Wirtschaftsverbände warnen vor Hängepartie bei Regierungsbildung
Die Bundestagswahl ist gelaufen. Doch es ist offen, welche Parteien die neue Regierung bilden. Wirtschaftsverbände drängen zu Entscheidungen.
Wirtschaftsverbände haben vor einer langen Regierungsbildung nach der Bundestagswahl gewarnt. Alle Parteien müssten Verantwortung zeigen, Prioritäten angehen und auf "taktische Manöver" verzichten, sagte der Präsident des Industrieverbandes BDI, Siegfried Russwurm, am Montag. Um Herausforderungen wie Klimaschutz, digitalen Wandel oder geopolitische Krisen zu bewältigen, brauche man etwa eine Verwaltungsreform, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und ein Wachstumsprogramm.
Lange Koalitionsverhandlungen befürchtet
Auch die Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, Kerstin Andreae, forderte, es dürfe keine monatelange Hängepartie geben. "Wir brauchen schnellstmöglich eine Koalition für Klimaschutz und Energiewende.
"Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sagte, das einzig klare Wahlergebnis sei, dass es viele Koalitionsmöglichkeiten gebe. "Das lässt leider befürchten, dass es Wochen dauern kann, bis Koalitionsverhandlungen zu einem Ergebnis führen." Genau das müsse vermieden werden, solle eine Erholung der Wirtschaft nicht abgebremst werden. "Eine Hängepartie und eine ähnlich lange Verhandlungsphase wie 2017 ist in diesen ungewissen Zeiten das Letzte, was unsere Betriebe und Unternehmen gebrauchen können." Ähnlich äußerte sich der Präsident des Digitalverbandes Bitkom, Achim Berg: "Die taktischen Spiele von damals haben wertvolle Zeit gekostet, doch die Digitalisierung duldet keinen Aufschub."
Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft forderte Perspektiven für Investitionen. "Der Wirtschaftsstandort Deutschland verträgt angesichts schlechter Wirtschaftsdaten nicht noch einmal Koalitionsverhandlungen im Bummelzugtempo", sagte Bundesgeschäftsführer Markus Jerger.
Union will über Regierungsbildung verhandeln
Die SPD hatte am Sonntag die Bundestagswahl gewonnen und plant, mit Olaf Scholz den Kanzler zu stellen. Allerdings will auch die zweitplatzierte Union unter Spitzenkandidat Armin Laschet mit FDP und Grünen sprechen. Nach der Wahl 2017 scheiterte ein solches Bündnis nach wochenlangen Gesprächen. Danach dauerte es Monate, bis sich Union und SPD auf eine Neuauflage ihrer Koalition einigten. Angela Merkel wurde schließlich ein knappes halbes Jahr nach der Wahl vom Bundestag als Kanzlerin bestätigt.
Der Präsident des Immobilienverbands ZIA, Andreas Mattner, sagte mit Blick auf das jetzige Ergebnis, Deutschland brauche Klarheit. "Die Patt-Situation belastet die Wirtschaft insgesamt und sorgt für Abwarten statt Handeln. Als Immobilienbranche brauchen wir rasch Entscheidungen, wie wir zu mehr Wohnungsbau und zu einer Belebung der Innenstädte kommen können." Auch der Einzelhandelsverband HDE pochte auf eine Stärkung der Innenstädte sowie Entlastungen für Unternehmen.
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Der Präsident des Verbands Familienunternehmer, Reinhold von Eben-Worlée, betonte, es komme nun auf die Grünen und FDP an. Die nächste Bundesregierung müsse lernen, beim Thema Nachhaltigkeit die Wirtschaft als Partner zu begreifen, nicht als Gegner. Der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Anton Börner, erklärte, es gehe um eine Bekämpfung des Klimawandels mit "Tempo und Augenmaß" und die Modernisierung des Wirtschaftsstandortes.
Bundesrepublik noch nie so gespalten
Auch von Ökonomen kamen Forderungen, schnell Entscheidungen zu treffen. Die Bundesrepublik sei noch nie so gespalten gewesen, erklärte der Präsident des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher. "Bei der Regierungsbildung brauchen wir jetzt Tempo und Mut." Die neue Regierung müsse schnell über Klimaschutz, Digitalisierung und "soziale Erneuerung" entscheiden. "Wenn ihr dies nicht gelingt, wird Deutschlands wirtschaftlicher Wohlstand auf dem Spiel stehen und Europa Gefahr laufen, im Systemwettbewerb mit China und den USA ins Hintertreffen zu geraten."
(mho)