Weltraumteleskop James Webb bestätigt mysteriöse Diskrepanz bei Hubble-Konstante
Als mit dem Weltraumteleskop James Webb die Arbeit seines Vorgängers zur Hubble-Konstante bestätigt wurden, wurden Zweifel laut. Die wurden jetzt ausgeräumt.
Das Weltraumteleskop James Webb hat erneut Messungen des Weltraumteleskops Hubble zur Expansionsgeschwindigkeit des Universums bestätigt und dabei den gesamten Bereich überprüft, den das ikonische Observatorium dabei abgedeckt hat. Das teilte eine Forschungsgruppe um den Physik-Nobelpreisträger Adam Riess jetzt mit. Der meint, nach dem Ausschluss möglicher Messfehler verbleibe jetzt nur noch die "reale und aufregende Möglichkeit, dass wir das Universum missverstanden haben". Dabei bezieht er sich auf die sogenannte Hubble-Spannung ("Hubble Tension"). So wird die sich immer weiter verfestigende Abweichung zwischen dem ermittelten Wert für die sogenannte Hubble-Konstante im frühen und im gegenwärtigen Universum bezeichnet.
Messungen von Hubble für die ganze Distanz bestätigt
Eine erste Bestätigung der mit dem Weltraumteleskop Hubble ermittelten Werte war bereits im September vorgestellt worden. Danach sei aber darauf hingewiesen worden, dass bislang übersehene Fehler das Ergebnis mit zunehmender Entfernung trotzdem noch systematisch verzerren könnten, schreibt die Forschungsgruppe. Um das zu überprüfen, habe man weitere Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop James Webb (JWST) durchgeführt. Dafür seien fünf besonders weit entfernte Galaxien mit insgesamt acht Supernovae und rund 1000 sogenannten Cepheiden analysiert worden. Das sind pulsierende Sterne, deren regelmäßige Helligkeitsveränderungen streng mit der absoluten Leuchtkraft zusammenhängen, wodurch sie zu einem entscheidenden Hilfsmittel bei der Entfernungsmessung geworden sind.
Durch die jetzt in The Astrophysical Journal Letters veröffentlichte Arbeit habe man die Messungen des Weltraumteleskops Hubble für die komplette abgedeckte Distanz bestätigt, schreibt Riess. Der im Herbst vorgebrachte alternative Erklärungsversuch könne mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden. Geprüft und bestätigt sei damit die Expansionsgeschwindigkeit des Universums bis zu einer Distanz von 130 Millionen Lichtjahren. Vorstellen solle man sich das wie einen Fluss, an dessen Ufer ein stabiler Ankerpunkt eingerichtet worden sei. An der gegenüberliegenden Seite sei mit der Messung des ESA-Weltraumteleskops Planck ein ähnlich stabiler Punkt etabliert, nur dass beide nicht übereinstimmen. Was – in den Milliarden Jahren – dazwischen passiert ist, müsse weiter ermittelt werden.
Verschiedene Erklärungsversuche
Die Hubble-Konstante (H0) ist eine fundamentale Größe der Kosmologie. Der Wert weist aus, mit welcher Geschwindigkeit sich ein Objekt in einer Entfernung von einem Megaparsec (3,26 Millionen Lichtjahre) allein aufgrund der Expansion des Universums von uns entfernt (die Andromedagalaxie ist beispielsweise etwa 0,89 Megaparsec von uns entfernt). Erstmals berechnet wurde die Konstante von dem US-Astronomen Edwin Hubble. Obwohl die Messungen in den vergangenen Jahren immer genauer wurden, lieferten sie keinen einheitlichen Wert. Zwei Messverfahren ergaben voneinander abweichende Werte, deutlich außerhalb der jeweiligen Fehlerrate. Auch eine gänzlich neue Messmethode hat die mysteriöse Diskrepanz nicht aufgelöst. Ein anderes Forschungsteam hält die Diskrepanz dagegen für gelöst.
Auch die neue Arbeit liefert nun keine Antwort darauf, warum das Universum so viel schneller expandiert, als aus den Messungen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds geschlussfolgert wurde. Stattdessen vertieft sie nur die Diskrepanz. Die spannenderen Erklärungsversuche beruhen auf exotischer Dunkler Materie, exotischer Dunkler Energie, eine Überarbeitung unseres Verständnisses der Schwerkraft oder eines bislang unbekannten Felds oder Teilchens. "Banalere" Erklärungsversuche haben dagegen auf mögliche systematische Messfehler verwiesen. Das wurde jetzt für eine weitere Annahme ausgeschlossen. "Wir müssen herausfinden, ob wir etwas übersehen, mit dem sich das frühe und das aktuelle Universum verbinden lässt", meint Riess.
(mho)