etablieren" und innerhalb der EU für eine digitale Grundrechtecharta werben.

Von einer härteren Kryptoregulierung halten die Sozialdemokraten nichts; sie wollen "einfache und sichere Lösungen für die elektronische Identifizierung und Verschlüsselung für jedermann verfügbar machen". Sensible Daten müssten grundsätzlich verschlüsselt versendet werden, gerade in der öffentlichen Verwaltung. Die Spionageabwehr der Geheimdienste will die SPD "technisch und rechtlich in die Lage versetzen, effektiver gegen Cyberangriffe und Spionage fremder Nachrichtendienste vorzugehen". Das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) soll ausgebaut und in seiner "neutralen Rolle und Beratungsfunktion" gestärkt werden.

Die Produkt- und Herstellerhaftung wollen die Sozialdemokraten anpassen, damit "auch Schäden aufgrund von Programmierfehlern oder unzureichenden Verschlüsselungen oder mangelnder IT-Sicherheit so geregelt sind" wie solche aufgrund von Produktionsfehlern: "Wir werden eine eindeutige und faire Haftungskette auch für digitale Produkte und Dienstleistungen sowie ein Gütesiegel für IT-Sicherheit schaffen."