Was war. Was wird. Von Palmen, Präsidenten und dem großen Push zum 1. Mai

Jede Menge Abschiede und trotzdem große Worte beim BND kommentiert Hal Faber in dieser Woche. Hoffnungen macht das alles nicht. Dann doch lieber zu den Netzaktivisten gucken, aber wen holen die sich denn ins Boot?

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Was war. Was wird. Von Palmen, Präsidenten und dem großen Push zum 1. Mai

Zu viele Daten gibt es nicht. Immerhin wollen die ja auch noch geteilt werden.

(Bild: Jonathan McIntosh, CC BY-SA 2.0)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

Die BND-Palme

*** In Berlin ist Frühling, doch traurig steht die Kunstpalme (oder ist es Palmenkunst?) im Hof des Bundesnachrichtendienstes herum. Heiße Tränen fließen, aber wenigstens sind diesmal die Wasserhähne dicht, es gibt keinen Watergate-Skandal. In dieser Woche musste BND-Chef Gerhard Schindler (FDP) seine Teppiche zusammenrollen und flog fristlos entlassen aus dem Amt, weil er Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) auf die Palme brachte. Der führt die politische Fachaufsicht über den BND und ist nach dem neuen BND-Gesetz dafür zuständig, welche Dateien der BND speichern darf. Spindler wollte nach der einigermaßen überstandenen NSA-Affäre noch weiter reichende Dateibefugnisse haben.

Auch der Vizepräsident des Amtes, der traditionell vom Auswärtigen Amt kommt, ist seinen Posten los. Michael Klor-Berchtold soll Botschafter im Iran werden, wo Deutschland kräftig mitverdienen will am erwarteten Wirtschaftsboom. Sigmar Gabriel fliegt schon mal vor mit einer prominent besetzten Wirtschaftsdelegation und pfeift auf seine Jungsozialisten.

Armer BND, kopflos liegt der Schiessscharten-Trumm an der Spree, denn auch der dritte Mann in der Nomenklatura, der traditionell für die Militärverbindung zuständig ist, ist erst seit Anfang des Monats dabei, die Verbindung zur kämpfenden Truppe zu verzahnen. So wird die große BND-Reform mit Bruno Kahl (CDU) als Reförmchen enden und zu einem Heimspiel für die Bundeskanzlerin Angela Merkel, mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Schäuble.

Der hatte bekanntlich gefordert, dass dem BND durch die Reform mit einem rechtlichen Rahmen nicht die Hände gebunden werden dürfen, die man in Kontakt mit anderen Diensten halt schon mal schmutzig machen muss. Für diesen Schmutz sind ja die wieder installierten Wasserhähne da. Freuen wir uns über den nächsten Journalisten-Skandal mit der Überwachung deutscher Medien durch diesen "Auslandsdienst". Das Revanche-Foul zur Berichterstattung über den NSA-Untersuchungsausschuss wird, nun ja, vorprogrammiert.

*** Die Bundesregierung kann bei ihrer Reform von den Kaaseköppen lernen: dort bekommen die beiden Geheimdienste für In- und Ausland eine weit reichende Reform spendiert, die es ihnen erlaubt, die Internet-Kommunikation abzuhören und die dabei angefallenen Rohdaten an befreundete Dienste anderer Länder weiterzugeben. Alles im Namen der Abwehr terroristischer Gefahren, wenn der Abgriff "ermittlungsgerichtet" ist und kein generelles Abhören auf Vorrat. Die Hände sind frei, sie können verraten, tralala. So sieht er aus, der Weg in die smarte Diktatur. Dabei ist es einfach notwendig, dass wir dem BND und anderen Diensten Daten liefern für die harte Arbeit der Selektoren und unermüdlich schuftende Algorithmen, die die Schufte überführen sollen. Es muss doch möglich sein, Terroristen wie die Abdeslam-Brüder zu erkennen und ihnen eine Fußfessel zu verpassen. Wenn die nicht mehr sendet, hat man schneller den Ort lokalisiert, an dem sie sich in ihr Paradies gesprengt haben.

*** Als der BND entstand, versuchte sein damaliger Chef Reinhard Gehlen, gleichzeitig auch Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu werden, mit dem schlagenden Argument vom flüssigen Informationsaustausch in ein und derselben Person. Ja, damals hatte man das gemeine Terrorabwehrzentrum und seine tollen Verbunddateien noch nicht. Nun hat der Verfassungsschutz für seine rückhaltsvolle Aufklärung der NSU-Morde und den landesverräterischen Anschlag auf netzpolitik.org gerade den Big Brother Award für sein Lebenswerk erhalten, da kommt neue Kunde. Glaubt man der Exklusiv-Eilmeldung von Correctiv, so galt der Angriff gar nicht den Netzpolitikorgern, sondern den lästigen kontrollierenden Parlamentariern, diese "Durchstecher" im Namen des Volkes. Da ist es doch besser, wenn die Arbeitsplätze der Verfassungsschützer ordentlich verschlüsselt werden. Sachsen-Anhalt war da schon immer ein großes Vorbild.

*** Ein Nachtrag: In der letzten Wochenschau habe ich einiges zur Entscheidung in Sachen BKA-Gesetz geschrieben und über die Reaktion unseres Bundesinnenministers. In dieser Woche hat Thomas de Maizière sich sehr ausführlich zum Datenschutz und dem Datenreichtum geäußert, den zu heben für alle ein schöner Schatz wäre. Dabei erzählte er, dass seit Inkraftreten des BKA-Gesetzes im Jahre 2009 insgesamt 80 Personen vom Gesetz betroffen waren und fragte in die Runde der Zuhörer:

Ist das "Massen-Überwachung"? Ist das "Daten-Sammel-Wut"? Ist das "grenzenlose Überwachung Unschuldiger"?

Ja, denn selbst in dieser Rede fehlte jeder Hinweis, dass mit den Regelungen Anschläge verhindert worden sind. Dafür fehlte der Standard-Hinweis nicht, dass zu unser aller Sicherheit der "Informationsaustausch im Inland und mit ausländischen Partnern" absolut notwendig ist. Überwachung wird gemacht, es geht voran.

Was wird.

*** Heraus, heraus zum 1. Mai, und sei es nur, um auf dem VCFE in München-Ost alte Schnauferl zu sehen und darüber zu rätseln, wie man mit ihnen Bierflaschen aufmachen kann. Mit uns zieht die neue Zeit 4.0! In Berlin tobt längst die antikapitalistische Walpurgnisnacht und der ewige Kampf von Köfte (Myfest) gegen Bratwurst DGB-Demo), mit den Autonomen irgendwo dazwischen. Auch anderswo werden die Siege der arbeitenden Klasse gefeiert.

*** Arbeit? Mit dem durchaus proletarisch klingenden Hashtag #Schichtwechsel legt Microsoft auf der re:publica das hierarchielose Unternehmen zu feiern, das endlich fesche Windows bekommt. Microsoft darf sich als ordentlicher Sponsor Gedanken machen und eine Keynote über Big Data halten, mit dem der Terror-Graph ermittelt werden kann. Bei allem Tamtam ist es verwunderlich, dass der neue Chefguru Yuri van Geest nicht mit von der Partie ist, der das MS-Credo von den Exponential Organisations predigt, eine Art RAMDRIVE.SYS für Konzerne.

Spiderman-Comic von 1977, den ein Richter las und zur Geschäftsidee der Firma machte, die heute zu 3M gehört und praktisch alle Fußfesseln in Deutschland liefert

*** Auch der zweite Großsponsor IBM lässt sich auf der re:publica nicht lumpen. Er stellt sein VDISK.SYS vor, hoppla nein, natürlich sind "Enterprise Social Networks" gemeint, in dem alle Teammitglieder sich am Blick auf ihren Social Graph erfreuen und Manager "eine High Level-Sicht [haben], wie aktiv Teams zusammen arbeiten". Ja, auch dieses Thema war schon in der letzten Wochenschau zu lesen, da der Blick in die Arbeitswelt von heute einen Big Brother Award bekommen hat. Die inoffizielle Reaktion des re:publica-Ausstellers ist durchaus interessant. Bei der Arbeit verstehen wir keinen Spaß. Und am Ende singen alle Purple Rain, aus Gründen. Oder wir wäre es mit "Dem Morgenrot entgegen", einer einstmals verbotenen Tiroler Verunglimpfung, aus einer Zeit, als es noch keine elektronischen Fußfesseln gab?

Wir haben selbst erfahren der Arbeit Frontgewalt in düstren Kinderjahren und wurden früh schon alt. Sie hat an unserm Fuß geklirrt die Kette, die nun schwerer wird. (mho)