Coronavirus: Mit Big Data die Pandemie in Schach halten

Google gibt Berichte über veränderte Mobilität in Corona-Zeiten heraus, Telefónica unterstützt das RKI ebenfalls. Kreditkarteninfos sollen angezapft werden.

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Coronavirus: Mit Big Data die Pandemie in Schach halten

(Bild: Shutterstock/Peshkova)

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Immer mehr Firmen sind bemüht, mit großen Datenmengen und darauf basierenden Statistiken im Angesicht der Coronavirus-Krise das veränderte Mobilitätsverhalten der Bevölkerung transparent zu machen. Die Bewegungsinformationen über Millionen Mobilfunkkunden sollen zeigen, ob die Bürger die angemahnte soziale Distanz wahren und öfter zuhause bleiben. Mittelfristig könnten die damit verknüpften Erkenntnisse über die Infektionsgefahr eine Exit-Strategie aus dem Lockdown aufzeigen, lautet die Hoffnung.

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Neben Netzbetreibern hat am Freitag erstmals Google "Mobilitätsberichte" für zunächst 131 Länder veröffentlicht, die regelmäßig aktualisiert werden sollen. So wie man bei Google Maps anhand aggregierter und anonymisierter Standortdaten bereits sehen kann, wie beliebt und belebt etwa öffentliche Einrichtungen, Plätze, Museen oder Restaurants sind, liefert die Alphabet-Tochter nun vergleichbare Erkenntnisse über die Zeit hinweg zu verschiedenen Kategorien an Örtlichkeiten in den erfassten Nationen.

Der erste Bericht für Deutschland offenbart, dass die Bundesbürger Einkaufs- und Erholungsstätten wie Restaurants, Cafés, Shopping-Center, Museen, Büchereien, Vergnügungsparks oder Kinos zwischen Mitte Februar und Ende März um bis zu 77 Prozent weniger besucht haben als sonst üblich. Wirklich gesunken sind die Quoten hier aber erst nach Mitte März, als die Einrichtungen alle weitgehend dicht waren.

Supermärkte, Drogerien und Apotheken verzeichneten hierzulande bis Mitte März wachsende Kundenzahlen, erst seitdem ließ der Ansturm etwas nach, voriges Wochenende sogar bei einem Minus von 51 Prozent gegenüber dem Durchschnitt. Bei Parks stellt sich ein offenbar wetterabhängiges, starkes Auf und Ab dar, die Kurve sank hier am vergleichsweise kühlen vorigen Sonntag um die bisher maximalen 49 Prozent.

Busse und Bahnen verlieren der Statistik zufolge fast kontinuierlich Fahrgäste. Das bis zum 29. März erreichte größte Minus liegt bei 68 Prozent. Der große Wechsel ins Homeoffice startet Mitte März, Fahrten in Büros verringerten sich seitdem um bis zu 39 Prozent. Parallel stieg der Anteil der Nutzer, die sich in den eigenen Wänden mehr oder weniger dauerhaft eingerichtet haben, um maximal elf Prozent. Google bricht die Zahlen auch auf die einzelnen Bundesländer herunter, wonach vor allem Berliner und Hamburger mehr Zeit zuhause verbringen.

Das Unternehmen kann den Standort von Nutzern des Android-Mobilsystems anhand von GPS- oder WLAN-Daten bestimmen, wenn die Betroffenen die Ortungsfunktion freigegeben haben. Die so gewonnenen Bewegungsinformationen sind in der Regel genauer als die von Netzbetreibern, die im Kern mit teils recht großen Funkzellen operieren. Google versichert, die Daten mithilfe der Technik "Differential Privacy" zu anonymisieren, also den Personenbezug durch zusätzliches künstliches Rauschen bestmöglich zu verschleiern.

Das Messverfahren von Google lässt sich aber recht einfach austricksen: Der Berliner Künstler Simon Weckert packte jüngst 99 mit Android ausgerüstete Mobiltelefone in einen Handwagen und zog diesen durch leere Straßen der Hauptstadt. Die Handys sendeten ihre Positions- und Bewegungsdaten an Google Maps, sodass das System auf dem Kartendienst Stau meldete. Auch die neuen Mobilitätsberichte sind daher mit etwas Vorsicht zu genießen.